Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Dr. Iris Martin-Gehl

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/6744

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte das Ergebnis meiner Überlegungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf vorwegnehmen: Auch ich beantrage die Überweisung an den zuständigen Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Warum? Weil uns die Sicherheit der Gerichtsvollzieher ein wichtiges Anliegen ist und weil der Gesetzentwurf einen Vorschlag aufgreift, den wir in dieser Frage unlängst im Ausschuss unterbreitet haben.

 

Mit ihrer Arbeit tragen die Gerichtsvollzieher – das wurde bereits ausgeführt – in hohem Maße zum Funktionieren unseres Rechtsstaats bei. Denn sie setzen bekanntlich gerichtliche, staatliche Entscheidungen um, die freiwillig nicht erfüllt werden. Dass sie dabei von den Betroffenen nicht gerade freundlich empfangen werden, liegt in der Natur der Sache und gehört auch zum Berufsrisiko. Aber – auch das wurde zu Recht schon erwähnt – die Angriffe auf die Gerichtsvollzieher werden häufiger, die Aggressivität der Schuldner steigt. Die Angriffe werden schärfer, brutaler und unberechenbarer. Dabei geht es nicht mehr nur um die gestiegene Zahl verbaler Angriffe, sondern es geht um den häufigeren Gebrauch von Waffen und Bedrohung, Nötigung und auch um Freiheitsberaubung.

 

Leider werden Vorfälle dieser Art kaum öffentlich wahrgenommen. Denn wer weiß schon, dass in den letzten Jahren in Karlsruhe ein Gerichtsvollzieher bei einer Zwangsräumung erschossen wurde? Es wurde schon kurz darauf hingewiesen. Oder wer weiß, dass in Kassel ein Gerichtsvollzieher wegen 500 Euro Zwangsgeld durch einen körperlichen Angriff zu einem Pflegefall wurde, dass in Fulda, im sächsischen Bärwalde und in Weimar Gerichtsvollzieher von den sogenannten Reichsbürgern körperlich angegriffen und teilweise gefesselt wurden? Über diese Fälle haben die Medien immerhin berichtet.

Die Masse der Angriffe – selbst schwere Verletzungen mit Äxten und Eisenstangen, oft bei alltäglichen Pfändungen – wird indes nicht öffentlich und zumeist auch nicht zur Anzeige gebracht, denn dies erfordert einen hohen Aufwand, wie mir die Gerichtsvollzieher berichtet haben, und es verbessert die Sicherheitslage der Gerichtsvollzieher nicht im Geringsten.

 

In Anbetracht der steigenden Zahl von Angriffen ist es verständlich, dass die Gerichtsvollzieher und ihre Verbände bundesweit mehr Sicherheit für ihre Arbeit einfordern. Es hat sich insoweit aber schon einiges getan, darauf hat meine Kollegin Frau Rothe-Beinlich hingewiesen. Wie in anderen Bundesländern werden die Gerichtsvollzieher in Thüringen nunmehr auch mit Sicherheitswesten ausgestattet. Nach meiner Information steht die Auslieferung unmittelbar bevor. Auch die Erprobung der Notfallsender – auch das wurde erwähnt – ist vor mehr als einem Jahr begonnen worden. Diese Ausstattung der Gerichtsvollzieher wird perspektivisch sicherlich zu deren Grundausstattung gehören.

Die Sicherheitsausstattung ist allerdings nur ein Aspekt für mehr Sicherheit der Gerichtsvollzieher bei ihrer Arbeit. Zu Recht fordern die Gerichtsvollzieher auch, dass sie zumindest vor einschneidenden Vollstreckungsmaßnahmen, etwa Wohnungsräumungen, von der Polizei sicherheitsrelevante Informationen erhalten können, mit denen Gefährdungssituationen im Vorfeld erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Die bereits mögliche Amtshilfe durch die Polizei dürfte insoweit kein ausreichendes rechtliches Instrumentarium bieten, da Voraussetzung für die Amtshilfe eine nachgewiesene konkrete Gefährdungssituation ist. Diese ist aber für die Gerichtsvollzieher oft nicht im Vorfeld, also bevor sie den Schuldnern dann gegenüberstehen, erkennbar. Verdachtsmomente und Vermutungen allein, so zeigt die Praxis, sind für eine Amtshilfe nicht ausreichend und werden mit dieser Begründung auch regelmäßig abgelehnt.

 

Auch die im Thüringer Polizeiaufgabengesetz lediglich als „Kann“-Bestimmung vorgesehene Möglichkeit einer Datenübermittlung, unter anderem zur Verhütung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder für die schutzwürdigen Belange Einzelner, hat den Thüringer Gerichtsvollziehern bislang nicht zu den notwendigen Informationen über bestehende Gefahrenlagen verholfen, weil diese Auskünfte eben regelmäßig nicht erteilt werden, sofern keine offenkundig akute Gefährdungssituation besteht. So jedenfalls erleben es die Gerichtsvollzieher immer wieder.

 

Genau diese Problematik wird übrigens auch in anderen Bundesländern seit Jahren diskutiert. Nach den mir bekannten Informationen sollen Gerichtsvollzieher – etwa jetzt in Nordrhein-Westfalen, auch das klang schon an – Gefährlichkeitsabfragen bei den örtlichen Polizeidienststellen vornehmen dürfen, nachdem es unlängst wieder zu einem schweren Übergriff auf eine Gerichtsvollzieherin gekommen ist. Dieser Angriff hätte wohl durch vorherige Information über die der Polizei bekannt gewesene Gewalttätigkeit der Schuldnerin vermieden werden können.

 

Es wurde bereits erwähnt: Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt die in Sachsen im Jahr 2014 geschaffene Regelung des § 42a des Sächsischen Justizgesetzes eins zu eins für Thüringen. Diese Regelung sieht vor – so, wie es sich die Gerichtsvollzieher in Thüringen auch wünschen –, dass es den Gerichtsvollziehern möglich ist, vor schwerwiegenden Vollstreckungsmaßnahmen bei den örtlich zuständigen Polizeidienststellen anzufragen, ob dort Erkenntnisse zu einer Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft des Schuldners vorliegen.

 

Ob allerdings die einfache „Kopie“ dieser Vorschrift – so, wie beabsichtigt – in das Thüringer Regelungsgefüge passt, erscheint indes fraglich. Insbesondere wird im Ausschuss darüber zu diskutieren sein, ob die Regelung in dieser Form geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist und/oder ob es möglicherweise andere Instrumentarien gibt, um dem Informationsbedürfnis der Gerichtsvollzieher auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage ausreichend Rechnung zu tragen. Ich bin auf diese Debatte im Ausschuss gespannt. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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