Gesetz zur Änderung des Thüringer Vergabegesetzes – Bürokratieabbau und Verfahrensvereinfachung im Thüringer Vergaberecht

Andreas Schubert

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/7451

 

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Hohen Haus und an den Bildschirmen, insbesondere aber lieber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere in den Unternehmen, die sich erfolgreich um Landesaufträge bewerben, es geht nämlich um die Zukunft Ihrer Arbeitsbedingungen ab dem 1. Januar nächsten Jahres. Bevor ich in meinen Text einsteige, Herr Kemmerich, kann ich es mir nicht verkneifen, weil Sie mit Filmanalogien gearbeitet haben, Ihnen zumindest auch eine zu erzählen: Wenn Sie hier am Rednerpult stehen, kommt es mir immer so vor wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Sie sind das Duracell-Häschen der neoliberalen Think Tanks, die immer das Gleiche aufsagen: alle Gesetze abschaffen, die Arbeitnehmerinnen schützen wie das Ladenöffnungsgesetz, das Vergabegesetz. Das ist ein Konzept, das ist völlig aus der Zeit gefallen und ich glaube nicht, dass Sie damit nächstes Jahr groß reüssieren werden.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Verpflichtung der Politik, für fairen Wettbewerb zu sorgen, gerade auch bei Aufträgen, die mit Steuergeld bezahlt werden, war für Die Linke eine Grundmotivation für die Einführung des Thüringer Vergabegesetzes Ende 2019, genauso wie für dessen Fortentwicklung jetzt nach vier Jahren Praxiserfahrung. Der Markt allein regelt nur Angebot und Nachfrage. Die Politik setzt Rahmenbedingungen für soziale und ökologische Standards, und die sind dringend notwendig, wenn man nicht einer radikalen Marktlogik neoliberaler Akteure folgen will. Das will aber die FDP.

 

Dies belegen übrigens auch Wortmeldungen in der Anhörung. Die Zuschrift, zum Beispiel der Gewerkschaft EVG, hat die Konsequenzen von getroffenen Vergabeentscheidungen, die in der Vergangenheit einen Betreiberwechsel bei Mobilitätsanbietern herbeigeführt haben, beleuchtet. In der Zuschrift der EVG heißt es – ich zitiere –: „Die in den vergangenen Jahrzehnten durch Fehlen dieser Vorgaben ausgelösten materiellen Aufwände, menschlichen Verlusterfahrungen sowie die entstandenen psychischen, teilweise traumatischen Belastungen und bis ins Existenzielle hinein gehenden Ängste und Befürchtungen – wohlgemerkt sämtlich und einzig ausgelöst durch politisch und neoliberal-ideologisch geprägte Strategien und Vorgehensweisen – sind kaum zu ermessen und zeigen mit allem Nachdruck auf, dass auf eine solche verbindliche Vorgabe nicht verzichtet werden kann und darf.“ Soweit das Zitat aus der Zuschrift der EVG.

All die Sonntagsreden, die wir hier schon oft gehört haben zu einer besseren Bezahlung, zu mehr Tarifbindung und guter Arbeit insgesamt, sind nichts, aber auch gar nichts wert, wenn das Land als Auftraggeber dies nicht zur Bedingung für die Auftragsvergabe seiner Aufträge macht. Dies trifft genauso zu auf die dringend notwendige Transformation von Produkten und Dienstleistungen hin zu einer Klimaneutralität, möglichst ohne CO2-Fußabdruck, eben mit mehr Energieeffizienz, Ressourcenschonung, mit einer Berücksichtigung des Lebenszyklus von Produkten bis hin zur Kreislaufwirtschaft und einer regionalen Lieferkette.

 

Wer, wenn nicht die öffentliche Hand, sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und bei diesen Fragen steuernd in den Markt eingreifen? Am Ende wird sich dies insgesamt positiv auf den Wirtschaftsstandort Thüringen auswirken, weil er an Attraktivität gewinnt, nicht nur bei den so begehrten Fachkräften, sondern auch bei Firmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, also Firmen, die zukunftssichere Geschäftsmodelle verfolgen. Das Gegenteil davon ist eine Niedriglohnstrategie mit wenig Tarifbindung. Damit sind die CDU-geführten Landesregierungen aber gescheitert, konnte kein neues Wirtschaftswachstum generiert werden, weil wir eben in Thüringen mit den niedrigsten Löhnen bundesweit nicht an Attraktivität gewinnen.

 

Was haben wir nun als Kompromiss vorzuweisen? Wie immer bei Kompromissen ist es ein Ergebnis mit Licht und Schatten, aber mit der klaren Botschaft, das Thüringer Vergabegesetz wird nicht geschliffen, sondern weiterentwickelt. Das ist das Ergebnis eines mehrwöchigen Verhandlungsprozesses zwischen der Koalition und der CDU nach der Anhörung der beiden Gesetzentwürfe, die nach einem Gutachten des Wirtschaftsministeriums hier zur Diskussion gestellt wurden. Soziale und ökologische Standards sind wie bisher Anwendungsgrundlage für Ausschreibungen und Vergaben. Beispiele für solche Parameter bleiben im Gesetz verankert genauso wie die pflichtige Tariftreue mit einem repräsentativen Mindestlohn bzw. die Anwendung eines vergabespezifischen Mindestlohns; dessen Dynamisierung wird jetzt neu geregelt. 1,50 Euro über dem bundesweiten Mindestlohn bedeutet mit Inkrafttreten des Gesetzes ab 1. Januar des kommenden Jahres 13,91 Euro und ab 2025 14,32 Euro pro Stunde für Aufträge des Landes, einschließlich der Universitäten und all ihrer Einrichtungen. Hier wären wir als Koalition gern mutiger gewesen – die Vorrednerinnen haben es schon erwähnt –, denn wenn es gute Gründe für einen vergabespezifischen Mindestlohn in Thüringen gibt, und den gibt es ganz offensichtlich – das ist ja selbst im Gutachten des Wirtschaftsministeriums nachzulesen –, dann stellt sich sofort die Frage, warum dies nicht für alle Aufträge des Landes einschließlich der Landesgesellschaften, der Körperschaften und Stiftungen gelten soll. Auch die kommunale Ebene ist für uns weiterhin ein Ziel für die pflichtige Anwendung der Tariftreue, denn hier werden große Auftragsvolumina generiert, die ebenfalls für den Arbeitsalltag vieler Thüringerinnen und Thüringer die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen verbessern könnten. Auch benannte Anzuhörende von Ihnen, liebe CDU-Fraktion, wie der Verband kommunaler Unternehmen, der VKU, hätten sich dies nach einer Übergangszeit für die Umstellung der Arbeitsprozesse gut vorstellen können. Damit würden wir für gerechte Löhne nicht nur bei öffentlichen Aufträgen auf Landesebene, sondern eben auch auf der kommunalen Ebene sorgen und Lohndumping verhindern. Auch die sogenannte Nachunternehmerhaftung bleibt erhalten, meint, auch Subunternehmen – Herr Kemmerich, vielleicht haben Sie es gar nicht verstanden – müssen die Vergabekriterien erfüllen, ansonsten drohen bei Verstößen Sanktionen. Die Anwendungswertgrenzen werden im Gegenzug um 50 Prozent erhöht. Auch mit Blick auf die Preisentwicklung ist dies zwar nicht abwegig, aber in dieser Höhe auch Bestandteil des Kompromisses. Wer diesen Kompromiss tatsächlich umfänglich bewerten möchte, ist aufgerufen, den jetzigen Gesetzentwurf zur Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes mit der zweiten Vorschlagsvariante der CDU und dem Gesetzentwurf der Koalition, also den Gesetzentwürfen, die in der Anhörung waren, zu vergleichen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist und bleibt eine der wenigen wirkungsvollen Stellschrauben, um wichtige Entwicklungsziele, gute Arbeit und mehr Nachhaltigkeit beim Ressourcen- und Energieeinsatz voranzutreiben, um den Markt zu steuern. Da kommt einem der Änderungsantrag der FDP wirklich nur wie ein kranker Scherz vor. Gegen das Gutachten, gegen die Anhörung wird jetzt auf reiner neoliberaler Ideologieschiene wieder gegen den vergabespezifischen Mindestlohn polemisiert, den Sie abschaffen wollen genauso wie das ganze Gesetz. Das versteht sich fast von selbst, dass wir diesen Änderungsantrag ablehnen werden.

 

Die Linke wird heute dem Kompromiss, der sich im CDU-Gesetzentwurf findet, zustimmen, weil er für uns ein verantwortbares Ergebnis repräsentiert, übrigens auch als Beleg, dass Demokraten auch bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen in unserem Land Kompromisse finden können, in Verantwortung vor der Zukunft des Landes und seiner Einwohnerinnen und Einwohner. Bestandteil für diesen Kompromiss ist für uns die Sicherung von guter Arbeit und die Entwicklung hin zu Klimaneutralität, für ein solidarisches Thüringen, was wir als Koalition auch weiterhin demokratisch, sozial und ökologisch gestalten wollen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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