Gemeinwohl- und Klimaschutzleistungen des Waldes würdigen – Wälder und Waldbesitzer nachhaltig unterstützen

Marit Wagler

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/724

 

Sehr geehrte Abgeordnete, liebe Gäste und Zuschauer, Frau Präsidentin! Wir haben hier einen bunten Strauß an Anträgen und eine Gesetzesänderung. Was die ganze Sache eint, ist die Waldkatastrophe. Ja, wir haben eine Klimakrise, und jeder, der in den Wald geht, kann sie sehen. Die sprichwörtliche „Kacke“ ist hier am Dampfen – nein, sie brodelt. – Entschuldigung.

 

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich erspare mir jetzt die ganze Statistik, nur eines: Nur 15 Prozent des Waldes in Thüringen sind überhaupt noch gesund. Das heißt auch, ein großer Teil ist erst einmal verloren. Fakt ist, hier ist eine ganze Generation einer auskömmlichen – das heißt gewinnbringenden – Forstwirtschaft beraubt. Und wenn der Wald erst einmal tot ist, wenn keine Altbäume mehr für Beschattung und Schutz sorgen, hat es Naturverjüngung, geschweige denn Neuanpflanzung, schwer.

 

Wir haben momentan nicht die Kraft, das Ruder herumzureißen. Die Förderinstrumente, das Personal in den forstlichen Betrieben und die Landesforstanstalt – die in den Jahrzehnten gewachsenen Strukturen – sind für normale Zeiten, sozusagen für Friedenszeiten, konzipiert. Wir befinden uns im Wald aber gerade in einem Katastrophenzustand. Und das wird viele Jahre so bleiben, meine Damen und Herren, da brauchen wir einen Paradigmenwechsel. Normal – das war einmal, jetzt sind jährlich auftretende Extremwetterereignisse wie Stürme, Dürren und Spätfröste offenbar eine ganz neue Realität.

 

Die CDU greift nun in ihrem Antrag zwei Landtagsbeschlüsse und einen Kabinettsbeschluss aus der letzten Wahlperiode auf und fordert deren Umsetzung. Die Landesforstanstalt soll unterstützt werden, ihre hoheitlichen Aufgaben, im Besonderen die Waldschutzmaßnahmen, wahrzunehmen. Förderinstrumente für den Waldumbau und die Wiederaufforstung von Kalamitätsflächen sollen endlich bereitgestellt werden. Auch die nachgeordnete Holzwirtschaft soll erhalten werden. Da können und wollen wir uns gar nicht dagegenstellen.

 

Wenn es aber darum geht, wie diese Ziele erreicht werden sollen, gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Der Alternativantrag unserer Koalition soll deutlich machen, wie wichtig uns dieses Thema ist. Mit einer CO2-Bindungsprämie wird eine gute Idee aufgegriffen, doch dieses Instrument müsste ganz anders – wie eine Flächenprämie, zum Beispiel in der Landwirtschaft – gestaltet sein. Denn stirbt der Wald durch Extremwetterereignisse, Schädlingsbefall oder Kalamitäten, wird CO2 freigesetzt. Toter Wald speichert kein CO2 mehr. Totholz mag noch als Totholzlebensraum dienen, aber wenn ein Baum nicht mehr lebt, zersetzt er sich und setzt CO2 frei.

 

Der Biomassezuwachs in Wäldern ist eine der Hauptmöglichkeiten, sich dem Klimawandel entgegenzustellen. Genau hier liegt in unserer Gesellschaft eine Art doppelte Verantwortung: Einerseits haben wir mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften für die derzeitigen desaströsen Zustände im Wald gesorgt, andererseits brauchen wir den Wald aber unbedingt. Wir brauchen gesunde leistungsfähige Wälder gerade jetzt und in der Zukunft, um auch nur in die Nähe eines naturnahen Wirtschaftens, das auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, zu kommen. Auch die oft beschriebenen Ökosystemdienstleistungen des Waldes – Wasserspeicher, Lebensraum, Erosionsschutz etc. – können wir jetzt nur noch erhalten und versuchen wiederherzustellen. Dafür müssen wir in den Wald einzahlen, wir müssen hier unsere Denkweise ändern.

 

Die Linke forderte bisher vergeblich einen Waldteil in der Gemeinsamen Agrarpolitik – eine Förderung aufgrund der Gemeinwohlleistungen der Forstwirtschaft. Jetzt gibt es immerhin schon erste Stimmen in diese Richtung und es ist ja auch in der Hand der CDU, dazu etwas beizutragen. Der von der CDU geforderte Weg eines Sondervermögens ist vor dem Hintergrund des Corona-Sondervermögens schwer darstellbar. Hier ist die Frage: Woher soll das Geld kommen? Die Rücklagen des Landes werden gerade für die Bewältigung der Corona-Krise aufgebraucht. Das Haushaltsaufstellungsverfahren für 2020 war vor einem Jahr. Ein Nachtragshaushalt, wie von Ihnen beim Corona-Sondervermögen gefordert wird, kollidiert mit dem Neuverschuldungsgebot. Es bleibt die Frage, woher die 500 Millionen Euro kommen sollen und welcher Betrag wie eingesetzt wird. Die Linke will eine Finanzierung über den normalen Haushalt, denn wenn Corona wieder Geschichte ist, werden die Waldkatastrophe und der dringend notwendige Waldumbau immer noch Realität sein. Es ist gut, dass die Voraussetzungen für Waldumbau und Forstschutz im Errichtungsgesetz auf den Weg gebracht werden sollen. In diesem Gesetzentwurf bekommt ThüringenForst Geld für die wissenschaftliche Grundlage, den Waldumbau aufzubauen, auch für das Bereitstellen von Saatgut und Pflanzgut. Ich hoffe, dass wir mit dem Geld auch sicherstellen, dass da, wo Privatwaldbesitzer nicht mehr handeln können, wo Waldbesitzer nicht ausfindig gemacht werden können, Waldschutz und Waldumbau sichergestellt werden. Das sind immerhin 10 Prozent des Thüringer Waldes, wo wir nicht wissen, wem er gehört. Der durchschnittliche Waldbesitz in Thüringen – unter einem Hektar – ist enorm kleinteilig. Dieser Wald ohne klare Eigentumsverhältnisse ist außerdem noch breit gestreut. Das heißt, auch wenn man als Waldbauer noch so vorbildlich wirtschaftet, wenn im Nachbarwald die Käfernester nicht aus dem Wald herausgeholt werden können, kann man zuschauen, wie die Arbeit von Generationen aufgefressen wird. Hier wird der Borkenkäfer zum Sorgenkäfer.

 

Ein anderer Punkt, wo erste Schritte getan wurden, aber noch ein langer Weg vor uns liegt, ist die Reviergröße pro verantwortlichen Förster. Der Personalabbaupfad, den Sie, liebe CDU, auch zu verantworten haben, wird eingefroren. Aber wir haben Reviergrößen, die auf Bedingungen angepasst sind, die es einfach mal nicht mehr gibt, nämlich normale Jahre. Die haben wir aber seit 2017 einfach mal nicht mehr. Die Revierförster – und nicht nur diese, sondern alle, die im Wald ihre Arbeit tun – arbeiten bis zum Anschlag ohne Pause, ohne Wochenende. Aber mit den jetzigen Voraussetzungen ist ein ausreichender Forstschutz – also Käfernester aus dem Wald holen, Schadholz aufarbeiten usw. – nicht mehr möglich. Was das bedeutet, kann man sich im Nationalpark Harz ansehen. Mit dem Gesetz kann auch noch nicht der flächendeckende Waldumbau an sich bewerkstelligt werden, das heißt, pflanzen und säen. Damit beschäftigen sich noch die anderen Anträge.

Bei der bisherigen Förderung wird auch immer ein Eigenanteil der Waldbesitzer vorausgesetzt. Aktuell können die Waldbesitzer diesen Eigenanteil einfach nicht erwirtschaften, denn die Aufarbeitungskosten des Schadholzes liegen momentan höher, als Holz nun mal in der momentanen Situation einbringt. Wir haben ein europaweites Überangebot an Holz. Italien hat zum Beispiel seinen Holzmarkt abgeschottet. Tschechien verdoppelt seine Holzsubventionen und überschwemmt unsere Märkte. Das sind nur einige Beispiele.

 

Das, was jetzt zu Spottpreisen verkauft werden soll oder im Wald vermodert, kann man in den nächsten 30 Jahren nicht mehr ernten, um den Waldumbau zu finanzieren. Auch was in den letzten beiden Dürrejahren gepflanzt wurde, ist kaputt. Die Neuanpflanzungen von diesem Jahr sind zum allergrößten Teil durch drei aufeinanderfolgende Spätfrostnächte erfroren. Die Rettung des Waldes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – das wurde hier schon oft gesagt. Wie gesagt: Erholungsort, Lebensraum für Tiere, Wasserspeicher, CO2-Speicherung und Erosionsschutz. Der Wald ist außerdem auch ein Arbeitgeber – auch schon gesagt –, ein Wirtschaftszweig, der mit seinen nachgeordneten Bereichen – nur damit man das mal einordnen kann –, also dem Cluster Forst und Holz, immerhin 40.000 Arbeitsplätze ausmacht. Das ist viel für Thüringen.

 

Der Entschließungsantrag plädiert nun dafür, dass Bundesmittel aus dem erweiterten Corona-Konjunkturpaket unbürokratisch beim Waldbesitzer landen und in der Fläche wirksam werden sollen. Aber auch das wird nicht ausreichen, hier muss auf Bundesebene noch einmal nachverhandelt werden. Denn es wird für Thüringen schwer, die benötigte Summe im Zuge der Corona-Krise allein zu stemmen. Hier braucht es noch eine Waldgesetzänderung, um den Waldumbau flächendeckend in allen Eigentumsarten voranzutreiben – in Staatswald, Kommunal- und Privatwald – und die Waldschutzmaßnahmen zu sichern. Deshalb plädiert Die Linke für eine Überweisung der Anträge und der Gesetzesänderung an den Infrastrukturausschuss zum Suchen, Finden und Implementieren einer geeigneten Lösung, denn die brauchen wir schnell.

Hier möchte ich noch mal an alle Haushälter appellieren: Was wir in den Wald investieren, verfällt nicht, es wächst sich zu einem Gewinn für die künftigen Generationen aus. Nur diese können dann wieder von einem klimaresilienten, artenreichen Wald profitieren. Wir können jetzt erst einmal nur Eines: wiederaufbauen. Danke.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP)

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