Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über den befriedeten Raum des Thüringer Landtags

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 5/4 - und zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/25 - Erste Beratung

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen, in den zurückliegenden Tagen und Wochen haben wir an vielen Orten den Ereignissen des Herbstes 1989 gedacht und uns erinnert. Mittelpunkt dieses Gedenkens war neben dem friedlichen Charakter besonders der Mut, die Kraft und der Wille von Bürgerinnen und Bürgern, mit Demonstrationen ihre Welt zu verändern. Neben der Achtung und dem Schutz der Menschenwürde, der Meinungs- und Reisefreiheit war und ist die Versammlungsfreiheit eine der unumstößlichen Errungenschaften jener Tage. DIE LINKE und ihre Fraktionen haben in der Vergangenheit die Errichtung der Bannmeile im Kontext dieser Geschichte immer kritisch betrachtet und waren daher bemüht, diesen Zustand durch parlamentarische Initiativen zu verändern. Jene Kolleginnen und Kollegen, welche seit 1990 hier im Hohen Haus sitzen, werden sich sicher daran erinnern. Unsere Position war und ist, Bürgerinnen und Bürger müssen dem Parlament auf Augenhöhe ihre Meinung sagen dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu gehört auch die Zugänglichkeit des Landtagsareals für Kundgebungen und Demonstrationen. Die Bannmeile setzt ein demokratisch problematisches Signal der Abschottung. Eine Bannmeile kann vermeintlich bequem sein, wenn sie mit dem Demonstrationsverbot unliebsame, heikle gesellschaftliche Probleme außer Sicht- und - ich betone ausdrücklich - auch außer Hörweite des Plenarsaals hält. Die bisherigen Kritiker einer Aufhebung der Bannmeile halten immer entgegen, das Parlament sollte nicht unter dem Druck der Straße entscheiden müssen. Dem antworten wir, übliche Formen der politischen Meinungsäußerung von Bürgerinnen und Bürger, zumal verfassungsrechtlich verankert, muss ein Landtag annehmen und sich nicht nur im Rahmen von Wahlkämpfen mit Inhalten auseinandersetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Das gehört zu den üblichen demokratischen Spielregeln. Wenn sich einige Leute nicht an die Spielregeln halten wollen, könnte man fragen; dann, meine Damen und Herren, gibt es immer noch das Hausrecht und die Möglichkeiten und Schranken des Versammlungsrechts, die genutzt werden können. Die Bannmeile aber in Thüringen als "befriedeten Raum" zu bezeichnen ist schon ein wenig kurios, um nicht zu sagen undemokratisch.

(Beifall DIE LINKE)

Sie stellt die Bürgerinnen und Bürger insgesamt unter einen Generalverdacht und sperrt sie aus, nur weil sie das Grundrecht auf Versammlungsrecht, Versammlungsfreiheit nutzen wollen, um ihre Anliegen und Ansichten auch räumlich direkt an ihre Vertreterinnen und Vertreter im Landtag heranzutragen. Oft werden wir, meine Damen und Herren, in Gesprächen, Begegnungen und erst letztens wieder in einer Besuchergruppe im Thüringer Landtag gefragt, warum die Politik- und Politikerverdrossenheit, die zunehmende Erosion der Wahlbeteiligung den politischen Alltag kennzeichnet. Unsere Antworten, unsere Aufforderungen lauten dann immer: Demokratie ist anstrengend, man möge sich beteiligen, einbringen, mitgestalten. Sollten wir uns aber nicht auch selbst die Frage stellen und dieselbe Antwort mit dem Blick auf Bürgerinnen und Bürger, auf ihre Fragen und Probleme oder ihren Wunsch, durch Demonstrationen ihren Willen zu politischen und gesellschaftlichen Vorgängen zu artikulieren, geben. Demokratie ist anstrengend, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade auch mit Blick auf das zurückliegende Superwahljahr und dennoch haben wir die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Bürgerwillen auch über Demonstrationen - ich wiederhole mich - hautnah zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Gedanken und Worte stehen auch im Kontext der Bewertung des Fraktionsvorsitzenden der CDU gegenüber den Thüringerinnen und Thüringern am gestrigen Tag, die wir wohl zur Kenntnis genommen haben, in der er den Thüringerinnen und Thüringern eine demokratische Reife bescheinigt hat. Die Konsequenz ist die Aufhebung der Bannmeile im Thüringer Landtag.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein paar Worte der Historie der heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfe der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der SPD.

Das Thüringer Bannmeilengesetz wurde 1991 auf Betreiben der CDU geschaffen und im September 2003 das letzte Mal geändert, als mit Beschluss der CDU-Landtagsmehrheit die Jürgen-Fuchs-Straße Teil der Bannmeile wurde. Gegen diese Ausweitung der Bannmeile brachte die PDS-Fraktion im November 2003 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung der Bannmeile ein. Die SPD zog daraufhin einen inhaltsgleichen Gesetzentwurf nach. Pikante Anekdote: 1995 - zu Zeiten der ersten schwarz-roten Koalition, CDU und SPD, in Thüringen - beschloss die Koalition eine Novelle des Bannmeilengesetzes. Damals trat die SPD als Befürworter der Bannmeile auf. Es gehe, so meinte die SPD-Abgeordnete Jähnke damals, um eine praktikable Lösung für Polizei und Justiz. Die PDS-Fraktion verlangte auch 1995 die Abschaffung der Bannmeile. Ja, die Zeiten haben sich geändert. Diesen roten Faden der PDS von 1991, 1995 und 2003 nimmt die Fraktion DIE LINKE zu Beginn der 5. Wahlperiode im Thüringer Landtag wieder auf. Der Gesetzentwurf zur Abschaffung der Bannmeile ist nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE im Blick auf die Vergangenheit, aber auch mit Blick auf die Zukunft ein notwendiges Signal für Transparenz und Bürgernähe parlamentarischer Arbeit in Thüringen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns endlich Demokratie und Vertrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auch an dieser Stelle wagen. Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung beider Gesetzentwürfe an den Justizausschuss. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

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