Gesetz zur Änderung des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes
Zum Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/8910
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne und auch am Livestream, herzlich willkommen hier im Hohen Hause! Ein kurzer Ausflug in die Welt der Zahlen zur Anschaulichkeit des jetzigen Sachverhalts: In der selben Zeit, in der wir in dieser Woche hier im Plenarsaal des Thüringer Landtags zusammenkommen, also innerhalb von drei Tagen, wurde durchschnittlich auf diese Zeit gerechnet zu über 300 verschiedenen Einsätzen eine Alarmierung von Feuerwehreinsatzkräften in Thüringen ausgelöst, die vor allem bei vielen Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehren zu einer Arbeitsunterbrechung führt. Die Kameradinnen springen hastig in ihre Stiefel und fahren los, um Menschen vor Gefahren zu schützen und Leben zu retten. In dieser Zeit also von drei Tagen, während wir hier beisammensitzen und mehrere Aktuelle Stunden, unterschiedliche Gesetze und Anträge beraten, werden durchschnittlich in Bezug auf die Gesamtzahl der Ereignisse in einem ganzen Jahr mehr als 212-mal Hilfeleistungseinsätze durch die Feuerwehren durchgeführt, zum Beispiel, um gefährliche Stoffe in der Umwelt oder Ölspuren zu dekontaminieren, Menschen aus verunfallten Fahrzeugen zu schneiden, schwerverletzte Personen nach einem Treppensturz abzutransportieren. Und in mehr als 44 Fällen werden in dieser Zeit auch Brände gelöscht, darunter zahlreiche Gebäude und Wohnungen, und je nach Wetterlage nun auch die anwachsenden Gefahren der Vegetationsbrände. In über 50 Fällen werden sich die Alarmierungen als Fehlalarm herausstellen, was natürlich besonders frustrierend für diejenigen sein kann, die alles stehen- und liegenlassen, gerade im Ehrenamt, und auch mindestens eine Feuerwehrkameradin oder ein Feuerwehrkamerad wird in dieser Zeit im Einsatz verletzt werden. Auch das gehört zur Wahrheit. An jedem einzelnen Plenartag muss mindestens ein brennendes Fahrzeug gelöscht werden, und dennoch wird es während der gesamten dreitägigen Plenarsitzungen gelingen, 37 Menschen bei Einsätzen aus akuten Gefahrensituationen oder auch aus einer Lebensgefahr in Thüringen retten zu können. Insgesamt werden in diesen drei Tagen mehr als 3.500 Einsatzstunden für die Thüringer Feuerwehren anfallen.
Sie fragen sicherlich und auch völlig zu Recht nach den Quellen dieser Zahlen. Das alles wurde hochgerechnet nach dem jüngsten Brand- und Katastrophenschutzbericht Thüringens, der eine 4,6-prozentige Steigerung der Einsätze auf 37.335 Einsätze im letzten Jahr vermeldet hat. Die Einsatzkräfte der Thüringer Feuerwehren leisten jeden Tag Herausragendes, oft auch unter hohem, gerade persönlichen Risiko. Man muss es immer wieder sagen: Unsere Kameradinnen und Kameraden leisten diese Arbeit zu 97 Prozent im Ehrenamt, und dafür natürlich auch im Namen meiner Fraktion unseren ausdrücklichen Dank für diese ehrenamtliche Tätigkeit.
(Beifall DIE LINKE)
Es liegt an uns Parlamentarierinnen und es ist natürlich auch eine Frage des Respekts, dass wir den Feuerwehren nicht nur mit Worten des Dankes begegnen, sondern auch konkrete Taten, welche ihre Arbeitsbedingungen, vor allem natürlich auch im Ehrenamt, verbessern und Anerkennung auch materiell spürbar zuteilwerden lassen. Wie kann das gehen? Auf der einen Seite kann man natürlich viel Geld woanders wegnehmen und quer über das Land pauschal per Gießkannenprinzip verkippen und das Ganze dann irgendwie Feuerwehrpauschale nennen. Da punktet man dann vielleicht kurzfristig bei dem einen oder anderen, wie die CDU es tat. Das geht aber jedoch relativ völlig an großen und auch wirklich relevanten Zukunftsfragen vorbei, denen wir uns als Landtag hier stellen müssen. Wir wurden nämlich von den Bürgerinnen und Bürgern in dieses Hohe Haus gewählt, um wegweisende, nachhaltige und vor allem auch sinnvolle Richtungsentscheidungen zu treffen.
(Zwischenruf Abg. Urbach, CDU: Und auch drängende Probleme zu lösen!)
So hat nämlich auch der Thüringer Landesfeuerwehrverband am 13. Dezember des vergangenen Jahres, also 2022, in der „Ostthüringer Zeitung“ ebenfalls kommentiert, dass man momentan eher ganz andere Probleme hat und mehr Ressourcen aus Sicht des Verbands viel besser in der digitalen Alarmierung eingesetzt werden sollten, als Geld per 10-Millionen-Gießkannenpauschale über das Land zu kippen.
(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Schon längst zurückgenommen!)
Auch in der Verbandstagung des Landesfeuerwehrverbands haben sich die Delegierten dann also für eine stärkere Verantwortung des Freistaats bei der Umsetzung der digitalen Alarmierung eingesetzt, eine Mandatierung des Landes gefordert und sich auch für ein einheitliches Alarmierungsnetz nach denselben Standards ausgesprochen. Heute kommen wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf diesem Ansinnen des Landesfeuerwehrverbands und natürlich auch weiteren Praxispartnerinnen und Praxispartnern ganz praktisch nach. Tatsächlich läuft die bisherige Alarmierung im Brand- und Katastrophenschutz auf einer ungefähr 30 Jahre alten Technik, die fehleranfällig ist und auch begrenzt verfügbar, und zudem natürlich auch Risiken für verschiedene Angriffe, beispielsweise Cyberangriffe, unterliegen, was gerade mit Blick auf den Schutz von kritischen Infrastrukturen von besonderer Bedeutung ist. Das Problem, was sich an dieser Stelle aber gerade stellt, ist, die Alarmierung ist eine Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis der Kommunen. Würden wir sie dort lassen, dann gäbe es einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Systemen, mit denen man nicht unbedingt außerhalb des eigenen Leitstellenbereichs oder der Grenzen von Gebietskörperschaften hinaus alarmieren könnte. Ein ausnahmsweiser Eingriff also in die kommunale Selbstverwaltungshoheit nach dem Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes und Artikel 91 der Thüringer Verfassung ist dann möglich, wenn er verfassungsrechtlich gerechtfertigt und begründet ist. In dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es dann auch um das Gemeinwohlinteresse zum Schutz der Bevölkerung im gesamten Landesgebiet des Freistaats Thüringen, weshalb standardisierte und vor allem eben auch einheitliche technische Vorgaben in einem Landesalarmierungsnetz etabliert werden müssen. Wir als Land müssen zwingend aktiv werden, um den drohenden Flickenteppich eben zu vermeiden und die unverzügliche gebietsübergreifende Alarmierung von Einsatzkräften zur Abwehr von Gefahren für Menschen, Tiere, Sachwerte und natürlich auch der Umwelt sicherzustellen. Der Gesetzentwurf vollzieht also grundsätzlich die Mandatierung des Landes zur Umsetzung dieser Modernisierung und folglich dann eben auch endlich der Digitalisierung der Alarmierung. Parallel dazu befinden sich verschiedene Verankerungen im Entwurf zum Landeshaushalt 2024, um diesen Weg natürlich auch finanziell zu untersetzen und auch personell planerisch abzusichern, denn wie sagt man so schön: Ohne Moos nix los. Aber das haben wir natürlich auch im Blick in Bezug auf den Landeshaushalt 2024.
Ganz konkret geht es dann darum, die Funknetzplanung, die Beschaffung der Funktechnik, die Netzabnahme, die Erstellung von Strategie- und Realisierungskonzepten, die Schulung der Einsatzkräfte und auch die erforderlichen Betriebsaufgaben für die Einheitlichkeit an das Land, also an uns, zu delegieren. Die drei wichtigsten Parameter dabei sollten sein: die Landeseinheitlichkeit, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz personenbezogener Daten und auch absichernde Redundanzen bei Ausfällen. Wir haben uns daher intensiv auch mit dem Landesfeuerwehrverband ausgetauscht und schlagen nun die Lösung zur Einführung einer digitalen Alarmierung vor. Wir haben dies mit der Fach- und auch Praxisebene entsprechend kommuniziert. Entsprechende Kostenkalkulationen finden Sie deshalb natürlich dann auch direkt im Gesetzentwurf vorliegend und nachlesbar. Dort wird dann auch ersichtlich, dass wir es landesseitig mit ungefähr 22 Millionen Investitionskosten und jährlich 815.000 Betriebskosten zu tun haben. Auf die Landkreise und kreisfreien Städte kommen 19 Millionen Investitionen und 2,6 Millionen Euro für den jährlichen Betrieb dazu. Dabei geht es dann um den Neubau und die Mietung auch von Funkstandorten. Über 550 Baumaßnahmen müssen da dann erst mal zur Ertüchtigung auch durchgeführt werden, um die Instandhaltungen oder Antennenstromverträge, Funktionsüberwachungen, aber auch die Anschaffung von Pagern für über 38.000 Einsatzkräfte im Brand- und Katastrophenschutz abzudecken.
Kurzum: Es ist ein für die nächsten zehn Jahre angelegtes Projekt für die Sicherheit der Menschen in unserem Land, das vor der Tür steht. Deswegen würden wir gerne von kurzfristigen Symbolprojekten absehen, wie die CDU das letztes Jahr gefordert hat. Wir brauchen nämlich kluge Investitionen, denn wenn keiner alarmiert werden kann durch zum Beispiel Pager, kommt eben auch keine Einsatzkraft zu einem Notfallort, und das möchte natürlich niemand, auch wenn man selbst immer nie in dieser Lage stecken möchte.
Die zweite Baustelle, die wir mit diesem Gesetzentwurf dann angehen wollen, ist ein Konflikt bei der Feuerwehrrente. Denn als die zusätzliche Altersversorgung für die ehrenamtlichen Angehörigen der Einsatzabteilung zum 1. Januar 2010 eingeführt wurde, hat man die Wahlmöglichkeit auf 15 Jahre begrenzt, also eine monatliche Rente zu beanspruchen als Einsatzkraft oder sich eine einmalige Abfindung zum Rentenbeginn auszahlen zu lassen. Das Land und die Kommunen zahlen zusammen 12 Euro ein, der Leistungsanspruch kann später dann auf bis zu 45 Euro pro Monat angehoben werden oder dann eben als Kapitalabfindung von etwas über 2.000 Euro einmalig ausgezahlt werden zum Rentenbeginn. Ein Grund für die Befristung dieser Wahlmöglichkeit war in den 2000er-Jahren jetzt nicht unbedingt nachvollziehbar. Für nicht wenige Feuerwehrkameradinnen und -kameraden scheint die Abfindung aber attraktiver zu sein, also die einmalige Auszahlung, so zeigt es die praktische Umsetzung, und damit kommen wir nun zu dem Problem, dass Einsatzkräfte, die jetzt seit 15 Jahren ununterbrochen in den Einsatzabteilungen für die Sicherheit in Thüringen arbeiten, nunmehr den Anspruch auf diese Auszahlung verlieren würden, wenn sie die 15 Jahresmarke überschreiten würden, und überlegen demzufolge, jetzt den Dienst zu quittieren. Das kann natürlich niemand wollen, das würde das ganze Vorhaben konterkarieren. Unser pragmatischer Ansatz ist es daher, eben in diesem Gesetzentwurf die Regelung einfach zu entfristen.
Die FDP hat auch einen ähnlichen Gesetzentwurf eingereicht, einige Tage, nachdem auch Rot-Rot-Grün tätig geworden ist. Er geht bei der Feuerwehrrente in die gleiche Richtung wie auch unser vorliegender rot-rot-grüner Gesetzentwurf. Ich würde mir wünschen, dass wir uns hier sehr schnell einigen werden, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass die Debatte so auch im Ausschuss verlaufen wird. Denn eines ist dieser Gesetzentwurf nicht, das muss man auch einfach mal sagen: Es ist nicht die große Novellierung des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes. Wir haben als Parlament hier im letzten Jahr die Regierung auch mit dieser Novelle beauftragt. Gegenwärtig arbeiten dazu insgesamt drei Arbeitsgruppen, eine zur Kostenerstattung, Rechnungslegung, Gebührenförderung und Beschaffung, eine zur Aufstellung der Feuerwehren, zu Grundsatzfragen, Pflichtaufgaben der Gemeinden und Landkreise und auch zu fachlichen Anforderungen und auch noch eine dritte zu den Qualifikationsanforderungen der Führungs- und Einsatzkräfte in Ausbildungsmodalitäten.
Dieser Prozess dauert aktuell noch einige Wochen bis Monate an. Der Landesfeuerwehrverband hat uns aber darum gebeten, bei den beiden vorhin ausgeführten Punkten nicht auf die große Novellierung zu warten, sondern schnell in einem gesonderten Verfahren zum Gesetz die Grundlagen zu schaffen. Diesem Wunsch der Praxis kommen wir natürlich sehr gerne nach und bitten daher um die Überweisung des Antrags an den Innen- und Kommunalausschuss. Im Sinne einer effizienten gekoppelten Diskussionsgrundlage und eines guten Prozesses stimmen wir natürlich gern der Überweisung des FDP-Antrages an den Innen- und Kommunalausschuss zu – wegen der gemeinsamen Sache. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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