Gesetz zur Änderung des Thüringer Besoldungsgesetzes

Torsten Wolf

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/2037

 

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will versuchen, dieses schwierige und nicht ganz so griffige Thema für die Nichtfachkolleginnen und  kollegen hier im Haus mit einem Vergleich anzufangen: Stellen Sie sich vor, Sie sind Kapitän eines Schiffes und Sie haben die Möglichkeit, eine Investition zu erhalten. Diese Investition versetzt Sie in die Lage, das Schiff richtig top auszustatten. Sie fragen in den Abteilungen nach, was könnten und sollten wir machen. Da meldet sich unter anderem derjenige, der dafür verantwortlich ist – nehmen wir mal an, es ist ein Kreuzfahrtschiff – und sagt, dass die Kabinen für die Gäste unbedingt einer dringenden Sanierung bedürfen. Die Möbel sind nicht mehr neu, die Sanitärinstallation ist nicht mehr auf dem neuesten Stand und überhaupt sehen andere Schiffe viel besser aus. Es wäre doch gut, wenn man das hätte, weil dann wäre man konkurrenzfähig. Das würde für diejenigen, die auf dem Schiff sind, einen Unterschied machen.

 

Dann meldet sich aber auch der Bootsmaat, derjenige, der unten im Maschinenraum ist, und sagt: Na ja, wir haben hier fünf Kammern und bei dreien davon haben wir immer wieder das Problem, dass sie leck werden. Wir müssen unbedingt das Schiff mit dem Geld so sanieren, damit es nicht irgendwann, wenn wir auf hoher See sind, unterzugehen droht.

Wie würden Sie sich entscheiden? Das Geld in die Sicherheit des Schiffes stecken, damit das Schiff weiter unterwegs sein kann, oder die Wasserhähne vergolden?

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Vergolden!)

 

In Bezug auf den von der CDU eingebrachten Gesetzentwurf, sage ich, sollten wir die vorhandenen Mittel, wenn sie denn vorhanden sind, nutzen, um das, was wünschenswert, aber nicht zwingend ist, zu tun. Oder sollten wir die Mittel dahin lenken, dass nicht in absehbarer Zeit das Schiff gefährdet ist!

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was die CDU in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Besoldungsgesetzes vorschlägt, ist in einem Punkt von mir auch zu begrüßen. In den meisten Punkten sage ich für meine Fraktion, ich verstehe die CDU und wünsche mir auch Verbesserungen in der Besoldung für bestimmte Aufgaben, aber wir müssen uns eben dann doch entscheiden, was wir jetzt machen müssen.

 

Wenn ein Bildungspolitiker darauf verweist, dass im Schiff ein solcher Schaden existiert und vorliegt, dass die Sicherheit des Gesamtschiffes möglicherweise gefährdet ist, da muss er gute Gründe haben. Also wie begründe ich das nun? Wir alle hören immer wieder von der prekären Personalsituation an den Schulen. Das habe ich zum Anlass genommen, um in einer Kleinen Anfrage in diesem Sommer die Personalsituation an den staatlichen Schulen abzufragen. Geantwortet hat die Landesregierung in der Drucksache 7/1798. Mit Stichtag 04.07. dieses Jahres wurde mir schulgenau, jede Schule, der festgelegte Bedarf an Lehrerwochenstunden, die zur Verfügung stehenden Lehrerwochenstunden mitgeteilt. Nicht berücksichtigt werden konnte dabei, wie die Situation nach Fächern ist. Das wäre auch viel zu umfänglich. Bei Langzeiterkrankten zum Beispiel wissen wir, dass wir in Thüringen durch die schräge Alterspyramide, durch die schräge Altersstruktur besonders schlecht dastehen. Oder an Einstellungen, die bis zum Schuljahresanfang tatsächlich noch vorgenommen wurden, zum Glück, und das widerspricht dem diametral, was Kollege Tischner gesagt hat, wir hätten keine Einstellungstermine mehr: Es wird jederzeit eingestellt, ganz anders als andere Bundesländer. Aber es gibt uns einen guten Überblick über die Bedarfssituation nach Schularten und eben auch Regionen.

 

Feststellung Nummer 1: In den nächsten zehn Jahren werden bei konstanter Schülerzahl voraussichtlich jedes Jahr 140 Grundschullehrkräfte nur für den Ersatzbedarf gebraucht, 190 Regelschullehrkräfte, 180 Gymnasiallehrkräfte und 130 Berufsschullehrerinnen. Man kann das jetzt noch fortsetzen für die Förderpädagogen etc.

 

Feststellung Nummer 2: Wir wissen aus der Anhörung aus dem Oktober im Bildungsausschuss – Kollege Jankowski ist eben schon drauf eingegangen –, dass wir ca. 2.900 Studierende im Lehramt Gymnasium haben und ca. – und jetzt kommt es! – 380 Studierende im Lehramt Regelschule. Das heißt, dass wir dreimal mehr Lehrer für die Gymnasien ausbilden, als wir voraussichtlich Ersatzbedarf haben, aber nur 40 Prozent der Regelschullehrkräfte ausbilden, die wir brauchen. Freie Schulen nicht mitgerechnet.

Feststellung Nummer 3: Die umfangreiche Auswertung meiner Kleinen Anfrage zur Personalsituation hat ergeben, dass 42 Prozent der Grundschulen nicht mit dem Personal ins Schuljahr starten konnte, welches sie brauchten. Insgesamt fehlen an den Grundschulen nach meiner Berechnung über 300 Grundschullehrerinnen, an den Grundschulen, die im Bedarf sind. 53 Prozent der Regelschulen sind heute schon nicht in der Lage, das Schuljahr so zu starten, mit dem Bedarf, welches sie brauchen.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wenn Sie denen immer die Stellen wegnehmen!)

 

Insgesamt – hören Sie doch mal zu! –, insgesamt fehlen an den Regelschulen und …

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Kassieren wir sie ein!)

 

Nein, jetzt muss ich doch darauf eingehen. Wenn wir diese Lehrer nicht haben, Kollege Tischner, weil sie nie ausgebildet worden sind – und wir haben das Regelschullehramt ja aufgewertet zum 01.01.2020 mit der A13, aber das braucht auch seine sechs/sieben Jahre, bevor die in den Schulen sind, bevor die in den Schulen sind, und das bei der jetzigen Bedarfssituation, dann ist es natürlich auch kein Wunder, dass diese Stellen nicht besetzt werden können, wie Sie vorhin ja zu Recht benannt haben. Aber Sie haben eben nicht gesagt, welche Schularten das sind, wo die Stellen nicht besetzt werden konnten, denn dann ergibt das ein ganz anderes Bild und das wollen Sie nicht.

 

53 Prozent der Regelschulen, wie gesagt, konnten nicht mit dem Personal starten, welches sie brauchen, sind also im Bedarf. Hier fehlen knapp 170 Vollzeitstellen. 41,5 Prozent der Gemeinschaftsschulen, hier fehlen 53 Vollzeitstellen. Jetzt kommt es: An den Gymnasien sind 83 Prozent der Gymnasien mit Personalüberhang – 83 Prozent der Gymnasien! Wenn man alles zusammenrechnet, sind das fast 300 Stellen im Überhang – 300 Stellen. Und wenn man es dann mal genauer nimmt und die Daten abfragt und fragt: Gibt es denn hier irgendwie so eine von der CDU wahrgenommene Konstellation, dass der ländliche Raum dort besonders ist? Nein, es sind alle Schulen, alle Regelschulen in Thüringen brauchen Personal. Auch alle Grundschulen brauchen Personal, unabhängig davon, ob sie an der Perlenkette oder im ländlichen Raum liegen. Nahezu alle Gymnasien in Thüringen haben Überhänge. Unbestritten ist natürlich, dass es Grenzregionen – in Anführungszeichen – zu Hessen, Sachsen, Bayern gibt, wo es manche Schularten deutlich schwerer haben, zum Beispiel im Altenburger Land, ausgeschriebene Stellen zu besetzen. Unbestritten ist natürlich auch, dass im Studienwahlverfahren insbesondere MINT-Fächer nicht so stark angesteuert werden wie Gesellschaftswissenschaften. Wir als Linke sehen die Fachkombinationsvorschriften dort eben auch als stumpfes Schwert.

 

Ich fasse zusammen: Wir haben heute schon Bedarfe an einzelnen Schularten, bekommen dort heute schon nicht die vorhandenen Stellen besetz: Grundschulen, Regelschulen, Gemeinschaftsschulen. Das betrifft natürlich auch den Vorbereitungsdienst. Wir haben an den Gymnasien heute noch Überhänge. Ein Drittel der heutigen Studierenden im Lehramtsbereich Gymnasium wird an den Gymnasien in Thüringen keine Stelle finden oder zumindest nicht, wenn sie nicht teilweise an der Sek I arbeiten wollen.

Dagegen gelingt es heute schon nicht und zukünftig nur zu einem Drittel, die Stellen an den Regelschulen mit ausgebildeten Sek-I-Lehrern zu besetzen. Die Konsequenz: Wenn wir als Politiker keine Maßnahmen ergreifen, werden wir in absehbarer Zeit ein völliges und vollständiges Bildungsangebot an den Regelschulen nicht mehr sicherstellen können. Ich sage das jetzt hier deutlich. Es wird zu einem Sterben der Regelschule kommen, die der CDU – zumindest postuliert sie es immer so – besonders wichtig ist, da es einfach keinen Nachwuchs für diese Schulart gibt.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Was ist dann Ihre Lösung? Dass Sie sie kaputtmachen!)

 

Gleichzeit wird nicht einmal jede zweite ausgebildete Gymnasiallehrkraft in Thüringen Verwendung finden. Diese sind aber grundständig alle auch auf die Sek I ausgebildet, worauf Prof. Merten in seiner Stellungnahme im Ausschuss ausdrücklich hingewiesen hat.

Wenn wir dem Personalbedarf an den Grundschulen kurzfristig begegnen wollen, ist die Attraktivität an den Grundschulen zu erhöhen. Wir wollen damit den in anderen Bundesländern ausgebildeten Grundschullehrkräften das Signal geben: Kommt nach Thüringen! Ganz klar, wir brauchen – und ich sage das hier auch deutlich an, wir werden es als Rot-Rot-Grün durchsetzen – A13/E13 für Grundschullehrkräfte, um die Lücken zu schließen, denn es kommt auf den Anfang an, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nun zum Vorschlag der CDU zum Besoldungsgesetz. Feststellung Nummer 1: Die CDU hat kein Angebot für die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in ihrem Besoldungsgesetz. Das findet dort nicht statt. Der CDU kommt es eben nicht auf den Anfang an, sie will keine A13/E13 für Grundschullehrerinnen. Unser Vorschlag ist, dass wir ab 01.08.2021 dort die A13/E13 einführen. Das würde für das Jahr 2021 einen Finanzbedarf von 9,8 Millionen Euro ergeben, insgesamt dann in den laufenden Jahren 23 Millionen Euro mehr.

 

Feststellung Nummer 2: Bei dem Amt für Fachleiterinnen und Fachleiter können wir uns schnell einigen, Kollege Tischner, das wissen Sie auch. Es war Ihre Landesregierung, die das Amt des Fachleiters abgeschafft hat – Punkt 1. Und zweitens: Wir haben in der letzten Legislatur die Zulage von 50 auf 80 Prozent erhöht. Die Fachleiterinnen und Fachleiter wissen das sehr wohl. Notwendigkeit ist hier auch gegeben, da die Attraktivität dadurch erhöht werden kann. Und das, was Sie richtigerweise gesagt haben, nämlich dass wir mehr in die zweite Phase investieren müssen – wir haben ja als Haushaltsgesetzgeber 1.200 Stellen dort eingestellt, können aber nur 900 besetzen –, das hat auch und vor allen Dingen etwas mit Ausbildungskapazitäten zu tun.

 

Feststellung Nummer 3: Die Zulagen für Lehrer im Vorbereitungsdienst können wir gern diskutieren, aber dann werden wir uns die Wirkung dieses Instruments in den anderen Bundesländern und die Höhe genau ansehen und als Maßstab setzen. Kollege Tischner, Sie kennen da meine Haltung. Wenn die Steuerungswirkung nach Region, was ich nicht als Problem sehe, oder Fach, was ich durchaus relevant finde, gegeben ist, dann können wir uns gern darauf verständigen.

 

Feststellung Nummer 4: Die besonderen Aufgaben zum Beispiel Mittelstufenkoordinator, Beratungslehrer, Koordinator GU, Abteilungsleiter für kleinere berufsbildende Schulen – Kollege Tischner, nur, dass Sie es mal gehört haben, die kleinste berufsbildende Schule in Thüringen hat nicht 240 Schüler, wie Sie sagen, sondern 467 Schüler, Sie erreichen gar keine Berufsschule mit Ihrem Vorschlag, ich weiß gar nicht, wo die liegen soll, eine berufsbildende Schule mit 240 Schülern – et cetera im Umfang von rund 300 Euro im Monat als Zulage sind, finde ich, nachvollziehbare Forderungen. Ich gönne jeder Lehrkraft hier mehr Geld, aber ich bezweifle, dass dies zwingend die vorher vorgesehene Aufgabenpräferenz ganz nach vorn bringt bzw. dass diese hier ganz vorn steht.

Verstehen Sie mich bitte richtig, ich habe Sympathien für Ihren Vorschlag und kann mir Schritte zu einer Anerkennung besonderer Aufgaben vorstellen. Ob dies aber in der Höhe und im Umfang dem entspricht, was die CDU vorschlägt, möchte ich gern in die Debatte und die Verhandlungen zum Gesetz mitnehmen. Im Ausschuss können wir uns dann auch mit dem Entschließungsantrag von Ihnen, Kollege Tischner und der CDU, der Anwendung des Zulagensystems im Tarifsystem, ebenso befassen.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, abschließend noch etwas aus der TLZ, „Thüringische Landeszeitung“, von dieser Woche, aus dem Kommentar ein Zitat zur Diskussion des Besoldungsgesetzes – Herr Präsident, wenn Sie erlauben –: „Wenn alle ihre Scheuklappen ablegen, könnte der Kampf gegen den Lehrermangel eine konzertierte Aktion werden. Es wäre auch der Beweis, dass Minderheitsregierungen mit konstruktiver Hilfe durch die Opposition handlungsfähig sind.“

 

Kollege Tischner, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, ich denke, dieses Zitat liefert ein gutes Bild dessen, was die Lehrkräfte, die Eltern und die Schüler völlig zu Recht von uns erwarten: Demokratie braucht Kompromisse.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Davon habe ich bei Ihnen jetzt aber nichts gehört! Nichts!)

 

Lassen Sie uns zusammenkommen und für das gemeinsame Anliegen „das Beste für die Bildung“ an einer weiteren Lösung arbeiten. Für meine Fraktion beantrage ich die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

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