Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung – Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft

Zum Alternativantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4343


Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Fiedler, es ist der Alternativantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, den ich hier begründen möchte.


Vom 7. bis 8. Juli dieses Jahres fand in Hamburg der G20-Gipfel statt. Meine Damen und Herren, die Delegationen waren noch nicht abgereist, die eingesetzten Polizeibeamten noch nicht alle zu Hause und die Journalisten hatten auch noch nicht alle ihre Berichte geschrieben, da hat die AfD-Fraktion schon eine Sondersitzung des Thüringer Landtags zu diesem Gipfel beantragt, die wir heute durchführen, weil es die Geschäftsordnung so vorsieht


(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Gott sein Dank!)


und weil der Präsident der Auffassung war, dass es sich eben nicht lohnt und nicht zu rechtfertigen ist, dafür unmittelbar nach Antragstellung 91 Abgeordnete in den Sommerferien wegen der zwei AfD-Anträge auf Kosten des Steuerzahlers aus dem Urlaub zu holen,


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir arbeiten!)


zumal – und das hat ja die AfD-Fraktion auch eingeräumt – einer dieser Anträge bereits im November 2016 inhalts- und wesensgleich hier im Landtag gestellt worden ist und im Frühjahr 2017 auch behandelt wurde. Aber das gibt mir Gelegenheit, als erster Redner der Koalition den heute berufenen und vereidigten neuen Bildungsminister die herzlichsten Glückwünsche in Namen der Koalition auszusprechen und ihm viel Erfolg für seine Arbeit zu wünschen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gestatten Sie mir auch diese Bemerkung: Ich hatte vorhin geglaubt, dass die Farce oder das Niveau, was wir vorhin vor der Vereidigung erlebt haben, nicht noch weiter sinken kann, aber die Einbringungsrede von Herrn Brandner hat mich eines Besseren belehrt.

Nicht einmal, meine Damen und Herren, die Bürgerschaft Hamburgs hat sich bislang mit dem Thema beschäftigt. Lediglich der dortige Innenausschuss und Abgeordnete haben über Kleine Anfragen begonnen, sich mit dem Komplex des Gipfels – der Aufklärung von Vorbereitung, Einsatzplanung, Versammlungslagen, Gewaltstraftaten und Gewaltausbrüchen, polizeilichem Fehlverhalten und polizeilicher Gewalt – zu beschäftigen. Dort gehört auch die Aufklärung hin, am Besten aus unserer Sicht in einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der umfassende Anhörungs- und Akteneinsichtsrechte hat.


(Beifall DIE LINKE)


Der Thüringer Landtag wird heute keinen weitergehenden Beitrag der Aufarbeitung leisten können, noch weniger konnte er dies am 10. Juli, aber wir können uns – und das werden wir sicherlich auch rege nutzen – alleinig darüber austauschen, wie die Redner der einzelnen Fraktionen in den wenigsten Fällen die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, aber vor allem die Darstellung Dritter, der Polizei, der Behörden, der Protestorganisationen, der Journalisten und der durch diese Interviewten bewerten und welche vorläufigen Schlussfolgerungen daraus ableitbar sein können – ich betone „vorläufigen Schlussfolgerungen“, Herr Fiedler. Denn wer glaubt, einen Gipfel, der Kosten von 130 Millionen Euro sowie 18 Millionen Euro Umsatzausfälle in der Hamburger City verursacht und 12 Millionen Euro bislang geschätzten Schaden aufweist, wer also glaubt, einen Gipfel, bei dem 22.000 Polizeibeamte im Einsatz waren, wer glaubt, einen Gipfel, an dem 6.000 Delegierte von 36 Delegationen teilnahmen,


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Der Gipfel war schuld oder was?)


wer glaubt, einen Gipfel, der begleitet worden ist durch 26 Versammlungen – an einer haben mehr als 76.000 Teilnehmer teilgenommen – mal eben so während einer Parlamentssitzung aufarbeiten zu können, der hat jeden Bezug zur Realität verloren.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn es allerdings darum geht, politische Postulate abzufordern, die auf undifferenzierten und eindimensionalen Deutungsmustern aufbauen, halte ich es in diesem Fall einmal mit dem Abgeordneten Fiedler, der bereits zum erwähnten AfD-Antrag im Frühjahr, als die AfD beantragte, der Landtag möge doch alle Formen der Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung verurteilen, sagte, dass es sich um Selbstverständlichkeiten handele, es einer gesonderten Feststellung durch den Landtag hier und heute nicht bedarf, und sehr deutlich in der ihm eigenen Art ausführte – Herr Fiedler, ich zitiere Sie –: „Ebenso wenig wird es diese Chaoten interessieren – und schon gar nicht religiöse Extremisten –, wenn der Landtag bekräftigt, dass er alle Formen der Gewalt verurteilt. Das wird die aber sehr interessieren und jucken. Erstens gehe ich davon aus, dass auch dies hier im Hohen Haus selbstverständlich ist und zweitens bedarf es zur Abwehr dieser Formen von Gewalt anderer Maßnahmen als Landtagsbekräftigungen.“ Ich glaube, Herr Fiedler, auch in Ihren Redebeiträgen sollten Sie auch heute von dieser Selbstverständlichkeit zumindest zwischen Ihnen und der Fraktionen der Linken, Grünen und SPD weiterhin ausgehen.


(Beifall DIE LINKE)


Aber da Sie sich inzwischen anders entschieden haben, auch einen Antrag einzubringen und dem einen Forderungskatalog beigefügt, der inhaltlich nicht nur der Extremismustheorie folgt, sondern den kaum noch einem verständigen Menschen zuzuschreibenden Ausruf Peter Altmaiers „Linksextremer Terror in Hamburg war widerwärtig und so schlimm wie Terror von Rechtsextremen und Islamisten.“ zur Analyse erhebt, haben wir uns entschlossen, einen eigenen Antrag zu formulieren, der von drei Prämissen ausgeht: eine klare, ablehnende Positionierung zur Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen und Interessen, eine


Präsident Carius: Ich darf auch Sie bitten, zum Ende zu kommen.


Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


klare, befürwortende Positionierung zur Versammlungs- und Meinungsfreiheit, zu Protest und zivilem Ungehorsam als Grundlage demokratischer und sich stetig entwickelnder Gesellschaften


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ende, Herr Dittes!)


und eine klare Positionierung zur Verantwortung, die aus dem staatlichen Gewaltenmonopol erwächst.


Eine Bemerkung, Herr Präsident, die werden Sie mir noch gestatten, die finde ich wichtig, dass sie an dieser Stelle nicht untergeht. Der Antrag enthält darüber hinaus auch den Dank der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen an die Thüringer Polizeibeamten, die in Hamburg


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


für die Durchführung des Gipfels und der Versammlungen im Einsatz waren.


Präsident Carius:


Nun ist aber die Redezeit tatsächlich erschöpft, Herr Dittes. Ich bitte Sie ...


Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Wir wünschen den verletzten Beamten


(Unruhe CDU, AfD)


wie auch den verletzten Versammlungsteilnehmern herzliche Genesungswünsche.


(Beifall DIE LINKE)

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