Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid (Gesetz zur Einführung von fakultativen Referenden)

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2541


Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nun legt die CDU die Änderung des Thüringer Gesetzes über Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid vor, die genau genommen schon zur im Juni eingebrachten Verfassungsänderung gehört hätte. Warum Sie jetzt diesen Gesetzentwurf sozusagen nachschieben, ist nach eingebrachter Verfassungsänderung und uns nicht nachvollziehbar, denn es handelt sich um strukturell und inhaltlich notwendig zusammenhängende Gesetzentwürfe und die sollten auch gemeinsam behandelt werden. Von daher wird es Sie jetzt nicht verwundern, es bleibt bei unseren Aussagen vom Juni. Die Linke-Fraktion befürwortet das direkt-demokratische Instrument des fakultativen Referendums schon viele Jahre. Fakultatives Referendum bedeutet, zu vom Parlament beschlossenen Gesetzen kann in einer bestimmten Frist nach der Veröffentlichung ein Volksbegehren gestartet werden. Werden bei der Unterschriftensammlung genügend Unterstützungsunterschriften zusammengebracht, kommt es über das jeweils neu beschlossene Parlamentsgesetz zum Volksentscheid. Das fakultative Referendum gibt es schon seit längerer Zeit in der Schweiz und das von der CDU gewählte Modell mit 50.000 Unterschriften entspricht diesem Modell, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Anders als im CDU-Vorschlag gibt es in der Schweiz keinen Finanz- und Abgabenvorbehalt bei der direkten Demokratie,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


also auch nicht beim Referendum. Im Gegenteil, je gewichtigere finanzielle Auswirkungen ein öffentliches Projekt oder eine Maßnahme hat, desto eher muss das der abstimmungsberechtigten Bevölkerung zur endgültigen Entscheidung vorgelegt werden. Dieses Modell geht auch in der Variante, das Stimmvolk kann sich die Sache zur endgültigen Entscheidung auf den Tisch holen. Über eine Verweisung im Gesetzentwurf hat die CDU nun die Demokratiebremsen „Finanztabu“ und „Abgabenvorbehalt“ auch in ihrem Vorschlag zum fakultativen Referendum eingebracht. Daher haben wir in der ersten Lesung der Verfassungsänderung diesen Vorschlag als Mogelpackung bezeichnet. Denn solange in Thüringen noch ein so weit reichendes Finanztabu und ein Abgabenvorbehalt bestehen, sind viele Themen von Volksbegehren und Volksentscheid ausgeschlossen, weil sie Mehrausgaben oder erhebliche Umschichtungen von Mitteln im Landeshaushalt verursachen.


Wir haben hier gründlich recherchiert und wirklich lange nachgedacht und gern lassen wir uns eines Besseren belehren, aber fast das einzige Thema, was mit der von der CDU vorgeschlagenen Verfassungsänderung in einem Volksbegehren wirksam behandelt werden könnte, wäre zum Beispiel ein Gesetz zur Aufhebung der Bannmeile. Dass dies angesichts der aktuellen, aufgeregten Sicherheitsdebatten innerhalb der CDU im Fokus Ihres Interesses stand, kann ich mir da wirklich nicht vorstellen. Auch die einfachgesetzliche Umsetzung des Vorschlags zur Einführung des sogenannten fakultativen Referendums durch die CDU bleibt eine Mogelpackung,


(Beifall DIE LINKE)


denn darin werden die gleichen gesellschaftspolitischen und sachlichen Fehler und Schwächen wiederholt, die schon den Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung prägten.

Wir fordern daher, dass verbunden mit der Diskussion um das fakultative Referendum zwingend auch über die Abschaffung des Finanztabus und des Verbots der Abstimmung über Abgaben gesprochen werden muss. Wenn Einführung des fakultativen Referendums, dann auch richtig und so umfassend wie möglich. Hinzu kommt, dass auch auf Landesebene dringend geboten ist, mehr jüngeren Menschen wirkliche Mitentscheidungsrechte zu geben. Daher sollte für Wahlen und für Abstimmungen, das heißt auch für Volksbegehren und Volksentscheide, das Beteiligungsalter auf 16 Jahre gesenkt werden.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ein Projekt von Rot-Rot-Grün aus dem Koalitionsvertrag und für die kommunale Ebene schon umgesetzt, allerdings ist nach Ansicht der Linke-Fraktion dieses Vorhaben der Altersabsenkung zwingend mit dem Vorhaben der Abschaffung des Finanztabus und des Abgabenvorbehalts zu verbinden.


(Beifall DIE LINKE)


Es ist unglaubwürdig und schädlich für die Demokratie, jungen Menschen den formalen Zugang zu Volksbegehren zu ermöglichen, aber gleichzeitig hinzunehmen, dass bei circa 80 Prozent der möglichen Mitbestimmungsthemen eine wirkliche Mitentscheidung wegen Finanztabu und Abgabenvorbehalt aber ausgeschlossen ist. Welche Auswirkungen das Finanztabu – also das Verbot, über Fragen mit finanziellen Auswirkungen abzustimmen – haben kann, dürfte auch am Volksbegehren gegen die Gebietsreform deutlich werden. Es führt ebenfalls zu Haushaltsumschichtungen von mehreren Millionen Euro und entzieht den Kommunen Fördergelder für Fusionen.


(Unruhe CDU)


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was war denn das jetzt?)


Die Linke-Fraktion und mit uns die Koalitionspartner von Bündnis 90/Die Grünen und SPD sind zu entsprechenden Gesprächen in Sachen Gesetzentwurf, Absenkung Beteiligungsalter und Abschaffung Finanztabu sowie Abgabenvorbehalt mit der CDU bereit. Denn der möglichst umfassende Ausbau der Demokratie, gerade auch der direkten, ist eines der Projekte aus unserem Vertrag.


(Beifall DIE LINKE)


Wir plädieren daher dafür – und da stimmen wir der CDU zu –, diesen Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen, wo ja bereits der Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung liegt, ebenso zur Mitberatung an den Justizausschuss. In den weiteren Ausschussberatungen wird es dann um Fragen einer Anhörung gehen. In einer öffentlichen Anhörung sollten nach Meinung unserer Fraktion auch die Schweizer Erfahrungen zum fakultativen Referendum und zum Verzicht auf das Finanztabu und den Abgabenvorbehalt durch Anzuhörende aus der Schweiz zur Sprache gebracht werden. Vielen Dank.

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