Gesetz zur Änderung des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD – Drucksache 6/2139


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn wir eben gehört haben, dass es keinen Grund der Welt gibt, diesen Antrag abzulehnen, dann zeigt sich wieder, wie begrenzt doch die Welt der AfD ist.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie sind nicht von dieser Welt!)


Ich werde versuchen, der Öffentlichkeit und den anderen Fraktionen noch mal einige Gründe zu offenbaren. Ich könnte es mir womöglich relativ leicht machen, indem ich einfach darauf verweise, welche rechtlichen Unzulänglichkeiten in diesem Gesetzentwurf stecken, dass er auch untauglich ist, Transparenz und Bürgerbeteiligung herzustellen und dass er im Prinzip von Konstruktions- und Denkfehlern geprägt ist und sich daraus ableitend unsere Ablehnung begründet.


Nur so einfach will ich es mir nicht machen, weil die AfD-Fraktion in dieser Woche eine Pressekonferenz durchgeführt und diesen Gesetzentwurf, von dem sie vorgibt, dass er zu mehr Bürgerbeteiligung führen soll, in einen gewissen Kontext gestellt hat. Und in diesem Kontext will ich mich auch inhaltlich mit diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen. Ich will vorwegschicken, dass die Pressekonferenz damit begann, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD frohlockte, nunmehr keine Ein-Themen-Partei mehr zu sein. Er stellte das in großer Begeisterung dar. Nur meine ich, meine Damen und Herren, die AfD ist nach wie vor eine Ein-Themen-Partei, nur hat sich das Thema in den vergangenen Jahren verändert. War es erst der Euro, wurde dieser durch die Flüchtlinge abgelöst, und diese wurden vorerst durch den Islam verdrängt.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das nennt man serielle Ein-Themen-Partei!)


Ich nenne das, um eine AfD-Politikerin aus der Pressekonferenz der AfD zu zitieren, „serielle Monogamie“, der Sie hier ablehnend gegenüberstehen, wie wir seit Dienstag wissen. Nun fragen sich die Abgeordneten des Thüringer Landtags und die Öffentlichkeit wahrscheinlich, warum die Abgeordnete Herold bei einer Pressekonferenz zum Moscheebau von „serieller Monogamie“ sprach – ich mich auch. Aber offensichtlich ist der AfD kein Argument zu dämlich, um gegen den Islam zu hetzen. Da musste selbst Goethes Liebesleben herhalten.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Anstatt sich mit Goethes Liebesleben auseinandersetzen, hätte die AfD möglicherweise Goethes „West-östlichen Divan“ lesen sollen. Der hätte zu mehr Erkenntnis – gerade auch bei dem zu diskutierenden Thema – geführt.


(Unruhe AfD)


(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Man muss es auch verstehen!)


Ebenso wenig, wie ihr kein Argument zu dämlich ist, ist ihr kein Gegenstand zu fremd, um ihn für ihr neues und wohl auch einziges Thema zu benutzen. So war es der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, der am Dienstag der Öffentlichkeit verkündete: Bei diesem Gesetzentwurf handelt es sich um einen Teil eines Maßnahmenpakets der AfD, das sich gänzlich mit Muslimen und dem Islam beschäftigen wird – besser gesagt aus meiner Sicht: gegen diesen und dessen Menschen gerichtet ist.


In diesem Licht ist es auch wichtig, auf die Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes einzugehen. Es geht um § 25. Kern des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ist, dass die Träger frühzeitig die Öffentlichkeit über Ziele des Vorhabens, Mittel der Verwirklichung und die voraussichtlichen Auswirkungen unterrichten. Ich möchte bei meiner Bewertung genau diese drei Aspekte auch in den Mittelpunkt und zur öffentlichen Diskussion stellen. Es geht also um die Ziele des Antrags, es geht um die Mittel zur Verwirklichung des Vorhabens der AfD und die Auswirkungen, die dieser Gesetzentwurf mit sich bringen wird.


Es geht zunächst der AfD, wenn wir uns den Zielen zuwenden, nicht um die Bürgerbeteiligung bei Vorhaben genereller Art. Es geht ihnen allein um Bauvorhaben, wie man aus dem Vortext des Gesetzes entnehmen kann. Der Antrag ziele – und das hat der Parlamentarische Geschäftsführer von diesem Pult auch noch mal deutlich gemacht, obwohl kein Wort von Islam und Moschee im Antrag enthalten ist –, alleinig auf den Moscheebau in Erfurt ab, so Abgeordneter Möller am Dienstag in der Pressekonferenz. Ich glaube, als wir früher Indianer gespielt haben, hieß das: Sie reden mit gespaltener Zunge.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und dann stellt sich tatsächlich die Frage, wenn diesem Antrag das Ziel – nur mal unterstellt – der Stärkung der Transparenz und der Informationserweiterung der Öffentlichkeit zugrunde liegt, ob wir denn in der aktuellen Diskussion um den Bau der Moschee für die Ahmadiyya-Gemeinde ein Informationsdefizit in der Öffentlichkeit haben. Ich glaube: Nein. Ist denn die informelle Beteiligung der Öffentlichkeit in irgendeiner Form beeinträchtigt? Nein.


Zur Erinnerung: Die Ahmadiyya-Gemeinde ist noch nicht Eigentümer der Fläche. Es gibt eine Bauvoranfrage, die Gemeinde selbst hat ihre Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt. Besteht also ein Defizit der Beteiligung im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung? Ein ganz klares Nein.


Wenn aber der Antrag auf den Moscheebau abzielt, wie die AfD selber postuliert, das informelle Beteiligungsverfahren aber kein Defizit kennt, worum geht es der AfD denn dann?


(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gute Frage!)


Und fündig werden wir, wenn man den Rest des Maßnahmenpakets, das die AfD am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt hat, betrachtet. Maßnahme in diesem Maßnahmenpaket war es beispielsweise auch, Siegfried Däbritz in Erfurt auftreten zu lassen, der sich als Vertreter von Pegida gern an der Seite des NPD-Bundesvorsitzenden ablichten lässt und mit diesem gemeinsam posiert.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist Teil des Maßnahmenpakets der AfD, der Auftritt eines der NPD zumindest sympathisierend gegenüberstehenden Vertreters der islamophoben Vereinigung Pegida. Teil des Maßnahmenpakets ist auch, so die AfD selbst, die Grundsatzrede Höckes zum Islam, die er am gestrigen Tag auf dem Domplatz halten wollte. Meine Damen und Herren, ich war anwesend, es war nun wirklich keine Grundsatzrede. Und von substanziellen Einwänden, wie Herr Möller sprach, hab ich auch dort nichts gehört, es sei denn, Sie verstehen die mit zittriger Stimme vorgetragene Angst vor der Dekadenz des Fraktionsführers Höcke als substanziellen Einwand. Das, was er dort aber den Menschen auf dem Domplatz gesagt hat, war nicht, dass die AfD die Bürgerbeteiligung in diesem Land stärken will, sondern Höcke hat dort deutlich dazu aufgerufen und angekündigt, die AfD werde mit allen Mitteln gegen den Bau der Moschee kämpfen.


Meine Damen und Herren, das ist das wahre Anliegen, das wahre Ziel dieses Antrags. Man kann noch weitere hinzufügen: Die Veröffentlichung von Stefan Möller in Facebook am 12. Mai wurde gestern schon von Astrid Rothe-Beinlich angesprochen. Es geht eigentlich nur darum, das islamophobe Parteiprogramm der AfD, was sie in Stuttgart besprochen hat, in die reale Welt zu tragen. Es geht also darum, nicht die Bürgerbeteiligungsrechte zu stärken, sondern das Ziel der AfD besteht darin, ihre Islamophobie in die Öffentlichkeit zu tragen und Menschen gegen eine Religion und gegen Menschen, die dieser Religion angehören, in der Öffentlichkeit zu mobilisieren, dagegen aufzustehen. Und die Worte, die die AfD dazu benutzt, wie „kulturfremde Religion“ und „fremdartige Bauvorhaben“, zeigen deutlich, wie nah die AfD mittlerweile schon sprachlich an den Rassentheoretikern des 19. Jahrhunderts liegt,


(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


die letztendlich die Grundlage für die NS-Rassenpolitik und den Holocaust geschaffen haben. Wer das nicht glaubt oder nachvollziehen will, der kann das gern bei Maw oder Chamberlain nachlesen.


(Unruhe AfD)


Reden wir aber auch über die Mittel, die der Antrag der AfD-Fraktion mit sich bringt. Das ist schließlich auch der Teil, über den die AfD sich am wenigsten Gedanken gemacht hat.


 

Vizepräsidentin Jung:


Meine Damen und Herren, Abgeordneter Dittes hat das Wort.



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Diesen Satz wiederhole ich gern – ich komme jetzt zu den Mitteln im Gesetzentwurf, die die AfD nun hier einbringt zur Debatte, und das ist ganz offensichtlich der Teil, über den sich die AfD die wenigsten Gedanken gemacht hat. Mangelnde Sacharbeit wird bereits im Einleitungstext des Gesetzentwurfs deutlich. Da wird von Bauvorhaben gesprochen, obwohl es hier um das allgemeine Verwaltungsverfahren geht, das gänzliche Vorhaben bespricht. Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, dass es Ziel sein muss, im Verwaltungsverfahren die Beteiligungsrechte zu stärken. Frau Abgeordnete Marx hat gesagt, es geht hier in diesem § 25 noch gar nicht um das Verwaltungsverfahren. Sie haben auch gesprochen, das mit dieser Gesetzesänderung dem Bauträger eine frühzeitige Veröffentlichungspflicht auferlegt wird. Nur richtet sich der § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gar nicht an den Bauträger, sondern an die öffentliche Verwaltung, denn die wird bislang verpflichtet, darauf hinzuwirken im wechselseitigen Austausch mit Vorhabenträgern, unabhängig von sonstigen Beteiligungsverfahren, dass diese die Öffentlichkeit in ihrem eigenen Ermessen beteiligen. Viele Verwaltungsbehörden haben dazu entsprechende Merkblätter und unterbreiten Vorschläge im Dialogverfahren, damit dies möglich wird.


Wenn man aber auch außerhalb des formellen Beteiligungsverfahrens, also dort, wo es dann auch relevant wird, wo Einwände von Bürgerinnen und Bürgern tatsächliche Auswirkungen zeigen, die Träger stärker verpflichten möchte, die Öffentlichkeit schon vor der Antragstellung zu beteiligen, dann muss man sich auch explizit an die Träger wenden. Nun ist das Verwaltungsverfahrensgesetz aber dazu der falsche Ort; es sei denn, man will darüber nachdenken, dass ein Antrag eines Trägers erst dann zulässig ist, wenn dieser vor Antragstellung die Öffentlichkeit beteiligt hat. Diese Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrags hätte man durchaus diskutieren können. Auf diese Frage kommt man, wenn man sich ernsthaft der Bürgerbeteiligung zuwenden will, aber nicht, wenn man das Motiv der Islamphobie zur Grundlage seines Agierens macht. Ich sage, Ihre Mittel, die Sie vorgetragen haben, sind nicht nur rechtsuntauglich, sie sind auch rechtssystematisch an den falschen Adressaten gerichtet und rechtssystematisch im falschen Gesetz verortet.


Aber ganz unabhängig davon will ich Ihnen auch die Frage stellen, ob denn tatsächlich das, worauf Sie abzielen, den Bau der Moschee, ein Bauvorhaben ist, das in § 25 Abs. 3 tatsächlich gemeint sein kann, denn ein Bauantrag zum Bau einer Moschee in einem beplanten Gebiet, setzt einen gültigen Bauleitplan voraus, der natürlich schon Ergebnis einer umfangreichen Beteiligung ist, und ob die Umsetzung der Vorgaben der Bauleitplanung tatsächlich ein Vorhaben ist, das nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben kann. Ich sage Nein. Die AfD-Fraktion sagt sicherlich anderes und so reden wir schon wieder weniger über die Mittel, sondern über die Ziele Ihres Antrags, aber auch über die Auswirkungen Ihres Vorschlags. Einige Auswirkungen, was wirtschaftliche Entwicklung, aber auch das grundsätzliche Verständnis von Bürgerbeteiligung und Betreffenden anbetrifft, haben die Kollegen Marx und Adams schon ausgeführt, aber ich habe auch ausgeführt und ich denke, dass es der AfD im Kern darum geht, ein Beteiligungsverfahren dazu zu missbrauchen, ein vergiftetes gesellschaftliches Klima zu erzeugen, in dessen Folge Antragsteller von ihrem Vorhaben zurücktreten.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nicht anders kann man diesen Redebeitrag des Abgeordneten Rudy verstehen, wenn er sagt, die Bürgerbeteiligung ist schon vor der Antragstellung notwendig, damit der Bürger nicht erst dann beteiligt wird, wenn er vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Das heißt, Sie betrachten allein die Antragstellung, die zum förmlichen Genehmigungsverfahren, zum förmlichen Beteiligungsverfahren führt, als vollendete Tatsache. Das mag in Ihrem kruden Weltbild auch tatsächlich so verankert sein. Wir sagen, das ist der Beginn einer tatsächlichen Auseinandersetzung, aber was daraus spricht, ist doch tatsächlich das, dass Sie mit dem Vehikel, was Sie hier vortragen, ein gesellschaftlich vergiftetes Klima erzeugen wollen, indem Sie es Antragstellern abspenstig machen wollen, überhaupt ihre Vorhaben wie in dem Fall der Bau eines Glaubenshauses umsetzen oder weiterverfolgen zu wollen. Da sage ich Ihnen ganz ehrlich, es kann und wird keine Zustimmung geben, wenn Sie das Verfahren der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung dazu missbrauchen wollen, um, wie Sie gestern auf dem Domplatz aufgerufen haben, eine Volksabstimmung mit den Füßen über die Abwendung von Artikel 3 und Artikel 4 des Grundgesetzes herbeizuführen. Sie wollen nicht die formellen Beteiligungsrechte stärken, sondern eine ideologische Debatte initiieren und sich dafür eine Rechtsgrundlage verschaffen.


Die AfD stellt bewusst auch Artikel 3 infrage, wonach niemand aufgrund seiner religiösen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Die AfD erhebt sich zum Richter, welche Religion und welche Religionsausprägung zulässig. vereinbar, gerade noch vereinbar oder eben, um mit Ihren Worten zu sprechen, „fremdartig sei“. Die AfD will darüber bestimmen, wie die Gebäude als Ausdruck religiöser und kultureller Tradition auszusehen haben, in denen Menschen ihre Religionen ausüben. Frau Ilse Junkermann hat dazu heute sehr deutliche Worte gefunden. Das alles, meine Damen und Herren, ist mit der Vorstellung einer freien und demokratischen Gesellschaft ganz bewusst auch in Abkehr zu religiösen und autoritären Staaten nicht vereinbar.


(Beifall DIE LINKE)


Der Gesetzentwurf der AfD, die zugrunde liegenden Motive und Ziele, die gewählten Mittel und die beabsichtigten und verfolgten Auswirkungen sind religiösen und autoritären Staaten aber wesensverwandt und deshalb abzulehnen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und abschließend: Wie konkret und weitgehend tatsächliche Bürgerbeteiligung ausgestaltet werden kann, hat, denke ich, die Anhörung in öffentlicher Sitzung in der vergangenen Woche im Innenausschuss gezeigt. Dort haben sich sehr viele Sachverständige sehr positiv zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Stärkung der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene geäußert. Dort wird tatsächliche Bürgerbeteiligung ausgebaut und erweitert und gestärkt. Und wenn wir über wirkliche Transparenz von Verwaltung reden, dann werden wir in diesem Plenum noch Gelegenheit dazu haben, nämlich bereits bei dem von Dirk Adams angesprochenen Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem wir ein Transparenzgesetz und ein besseres Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg bringen. Das sind die tatsächlich konstruktiven und tauglichen Mittel der Bürgerbeteiligung und die verfolgen wir ganz konsequent. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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