Gesetz zur Einsetzung einer Thüringer Anti-Bürokratiekommission

Andreas Schubert

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/4084

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und an den Endgeräten! Bürokratieabbau – kaum ein anderes Schlagwort ist so geeignet, fishing for compliments zu betreiben und noch dazu zwei Tage vor einem Wahlgang. Ich möchte jetzt nicht von einem zwielichtigen Antrag sprechen, aber ich will schon sagen,

 

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Parlamentarische Gruppe der FDP: Gesetzesentwurf!)

 

auch Die Linke hat konkrete Vorstellungen, wo Bürokratieabbau notwendig ist. Auch Die Linke hat konkrete Vorstellungen, wo Bürokratieabbau dringend geboten ist, wenn wir uns an die entwürdigende Hartz-IV-Bürokratie erinnern, wo alle paar Monate die gleichen Anträge ausgefüllt werden müssen.

 

(Unruhe CDU, AfD, Parlamentarische Gruppe der FDP)

 

Auch mit Blick auf die Bürokratie hier im Freistaat Thüringen hat die Linke mehrfach ganz konkrete Vorschläge in die Debatte eingebracht, ob denn unsere staatlichen Strukturen tatsächlich noch der Gegenwart entsprechen. Wenn wir daran denken, dass wir einen dreistufigen Verwaltungsaufbau in einem Freistaat haben, der die Größe eines bayerischen Regierungsbezirks hat, ob denn wirklich eine Mittelbehörde in Weimar oder auch ganz andere

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Behörden notwendig sind, die aus unserer Sicht nicht mal dem Anspruch gerecht werden, den sie im Namen führen, wie das Amt für Verfassungsschutz.

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Hört, hört!)

 

Die CDU hat also ein wichtiges Thema im Haushalt 2021 thematisiert, zu dem wir die Diskussion nicht verweigern wollen. Nur offensichtlich ist auch dieses Thema der stotternden Wahlkampfmaschine der CDU zum Opfer gefallen, wenn man die markigen Pressestatements des CDU-Fraktionsvorsitzenden zur Kenntnis nimmt. Denn zur Wahrheit gehört, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, dass 80 Prozent aller Vorschriften und die damit einhergehenden bürokratischen Regelungen von der Europäischen Kommission oder von Bundesgesetzen induziert sind. Und wer hat denn dort eigentlich die Verantwortung jetzt und in den letzten Jahren? Hier hat doch die CDU ganz offensichtlich große Chancen ungenutzt verstreichen lassen, für eine Verschlankung zu sorgen, und ist heute immer noch der Meinung, dass das Meiste notwendig ist – Olaf Müller hat gestern die Anfragen aus der aktuellen Legislatur im Bundestag an die Bundesregierung zitiert.

 

Die Lösung des Problems, meine sehr geehrten Damen und Herren, besteht sicher nicht im Aufbau eines neuen Bürokratie- und Gutachtenmonsters. Das kann auch nicht das Anliegen der CDU-Fraktion sein. Jetzt gibt es in verschiedenen Bundesländern Erfahrungen mit einem Normenkontrollrat und der Vorschlag der CDU lautet, diese jetzt auch in Thüringen zu nutzen. Das ist im Prinzip diskussionswürdig. Gleichzeitig gibt es für uns eine ganze Reihe von entscheidenden Grundfragen, die wir mit dem CDU-Vorschlag entweder nicht gelöst oder aber mit der Gefahr gravierender Geburtsfehler belastet sehen. Da ist zum Ersten die vorgeschlagene Zusammensetzung. Aus sieben Personen soll dieser Normenkontrollrat bestehen. Wir sehen dort eine Disparität, wenn zwei Kammervertreter, aber nur ein Arbeitnehmervertreter dort vorgeschlagen ist. Das würde sofort unsere Motivation erhöhen, sich tatsächlich noch mal aktiv über eine Arbeitskammer in Thüringen hier in die Debatte zu begeben. Aber die Frage ist ungeklärt und nicht beschrieben: Wer wählt eigentlich nach welchen Kriterien die Bewerber aus? Gibt es dafür ein Interessenbekundungsverfahren? Wie kommt denn der Landtag zu diesen Bewerbervorschlägen, die dann hier berufen werden sollen?

 

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Schnick, Schnack, Schnuck!)

 

Es ist aus meiner Sicht auch diskussionswürdig, warum wir nicht die Erfahrungen von Sachsen nutzen sollen, erst mal mit einer dreijährigen Berufungsdauer zu starten und nicht gleich auf fünf Jahre zu gehen. Man kann bei so einem neuen Gremium durchaus nach drei Jahren mal eine Evaluation vornehmen und schauen, ob das wirklich im Sinne des Ziels hier der richtige Weg ist, den wir beschreiten.

 

Auch die Ansiedlung dieses neuen Gremiums lässt zumindest Fragen offen. Der Landtag soll also die Mitglieder des Normenkontrollrats hier wählen, aber die Berichtspflicht des Thüringer Normenkontrollrats nach § 6 Abs. 2 ist laut CDU-Vorschlag ausschließlich an die Landesregierung gerichtet und die soll dann den Bericht an den Landtag weiterleiten. Das versteht nicht wirklich jeder sofort, warum sich das über diesen Weg abspielen soll. Bei der Befassungskompetenz gibt es offensichtlich noch erhebliche Unklarheiten, denn wir lesen hier in § 4 Abs. 1, dass neben den Gesetzentwürfen, die von der Landesregierung in den Landtag eingebracht werden, auch die Entwürfe von Landesgesetzen aus der Mitte des Landtags während der Ausschussbefassung geprüft werden sollen. Nun ist es so – das wissen Sie alle gut –, dass eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen auch von einer ehemaligen Fraktion dann in den Ausschüssen auftauchen, die aber nie beschlossen werden. Warum sich soll denn der Normenkontrollrat dann mit solchen Gesetzentwürfen befassen? Dann ist es auch nicht konsistent, wenn dann im § 4 Abs. 3 geschrieben wird: „Die Beteiligung des Thüringer Normenkontrollrates nach Absatz 1 erfolgt vor der abschließenden Befassung durch die Landesregierung.“ Gesetzentwürfe aus den Fraktionen erreichen die Landesregierung unter Umständen gar nicht mehr. Wieso soll denn dann vor der abschließenden Befassung der Landesregierung erst geprüft werden? Hier sind aus meiner Sicht deutliche Zeichen zu erkennen, dass dieser Gesetzentwurf wohl mit heißer Nadel gestrickt wurde.

 

Aber wenn wir tatsächlich was erreichen wollen, dann ist weniger mehr und hier sollten wir doch tatsächlich die Regelungskompetenzen im Land Thüringen in den Blick nehmen. Deshalb wäre es doch logisch, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, wenn der erste Beratungsfokus klar auf Verordnungen und Richtlinien und nicht bei den Gesetzen, die wir hier selbst beschließen, liegt. Das würde möglicherweise auch für mehr Klarheit sorgen bei der Frage der Ausstattung nach § 7 Abs. 3. Sie haben ja ausgeführt, dass die Ausstattung so sicherzustellen ist, dass die Aufgaben uneingeschränkt erfüllt werden können. Wenn wir wie vorhin schon beschrieben, jetzt auch alle Gesetzentwürfe, die jemals hier im Landtag diskutiert werden und möglicherweise – die Option ist ja aufgemacht worden – auch noch Gesetze, die zurückliegend schon beschlossen wurden, im Normenkontrollrat beleuchtet werden sollen, dann ist ja gar nicht klar, mit welchem tatsächlichen Aufwand hier diese notwendigen Mittel einzuplanen sind. Man sollte sich also tatsächlich auf die Fragen konzentrieren, die uns hier möglicherweise in Thüringen am nächsten liegen.

 

Diese Fragen sind also in der Ausschussdiskussion einer kompromissfähigen Lösung zuzuführen, damit wir nach drei oder fünf Jahren tatsächlich einen Mehrwert im Sinne von Bürokratieabbau für Einwohner und Unternehmen bilanzieren können.

 

Ich will aber zum Abschluss für die Linksfraktion hier sehr deutlich herausstreichen, dass wir unter Bürokratieabbau keinesfalls die Schleifung von sozialen, ökologischen oder gar gesundheitlichen Standards verstehen,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

so wie das zuweilen die FDP dekliniert und wie man es auch in Zuschriften von Wirtschaftsverbänden wie dem VWT

 

(Zwischenruf Abg. Bergner, Parlamentarische Gruppe der FDP: Wo nehmen Sie den Unfug her?)

 

immer wieder lesen kann. Das Ladenöffnungsgesetz, Herr Bergner, sei hier nur als ein markantes Beispiel genannt.

 

(Zwischenruf Abg. Bergner, Parlamentarische Gruppe der FDP: Das glaube ich gern!)

 

Einer solchen Zielsetzung kommt man auch mit einem Normenkontrollrat keinen Millimeter näher, nur damit es hier keine Missverständnisse gibt. Wir werden also der Ausschussüberweisung zustimmen in den Wirtschaftsausschuss, den Haushalts- und Finanzausschuss und auch EKM. Wir hoffen auf eine konstruktive Debatte in der Diskussion in den Ausschüssen und sind dann gespannt, wie wir die Fragen, die ich hier aufgeworfen habe, dann tatsächlich zu einem Kompromiss führen können. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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