Geeignetheit gerichtlicher und außergerichtlicher Mediation in Thüringen klären

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1418 -


Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Meyer, ich will Sie jetzt nicht in dem Gespräch unterbrechen, aber Sie haben ja den Vorschlag unterbreitet, das Thema Mediation regt ja auch förmlich dazu an, sich irgendwie auf einer Basis zu einigen, ich kann - ich nehme das mal vorweg - durchaus mit Ihrem Vorschlag leben. Es ist ein Angebot, die Diskussion weiter zu vertiefen. Ich werde in meinem Beitrag noch einmal darauf zurückkommen, wo ich eigentlich ein Spannungsfeld sehe und da gehe ich auf die Frage des Kollegen Koppe ein - er ist jetzt nicht mehr hier im Raum -, der in Richtung Zusammenarbeit der Bundestagsfraktion hier etwas vorgetragen hat. Das kann ich unterstreichen, wir stehen also in enger Zusammenarbeit mit unserer Bundestagsfraktion, wir haben einen sehr fundierten sachkundigen Richter dort vor Ort, den Sozialrichter Jens Petermann. Aber nicht nur mit unserer Bundesfraktion arbeiten wir aktiv zusammen, sondern dieser Antrag basiert eigentlich auf dem Sachstand von Richterinnen und Richtern aus Thüringen und auch verschiedener Arbeitsgruppen und Arbeitskreise, die sich mit dem Thema Mediation befassen und beschäftigen. Insofern, denke ich, ist diese Frage damit beantwortet.


Herr Kollege Schröter, Sie haben ja durchaus auch noch einmal auf die Geschichte dieser Thematik verwiesen. Ich will mich jetzt nicht darum streiten, wer hat es erfunden, sondern das Anliegen ist durchaus legitim. Der Kollege Carius hat das seinerzeit im Justizausschuss thematisiert, ich habe diese Strecke fortgeführt, ich denke, mit Blick auf die Ausführungen auch des Ministers am heutigen Tage wird ja deutlich, dass mit der Erprobungsphase erste Ergebnisse vorliegen und die sind meines Erachtens notwendig, a) heute zu diskutieren, anzudiskutieren und b) natürlich auch eventuell schon Schritte einzuleiten, in die eine oder andere Richtung vorzunehmen.


Ich will auch, Frau Marx, versuchen, auf Ihre Frage einzugehen. Ich kann aber die erste schon beantworten. Die Feder haben - die Füllfederhalter, nicht dass es zu Verwechslungen kommt - nicht die nichtrichterlichen Mediatoren geführt, sondern ich habe darauf verwiesen, dass wir versucht haben, uns sachkundig zu machen in der Breite des Themenfeldes.


Ich darf beginnen und noch einmal kurz abheben auf die EU-Richtlinie, die ist ja erwähnt worden, zur Mediation. Das war ja offensichtlich, da verrate ich kein Geheimnis, der Anstoß für den Referentenentwurf der Bundesregierung vom 5. August 2010, eben zu den Regelungen - und das ist ja neu - der außergerichtlichen, gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation. Das sage ich ganz deutlich und unumwunden, das war notwendig, aber ist durchaus noch mit einigen Mängeln behaftet. Eigentlich bezieht sich ja die EU-Richtlinie nur auf die grenzüberschreitenden Sachverhalte und lässt den Mitgliedstaaten offen, auch Regelungen für innerstaatliche Verfahren und Fälle zu schaffen. Im Blick auf Thüringen, meine Damen und Herren, hat meine Fraktion in den letzten Jahren die Frage nach dem Modellcharakter und der Rechtssicherheit thematisiert. Ich persönlich hatte damals die Argumente hinterfragt bei der damaligen Ministerin Walsmann, auch bei Prof. Herz als Staatssekretär und ich habe durchaus meine Sympathien für das Instrument der Mediation dort geäußert, gerichtlich wie auch außergerichtlich, aber ich sage auch ganz deutlich, mit den heutigen Erkenntnissen, die wir auf dem Gebiet gewonnen haben, es ist eben nicht alles Gold, was glänzt. Und es vermehren sich, meine Damen und Herren, die Problemdiskussionen über die Geeignetheit - und das war Anlass für unseren Antrag - und die Wirksamkeit von Mediation im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren und dem Ziel ihrer schnellen Beendigung. Es gibt einige Fachleute, die zum einen darauf hinweisen, dass das Thüringer Güterichter-Projekt nur Elemente der Mediation verwendet, aber in einem strengeren Sinne nicht als gerichtsinterne Mediation bezeichnet werden kann. Hier wird offensichtlich nach einer vermeintlichen - und darauf werde ich noch einmal eingehen - Rosinentaktik versucht, Versatzstücke von Mediation zu einer schnelleren und für das Gericht einfachen Verfahrensbeendigung einzusetzen.


Das wird daran deutlich, dass in der Praxis in Thüringen in vielen Fällen von den Richtern davon ausgegangen wird, dass mit einem einzigen Termin die Sache zu erledigen sei. Erfahrene Mediatoren sagen, das kann nicht funktionieren. Für eine langfristige, wirksame Konfliktlösung wird mehr Zeit gebraucht. Hinzu kommt, die Mediation zielt offensichtlich darauf ab, die zwischenmenschlichen Hintergründe eines Konflikts offenzulegen und eine Klärung herbeizuführen. Für viele Rechtsstreite und Gerichtsverfahren ist aber eine so weit gehende Offenlegung des Konflikthintergrunds nicht notwendig und ggf. auch nicht sachdienlich. Nur in Verfahren wie Familiensachen, Umgangsrecht und auch in Nachbarschaftsstreitigkeiten oder beim Täter-Opfer-Ausgleich macht dies meines Erachtens wirklich Sinn. Zu berücksichtigen auch bei der Mediation gilt, der Mediator trägt die Verantwortung für das Verfahren, die Art und Weise des Vorgehens, um zu einer Konfliktlösung zu kommen. Er macht aber keine eigenen inhaltlichen Vorschläge, das heißt, die Konfliktparteien tragen die Verantwortung für die inhaltliche Aushandlung in der Sache selbst.


Nun ist aber bei einem Rechtsstreit bzw. Gerichtsverfahren es gerade so, dass die Betroffenen zum Gericht gehen, weil sie vom Richter gesagt bekommen wollen und sollen, was ihnen rechtlich zusteht und was nicht. Das ist einer der fundamentalen Unterschiede zwischen der Mediation und Gerichtsverfahren. Der Funktion, der Rechtssuche vor Gericht, entsprechen die Instrumente der Güterichter Verhandlung und des gerichtlichen Vergleichs viel mehr. Hier unterbreiten ja die Richter selbst inhaltliche Positionen und Vorschläge, die der verfassungsrechtlichen Bindung an Recht und Gesetz entsprechen und trotzdem der konsensualen Streitbeilegung dienen. Die gerichtsinterne Meditation, wie sie das Thüringer Güterichterprojekt praktiziert, unterläuft in gewisser Weise diese Bindung an Recht und Gesetz. Das machen zahlreiche kritische Stellungnahmen klar, voran die Stellungnahme des Thüringer Arbeitskreises Mediation zum Entwurf der Bundesregierung, der verfassungsrechtliche Bedenken anführt und eine Verstetigung des Projekts ablehnt.


Interessanter ist - der Justizminister hat ja die Person schon benannt -, dass Prof. Reinhard Greger, der das Thüringer Güterichtermodell wissenschaftlich begleitet, in einem Aufsatz zum Regierungsentwurf in der Zeitschrift für Rechtspolitik verfassungsrechtliche und richterdienstrechtliche Probleme sieht. „So sei nicht geklärt und zweifelhaft, ob man Mediation durch Richter dem Bereich der Rechtsprechungstätigkeit zuordnen kann. Außerdem“ - so Greger - „begibt sich die Justiz auf ein sowohl wettbewerbs- als auch haushaltsrechtlich problematisches Feld.“ Doch die Mühen der Güteverhandlungen und des Vergleichs sollen gespart werden. Das kann man auch aus einem Merkblatt des OLG Jena zu den Güterichtern entnehmen. Dort wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass zeitaufwendige Beweisaufnahmen gespart werden sollen. Bei Vergleich und Güterichterverhandlungen muss sich aber der Richter dennoch intensiv mit dem Fall auseinandersetzen, auch bei der Tatsachengrundlage, denn nur dann, denke ich, kann er selbst einen qualifizierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten.

Die Thüringer Landesregierung und auch die Bundesregierung mit ihrem Referentenentwurf sind bisher zumindest diesen Nachweis schuldig geblieben, dass Mediation als neue eigenständige Kategorie als Streitbeteiligung gebraucht wird.

Problematisch wird die freie Verantwortung für Inhalte vor allem dann, wenn in einem Konflikt ein großes hierarchisches oder soziales Gefälle besteht. Wie soll es dann mit der freien Verantwortung für den Inhalt funktionieren? Wo bleibt die soziale Schutz- und Ausgleichsfunktion von Recht? Wie ist das vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips und der Bindung der Gerichte an Rechte und Gesetz vereinbar? Wenn man die Mediation in diesem Punkt ernst nehmen wolle, müsse man auch inhaltliche Abmachungen der beteiligten Parteien akzeptieren, die gegen Recht und Gesetz verstoßen bzw. die die völlige Aufgabe von eigentlich zustehenden Rechtspositionen bedeuten. Wenn man hier zum Beispiel Mediation überhaupt zulassen wollte, müsste verpflichtend eine rechtliche Ergebniskontrolle stattfinden, zum Beispiel indem das Mediationsergebnis einem dritten unabhängigen Anwalt zur Überprüfung vorgelegt werden muss. Auch wäre zu überlegen, dass vor dem Beginn der Mediation eine Beratung zu rechtlichen Fakten des Falls stattfinden muss. Wir wissen von den Praktikerinnen und Praktikern, Anwälte, die auch als Mediatoren arbeiten, dass sie auch jetzt schon in problematischen Fällen die Beteiligten mit Mediationsergebnis zu einem unabhängigen Anwalt zur Beratung schicken. In gravierenden Problemfällen verweigern Mediationsanwälte auch schon einmal die Mitwirkung, also auch das gab es.


Es bleibt die Frage, wie die beteiligten Richter innerhalb einer gerichtsinternen Mediation bzw. bei der Güterichtertätigkeit aus dieser rechtlichen und berufsethischen Bredouille in der Praxis kommen soll. Ausgehend von den Grundprinzipien der Mediation ist sie damit für die Anwendung als gerichtsinterne schon mal zumindest nicht geeignet. Außerdem steht damit die Eignung infrage in den Bereichen, in denen über Rechtsansprüche im Falle hoheitlichen Handelns zu entscheiden ist. Eine Mediation in einem Streitfall, zum Beispiel um Hartz-IV-Leistungen, ist praktisch nicht vorstellbar.


Auch wenn man einen etwas zwangloseren Rahmen für das Gespräch mit Mediationscharakter wählt, ist laut Fachleuten die Verordnung in einem Gericht, einem mit staatlicher Autorität verbundenen Ort und die Anwendung durch die Autoritätsperson Richter insbesondere mit dem Freiwilligkeitsgrundsatz unvereinbar.

Das gleiche Problem entstünde, wenn Betroffene zu einer Teilnahme an einer Mediation rechtlich verpflichtet würden. Schon die Auferlegung der vom Richter angeordneten Rechtspflicht zur Teilnahme an einem Beratungsgespräch sehen Fachleute aus dem Bereich Mediation als hochproblematisch an. Wenn also die Geeignetheit der Mediation so hochproblematisch ist, müssen für den Fall, dass man sie in eng begrenzten Fällen überhaupt als gerichtsnahe Mediation anwenden wollte, die Qualitätsstandards entsprechend hoch sein.


Am 20. Mai 2010 hat sich offensichtlich eine Arbeitsgruppe auf Zertifizierungsstandards für Mediatoren geeinigt. Das ist auch dringend notwendig - ich hatte das eingangs betont -, da es nach Information eine weite Spannbreite von Ausbildungen gibt, von zwei Wochenendkursen bis zur Ausbildung von mehreren 100 Stunden und noch mehr. Mediator ist kein festgelegtes, geregeltes und geschütztes Berufsbild. Zugespitzt: Jeder kann sich „Mediator“ momentan auf das Praxis- und Kanzleischild schreiben. Hier muss also dringend etwas passieren, gerade wenn die Anwendung der Mediation auch im rechtlichen Bereich noch ausgebaut werden soll, was wir als LINKE aus den schon skizzierten Gründen als sehr bedenklich sehen. Zu kritisieren ist daher, dass sich von den Zertifizierungsstandards, soweit wir erkennen können, im Referentenentwurf selbst wenig wiederfindet. Es sollten auch Bestimmungen zur Frage des Honorarrahmens geschaffen werden. Denn zurzeit gibt es auch hier eine große Spannbreite. In Thüringen sind sowohl, meine Damen und Herren, 80 € in der Stunde eher üblich, aber es gibt auch Angebote über 250 €. Das lädt leider zurzeit mehr in Richtung Abzocke ein.


(Unruhe SPD)


(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Warum haltet ihr euch nicht an eure Redezeit?)


Es soll sogar Thüringer Richter geben, die in der Arbeit in Mediationspraxen - der Minister ist darauf eingegangen - durchaus eine lukrative Nebentätigkeit sehen. Sollten sie dann noch selbst Thüringer Güterichter sein, wäre das unseres Erachtens zumindest ein Problem.


Meine Damen und Herren, da Mediation auch in anderen Bereichen als dem rechtlichen durchgeführt wird, wäre es sinnvoll, ein eigenständiges Berufsgesetz zum Beispiel ins Auge zu fassen wie bei Psychologen, Heilpraktikern oder anderen Berufen. Das geht, denke ich, mit der Absicherung von Qualitätsstandards. Angesichts der von Fachleuten befürworteten Qualitätsstandards dürften die Thüringer Güterichter zumindest nicht alle auf der Höhe der Zeit sein. Wir erwarten, dass die Auswertung des Projekts, darauf ist verwiesen worden, auch auf dieses Problem eingeht.


Meine Damen und Herren, zwar gibt es hier in einzelnen Gerichten eine entsprechende Anwendung zum Beispiel der PKH-Vorschriften. Sinnvoller wäre zum Beispiel jedoch entsprechend der Vorschläge von Praktikern, eine Mediationskostenhilfe einzuführen; auch das ist schon mal erwähnt worden. Dieser Kritikpunkt findet sich zum Beispiel auch in der Stellungnahme des Thüringer Arbeitskreises Mediation wieder. Die Bundesrechtsanwaltskammer verlangt in ihrer Stellungnahme die Kostenhilfe, damit bedürftige Prozessparteien nicht zwangsweise auf das streitige Gerichtsverfahren beschränkt sind.


Ich will und kann auch auf die Rechtsschutzversicherung auch ein Hohes Lied singen, die leisten ja momentan im Rahmen der Anwaltsmediatoren viel und bieten bestimmte Daueraufträge an als Anreiz für Versicherte, zum Beispiel auch zur Ermäßigung des Selbstbeteiligungsbeitrags, das heißt, Anwaltsmediatoren erhalten 25 € für die ganze Mediation unabhängig von der Dauer. Da kann man sich gern über Dumpingpreise streiten. Die Frage ist auch nach der Seriosität dieser Mediatoren und es wurde ebenfalls eine Telefonmediation angeboten. Da muss man hinterfragen: Was ist eigentlich Ziel einer Rechtsschutzversicherung, die Vermeidung von Kostenübernahmen von klassischen Gerichtsprozessen? Ich denke, das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung.

Es gibt in dieser Frage eine Menge zu tun, angefangen über die Prüfung der Geeignetheit und der Sicherung von Qualitätsstandards bis zu Finanzfragen, Fragen der wissenschaftlichen Analyse, der Vollstreckbarkeit, der Mediationsvereinbarung und, und, und. Zur Frage der Vollstreckbarkeit gibt es im Übrigen in der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer aus Verbraucherschutzsicht sehr ernst zu nehmende Kritik.

Meine Damen und Herren, wir haben und wir fordern die Landesregierung auf, im Rahmen einer weiteren Diskussion, vor allem bei der Frage des Umgangs mit dem Güterichterprojekt, unbedingt Sach- und Fachverstand aus der Praxis einzubeziehen. Das Projekt braucht eine wissenschaftliche Aufarbeitung, das diesen Namen verdient. Die kritischen Stimmen von Fachleuten zeigen auch jetzt schon einiges ganz deutlich, das Thüringer Güterichterprojekt steht zur Disposition und sollte in jegliche Richtung überlegt werden.


Der Thüringer Arbeitskreis Mediation ist bisher nicht wirksam in die sogenannte wissenschaftliche Begleitung des Güterichterprojekts einbezogen worden. Das ist ein Kritikpunkt. Die Frage ist: Warum nicht? Hier sind meines Erachtens noch Fachleute aus den verschiedensten Berufsfeldern aktiv, Psychologen, Theologen, Sozialarbeiten, Anwälte. Diese Fachkompetenz zu nutzen, das kann doch, denke ich, nur ein Gewinn sein. Wir haben übrigens Signale aus der Praxis. Mediationsfachleute in Thüringen begrüßen es, dass dieses komplexe und wichtige Thema endlich einmal öffentlich im Thüringer Landtag diskutiert wird, vor allem auch durchaus kritisch diskutiert wird. Wir möchten den vorliegenden Antrag ebenfalls mit Fachleuten im Arbeitskreis weiter diskutieren. Ich denke, der Vorschlag vom Kollegen Meyer ist dienlich, dieses auch im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu tun. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE)



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