Gesetz zur Aufhebung des Thüringer Erziehungsgeldgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Fraktion FDP - Drucksache 5/1766 -


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, heute geht es um zwei Gesetzentwürfe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bzw. der FDP zur Abschaffung des Landeserziehungsgeldes. Auch bei diesem Thema können wir festhalten, dass DIE LINKE, damals noch als PDS, die Familienoffensive der Landesregierung von Anfang an abgelehnt hat


(Beifall DIE LINKE)


und dabei insbesondere die Einführung des Landeserziehungsgeldes. Was damit einherging, war vor allem die Umstellung eines einkommensabhängigen Zuschusses, einer einkommensabhängigen Unterstützung für Familien, die in einen gleich hohen monetären Zuschuss umgewandelt wurde, womit man altbackene konservative Familienpolitik umsetzen wollte. Das, worum es uns geht, ist keine Kritik an den Familien, die sagen, wir wollen unser Kind lieber zu Hause behalten, sondern was wir kritisieren, ist, dass sie dafür belohnt werden, wenn sie ihr Kind nicht in die Kita schicken. Wer also sein Kind bis zum Schuleintritt zu Hause betreuen möchte, der soll dies tun, dagegen ist gar nichts einzuwenden. Aber diejenigen Familien, die auf den Besuch der Kita verzichten, auch noch mit einer Herdprämie oder einer Zuhausebleibprämie zu versehen, das halten wir für recht schwierig. Die Ausnahme, wo wir im Familienrecht einiges geändert haben, ist die, wenn das Zuhausesein für das individuelle Kindeswohl gefährdend ist, dann kann jetzt nach Familienrecht der Besuch in der Kita angeordnet werden. Das bedeutet aber auch, dass die Gerichte und die Fachwelt die Kita als Betreuungseinrichtung und auch als Bildungseinrichtung, wo ganz viel Persönlichkeitsbildung stattfinden kann, wahrgenommen und erkannt haben. Herr Gumprecht, das würde Ihrem Argument, was Sie gerade hier besprochen haben, dass wir gerade diejenigen Eltern unterstützen müssen, die für eine ganz besondere Bindung zu Ihren Kindern stehen wollen, das führt es ja ein Stück weit ad absurdum, wenn sogar Gerichte jetzt schon den Besuch einer Kita verordnen können. Für uns stellt sich die Frage, warum müssen eigentlich Menschen dafür belohnt werden, dass sie der ideologischen Vorstellung einer so konservativen Partei wie der CDU gerecht werden. Selbst, wenn die CDU allein regiert, da war das noch verständlich, da hat man dieses ideologische Bild auch umsetzen können. Jetzt regiert sie mit der SDP. Warum müssen Leute belohnt werden, wenn sie Leistungen nicht annehmen. Das hat Herr Koppe schon ausgeführt, Frau Siegesmund ähnlich, das wäre in etwa so, wie wenn ich keine Autobahn benutze, dann bekomme ich Steuern wieder, wenn ich keine Hochschulen benutze, bekomme ich Steuern wieder. Das ist also in der Tat eine fragwürdige Regelung, wo man sich wirklich fragen muss, was soll das.


(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das ist eine Erziehungsleistung für unsere Gesellschaft.)


Ja, und zur Erziehungsleistung will ich …


(Unruhe CDU)


Herr Dr. Zeh, ich komme gleich noch auf Ihr Argument zu sprechen. Ich denke schon, dass wir diese Kindergartenbenutzungsprämie, so will sie durchaus nennen, dass wir die abschaffen sollten aus verschiedenen Gründen.


(Beifall DIE LINKE)


Wir hatten von Frau Siegesmund bereits die Frage gehört, wie sieht es eigentlich aus mit der monetären Verteilung von Leistungen, wie sieht es aus mit der Förderung von Familien? Da können Sie internationale Fachliteratur bemühen, Sie können Ihren eigenen Staatssekretär fragen, der ja dazu geforscht und gearbeitet hat. Der wird Ihnen sagen, das sagen auch sämtliche Arbeitsgruppen, die in diversen Ministerien zum Thema Kinderarmut getagt haben, dass vor allem die Förderung von Institutionen, also die Möglichkeit von Zugängen zu Bildungseinrichtungen, wichtig ist, weniger die monetäre Unterstützung.


(Beifall DIE LINKE)


Da hat Frau Siegesmund ganz recht, das, was wir machen ist wirklich ein ganz hochgradig fataler Ansatz, indem wir sagen, wir geben Leuten direkt Geld. Entweder über Steuererklärung, wie es beim Ehegattensplitting stattfindet, wie es bei Kinderfreibeträgen stattfindet oder wie Sie es hier in Thüringen gemacht haben mit den 150 € Landeserziehungsgeld. Diesen Weg halten nicht nur wir als LINKE für falsch, diesen Weg hält im Übrigen auch die Fachwelt für falsch. Und die Mittel, die wir in das Landeserziehungsgeld stecken, 34 bis 37 Mio., je nachdem wie viele Kinder wir haben, denke ich, sind in Institutionen wie der Kita wesentlich besser aufgehoben.

Ich denke, dass wir als LINKE das auch im Vorfeld schon deutlich gemacht haben, als Sie mit der Familienoffensive hier den Landtag beglückt haben. Dieser Widerstand hält ja bis heute an. Die Frage, wie viel Geld wir den Familien geben, die Frage, wie viel Mittel wir den Familien zur Verfügung stellen, die ist deshalb auch so wichtig, weil, Herr Zeh, wir mögen zwar die Erziehungsleistung anerkennen, das ist eine gute Sache, aber gerade Ihre Partei, die CDU, hat jetzt im Bundestag im Zusammenhang mit dem Sparpaket und mit den Neuberechnungen der Hartz IV-Regelsätze die Kürzung des Bundeselterngeldes für Hartz IV-Empfängerinnen beschlossen, dass also diejenigen, die im ersten Lebensjahr vor besonderen Herausforderungen stehen finanzieller Natur, diejenigen, die sowieso schon am unteren Rand der Gesellschaft leben und jeden Euro ein- bis zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben können, diesen Leuten streichen Sie das Geld und jetzt stellen Sie sich hin und sagen, aber das Landeserziehungsgeld, das ist heilig, da dürfen wir nicht rangehen. Da ist in Ihrer internen Logik als CDU wirklich etwas verquer. Das ist unlogisch und es ist im Übrigen auch völlig unsinnig, denn das - Frau Siegesmund hat es schon gesagt -, was Sie begründen in Ihrem Gesetz von 1993 sind ja Erwerbslücken, Einkommenslücken, die entstehen. Und jetzt haben wir natürlich mit dem neuen Kita-Gesetz den Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr. Das heißt, Familien bekommen ein Kind, bekommen ein Jahr lang Bundeselterngeld, bekommen möglicherweise auch 14 Monate Bundeselterngeld, wenn die Vätermonate genommen werden und dann haben Sie in Thüringen einen Rechtsanspruch. Sie haben einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung und dieser Rechtsanspruch ist bundesweit einmalig und für diesen Rechtsanspruch haben wir hart gekämpft. Ich sehe nicht ein, warum wir diesen Rechtsanspruch mit der Herdprämie konterkarieren sollen. Ich denke, das geht an dieser Stelle nicht zusammen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man sich anguckt, welche Argumentationen die Bundespolitik hat, wenn es darum geht: Kinderfördergesetz, wenn es um andere gesetzliche Novellierungen und gesetzliche Maßnahmen geht, dann laufen die alle darauf hinaus, die Institutionen, die für Kinderbetreuung, die für Kinderbildung wichtig sind, zu stärken und diese Institutionen stärker in den Fokus zu nehmen und weniger auf die Individualisierung von monetären Leistungen zu setzen. Ich glaube, dass wir wirklich von dieser Linie wegkommen müssen.

Darüber hinaus ist sowieso die Frage, wie viele Personen das überhaupt betrifft. Jetzt haben wir den Rechtsanspruch auf das Landeserziehungsgeld ein wenig gesenkt, da sehen die Proportionen etwas anders aus, aber bis noch vor einem Jahr haben 76 Prozent der Eltern die Kita in Anspruch genommen. Das ist, glaube ich, doch ein sehr, sehr deutliches Zeichen. Die Frage für uns ist in diesem Zusammenhang in der Tat - die wurde auch schon aufgeworfen - die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass ausreichend Einrichtungen vorhanden sind. Schauen Sie sich um, beispielsweise in Erfurt haben wir regelmäßig das Problem, dass Eltern nicht wissen, wie sie zu einem Kitaplatz kommen, dass die Plätze sehr, sehr eng bemessen sind, da müssen wir also noch jede Menge ausbauen. Und bevor wir nicht wirklich garantieren können, dass jeder, der einen Rechtsanspruch hat, den auch wahrnehmen kann, solange können wir uns den Luxus des Landeserziehungsgelds, glaube ich, nicht leisten. Solange müssen wir dafür sorgen, dass das Kitasystem weiter ausgebaut wird. Da brauchen wir nicht nur nach Erfurt zu schauen, da gibt es, denke ich, noch genug Gemeinden, die ähnliche Probleme haben, dass der Sturm auf die Kitas so groß ist, dass wir da sogar noch Nachholbedarf an einigen Stellen haben und sogar dahingehen müssen, Kitas neu zu bauen, größere Einrichtungen hinzustellen, damit wir den großen Bedarf auch auffangen können. Solange das noch nicht geklärt ist, denke ich, braucht man schon noch die Mittel, um den Kitaausbau voranzutreiben.


Eine weitere Sache: Herr Gumprecht hatte ja gesagt, dass die CDU schon für das Landeserziehungsgeld steht und dass diese Argumentation mit der Herdprämie nicht zieht. Da will ich Ihnen etwas anderes sagen oder eine Interpretation. Heute kann man ja im Pressespiegel nachlesen, dass Unternehmer Frau Lieberknecht angreifen. Der Wirtschaftsflügel der CDU stellt ja nicht nur Gegenkandidaten zur Landesvorsitzenden der CDU auf, sondern fordert auch die sofortige Abschaffung des Landeserziehungsgelds. Also auch aus ihren eigenen Reihen gibt es da Protest, und wenn sogar die Wirtschaftsweisen in der CDU die Abschaffung des Landeserziehungsgelds fordern, dann scheint es ja schon so zu sein, dass die vielleicht davon genervt sind, wenn Mütter erst später wieder in den Beruf zurück wollen, möglicherweise den fachlichen Anschluss verpasst haben und das würde ja im Umkehrschluss genau diesen Effekt des Erziehungsgelds auch unterstreichen.


Wir wollen nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wir wollen auch, wenn es darum geht Armut zu bekämpfen, Armutsprävention zu betreiben, natürlich den Ausbau von Kindertagesstätten, denn, ich glaube, wenn wir uns diese ganzen Maßnahmekataloge anschauen, wenn wir uns anschauen, was auch die Fachwelt sagt, wenn es um Armutsprävention geht, dann ist es durchaus sinnvoll, solche Institutionen wie den Kindergarten, wie die Kindertagesstätte zu unterstützen, und das wird dummerweise mit dem Landeserziehungsgeld - die Studie wurde ja bemüht, die Auswirkungen sind nicht so dramatisch, aber ich glaube schon, dass man für einige, für eine gewisse Gruppe aus denjenigen, die das Landeserziehungsgeld wirklich in Anspruch nehmen, schon noch sagen kann, da wäre es sinnvoller gewesen, wenn dort die Kita besucht würde. Wie wollen wir Bildungseinrichtungen stärken, wenn wir jetzt die Kita so demontieren.

Was ich noch sagen möchte. Was ich ganz witzig fand, Herr Gumprecht, Sie haben ja davon gesprochen, dass die CDU, wie gesagt, das Landeserziehungsgeld für heilig hält. Selbst die Junge Union - hier sind ja auch einige Zöglinge der Jungen Union im Landtag, Frau Meißner, Herr Voigt - fordert die Abschaffung. Am 31. August gab es dazu eine entsprechende Pressemitteilung von Herrn Gruner, der Chef der Jungen Union in Thüringen, das lässt mich schon hier ein wenig verzweifeln.


Nun zur SPD: Da muss ich natürlich sagen, Frau Pelke, das, was Sie gesagt haben, kann man verstehen, man kann es auch hören, aber das, was man wirklich nicht begreifen kann, ist doch die Tatsache, dass Sie gemeinsam mit den GRÜNEN, mit dem Landeselternbeirat, mit verschiedenen Verbänden, Initiativen, Gewerkschaften und auch mit der LINKEN zusammen für das Kitagesetz gestritten haben, dass Sie dafür gestritten haben, dass die Familienoffensive wirklich über den Jordan geschickt wird, dass die Familienoffensive ad acta gelegt wird und wir zu einer vernünftigen Familienpolitik kommen. Und jetzt stellen Sie sich hier hin und rechtfertigen das Festhalten an diesen wirklich fachlich fragwürdigen Dingen beispielsweise mit dem Landeserziehungsgeld. Da muss ich wirklich fragen, was das soll. Damit diskreditieren Sie ja nicht nur sich selber, sondern diskreditieren ja vor allem auch die vielen Leute, die erstens an dem Entwurf des Volksbegehrens mitgearbeitet haben. Das ist, glaube ich, eine ganz schwierige Angelegenheit, denn im Volksbegehren war von Anfang an auch ein Konsens da, das Landeserziehungsgeld infrage zu stellen und das Landeserziehungsgeld in Abrede zu stellen.


(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das war ganz unterschiedlich.)


Ich denke schon, dass das Volksbegehren das Landeserziehungsgeld sehr, sehr kritisch gesehen hat. Selbst Sie als SPD-Fraktion, das wissen Sie ja selber, da brauchen wir gar nicht auf das Volksbegehren zu kommen, haben hier auch gegen das Landeserziehungsgeld gesprochen. Das, was jetzt eigentlich so ärgerlich ist, ist, dass wir das Volksbegehren quasi umgesetzt haben. Herr Mohring hat das vorhin für die CDU-Fraktion reklamiert. Jetzt lassen Sie sich den letzten Erfolg, den die SPD dort wirklich zu verzeichnen hatte, auch noch von hinten aus der Tasche fingern, indem man zum Beispiel die Kita-Finanzierung auf so eine abwegige Art und Weise durchführt. Das Ergebnis ist, dass landauf, landab jetzt Landräte, Dezernenten, wenn es darum geht, Kita-Gebühren zu erhöhen, ausschließlich darauf rekurrieren, dass das Volksbegehren und das neue Kita-Gesetz daran Schuld sei, dass die Kita-Gebühren erhöht werden sollen. Damit tun Sie sowohl dem Volksbegehren als auch sich, als auch dem Anliegen des Ausbaus der Kita wirklich einen Bärendienst. Wir finden das nicht gut.


Zum Schluss möchte ich sagen, wir sind auch für die Wahlfreiheit, wir möchten auch, dass es Wahlfreiheit gibt bei der Frage Kita-Betreuung oder häusliche Betreuung. Ja, wir wollen dort auch Wahlfreiheit, aber, Herr Gumprecht, wir wollen Wahlfreiheit ohne Wahlmanipulation. Ich finde, die 150 € Landeserziehungsgeld, das ist Wahlmanipulation. Wir möchten den Eltern die Möglichkeit geben, dass sie frei entscheiden können, ohne aus ökonomischen Sachzwängen und ökonomischem Drücken heraus argumentieren zu können. Die insgesamt aufgerechneten 1.800 €, die das Landeserziehungsgeld im Jahresdurchschnitt ausmachen, die machen den Kohl nicht fett. Wenn eine Familie in finanziellen Nöten steckt, dann hilft ihnen das Landeserziehungsgeld in der Tat nicht wirklich weiter. Da wäre eine Vermittlung in Arbeit,


(Unruhe CDU)


da wäre das …


(Zwischenruf Abg. Günther, CDU: Wo bleibt denn Ihr soziales Gewissen?)


Ich habe ein sehr großes soziales Gewissen, Herr Günther. Ganz einfach, wenn die Leute ihre Kinder in die Kita geben können und nebenbei eine Arbeit aufnehmen können, damit ist ihnen viel mehr geholfen, deshalb machen sie doch Initiativen wie TIZIAN und anderes.


(Beifall DIE LINKE)


Deshalb noch einmal: Wir wollen -


(Unruhe CDU)


(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Die Eltern sollen selbst wählen, wie ihnen mehr geholfen ist.)


das sollen sie doch auch selbst wählen können - Wahlfreiheit ohne Wahlbetrug. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Danke.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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