Geänderte Sicherheitslage im Freistaat endlich ernst nehmen – Bürger wirksam vor terroristischen Anschlägen schützen

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2687


Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der heute Morgen stattgefundenen Beratung hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion ausgeführt: „Es ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen, Vertrauen in die Polizei zu stärken“. Und Herr Fiedler, man kann bestimmten Vorwürfen nicht dadurch entgehen, dass man, bevor sie geäußert worden sind, einfach darauf verweist und einfach in den Raum stellt, sie würden nicht stimmen. Ich will Ihnen mal deutlich sagen, dass Ihr Antrag genau kein Beitrag ist, Vertrauen in die Thüringer Polizei zu schaffen oder zu stärken. Das wird bereits im Titel Ihres Antrags deutlich. Dort schreiben Sie: „Geänderte Sicherheitslage im Freistaat endlich ernst nehmen.“ Was Sie damit öffentlich zum Ausdruck bringen, ist, dass Sie es sind, die die Sicherheitslage hier in Thüringen ernst nehmen und alle anderen, die möglicherweise dazu politische oder auch ganz fachliche Verantwortung haben, dies gerade nicht tun. Ich glaube, dass Sie nicht nur dem Bericht des Staatssekretärs gerade entnehmen konnten, dass diese Landesregierung sich tatsächlich sehr wohl auf die veränderte Sicherheitslage – darauf komme ich gleich zu sprechen – konzentriert und überlegt, wie man darauf reagieren kann, sondern Sie hätten es tatsächlich auch den zahlreichen Beratungen im Innenausschuss entnehmen können, dass diese Reaktion längst stattfindet, und zwar seit Januar 2015, seitdem wir mehrfach hier im Landtag, mehrfach im Innenausschuss und mehrfach auch in außerplanmäßigen Informationsveranstaltungen des Innenministeriums als Parlamentarier über Maßnahmen und veränderte Bedingungen in Thüringen informiert worden sind und die Möglichkeit hatten, das zu hinterfragen.


Das heißt, das, was Sie hier in der Überschrift dieses Antrags suggerieren, ist wider besseres Wissen. Es ist einfach falsch, denn es suggeriert etwas, nämlich dass die Menschen sich Sorgen machen müssen, ob die Sicherheit bei dieser Landesregierung in den richtigen Händen ist.


Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen, weil ich das auch für unverfroren gehalten habe, als ich davon gehört habe, nämlich ein zweites Beispiel dafür, wie Sie tatsächlich auch mit Ihrer oppositionellen Verantwortungsrolle im Zusammenhang mit Fragen der Sicherheit leichtfertig umgehen. Nach den auch von Ihnen angesprochenen Anschlägen in Würzburg und Ansbach hat die Thüringer Landesregierung, auch in Person des Staatssekretärs, die Parlamentarier in einem außerplanmäßig einberufenen Treffen informiert. Über die veränderte Sicherheitslage führt die Thüringer Landesregierung dazu nun aus. Ich glaube, Ihrerseits war der Abgeordnete Walk anwesend. In dieser Runde informierte Staatssekretär Götze, er fragte die anwesenden Parlamentarier: Gibt es denn noch weitere Fragen? Es gab keine weiteren Fragen, auch nicht Ihrer Fraktion, Sie fühlten sich also ausreichend informiert. Aber nur wenige Minuten später veröffentlichte Ihre Fraktion eine Pressemitteilung, in der sie der Öffentlichkeit kundtat: Es gab zwar die Information der Landesregierung, aber viele Fragen blieben offen. Und da sage ich Ihnen hier noch mal: Das kann ja sein, bloß dann muss man diese Fragen an die Landesregierung auch stellen, dazu wurden Sie aufgefordert. Das haben Sie nicht getan und dann suggerieren Sie in der Öffentlichkeit, dass Sie über etwas im Dunkeln gehalten werden. Und dort, wo Nichtwissen existiert, entsteht eben auch Unsicherheit und mitunter auch Angst. Und ich werfe Ihnen vor, dass Sie keinen aktiven Beitrag dazu leisten, diese abzubauen, sondern im Gegenteil durch genau derartige Wortwahl auch noch zur Unsicherheit beitragen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass in Ihrem Antrag auch noch ein logischer Schluss enthalten ist, wenn Sie in der Überschrift sagen „Geänderte Sicherheitslage endlich ernst nehmen“ und im ersten Satz dann feststellen, dass sich eigentlich nichts verändert hat, das mag Ihr Problem sein. Das kann jeder nachlesen, der Ihren Antrag zur Hand nimmt, aber ich will zumindest darauf hinweisen. Und wenn Sie sagen, dass der Antrag nicht die Wiederholung von März 2015 ist: Auch da will ich Sie korrigieren. Es ist nämlich in Punkt 2 wortgleich die Wiederholung des Antrags aus dem März 2015. Wenn Sie auch hier wieder in der Öffentlichkeit kundtun und im Prinzip den Landtag zwingen, auch noch per Beschluss festzustellen, dass die Thüringer Sicherheitsbehörden nicht hinreichend auf potenzielle Gefahren vorbereitet sind und dass sich seit März 2015 bis November 2016 – in Kenntnis dessen, was Staatssekretär Götze hier eben vorgetragen hat – bei Ihnen an dieser Behauptung nichts verändert, also gar kein Erkenntnisgewinn vorliegt, oder einer, den Sie im Prinzip nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann sage ich Ihnen auch: Dann spielen Sie tatsächlich zu politischen Zwecken mit dem Unsicherheitsgefühl der Menschen. Sie diskreditieren aber auch – das habe ich Ihnen gestern schon gesagt – die Arbeit der Thüringer Polizei, insbesondere auch des Landeskriminalamts.


Meine Damen und Herren, wir werden es gleich wieder hören. Weil ich gestern in der Aktuellen Stunde zu wenig Zeit hatte, will ich doch noch auf etwas eingehen, bevor ich zu einzelnen Punkten Ihres Änderungsantrags komme. Herr Fiedler, der innenpolitische Sprecher der größten Oppositionsfraktion dieses Landtags, lässt sich gestern hinreißen – ich habe es gestern schon mal zitiert –, gegenüber dem MDR zu äußern: „Es ist eine bodenlose Sauerei, dass hier in Thüringen die innere Sicherheit so weit unten gehalten wird.“ Herr Fiedler, ich möchte gar nicht, dass Sie sich voller Demut in den Dreck werfen, wenn Sie über innere Sicherheit in diesem Land diskutieren. Sie müssen auch nicht jedes Mal sagen: Die große Herausforderung für diese Landesregierung liegt darin, die Versäumnisse Ihrer Politik jetzt aufzuarbeiten und Lösungen anzubieten. Aber was ich möchte, ist – wenn Sie schon als Oppositionsfraktion den Finger in die Wunde legen –, dass Sie sich durchaus sachgerecht informieren und in Kenntnis eigener Verantwortlichkeiten auch etwas konstruktiv in die Debatte einbringen und nicht so eine ungeheure Ungeheuerlichkeit in die öffentliche Debatte einbringen.


(Unruhe CDU)


Und weil Ihr Fraktionsvorsitzender den Faktencheck doch so liebt, führen wir tatsächlich mal den Faktencheck durch, den Sie in diesem Bereich möglicherweise dann auch korrigieren oder konkretisieren, möglicherweise auch erweitern können. Wir haben im Innenausschuss in der vergangenen Legislaturperiode ein Personalentwicklungskonzept der Thüringer Polizei diskutiert. Dort waren jahresgenau – bis zum Jahr 2020 – die altersbedingten Abgänge in der Polizei aufgezeigt. Was nicht aufgezeigt war, waren die Einstellungszahlen ab dem Jahr 2015. Bereits damals, als wir das im Innenausschuss diskutiert haben, war klar, dass Sie – in Ihrer Verantwortung für die Innenpolitik in diesem Land – der demografischen Entwicklung innerhalb der Polizeistruktur nicht gegensteuern, sondern das im Prinzip haben errechnen können, erwarten können, was wir heute vorfinden können.


Meine Damen und Herren, es mag ja sein, dass mit der Regierungsübernahme von Rot-Rot-Grün manche Menschen in diesem Land graue Haare bekommen haben. Aber es ist doch keine Überraschung, dass auch Polizeibeamte Jahr für Jahr älter werden – und zwar jeweils um ein Jahr. Deswegen war doch die Situation lange bekannt. Gleichzeitig, indem Sie diese Entwicklung einfach ignoriert haben und nichts gemacht haben, haben Sie eine Polizeistrukturreform durchgeführt. Zu dieser Polizeistrukturreform sagte beispielsweise Staatssekretär Rieder am 27. Februar 2014: „Ein Ziel der Polizeistrukturreform ist die personelle Stärkung der Basisdienststellen zur Erhöhung der Polizeipräsenz […] Unterstützungskräfte sind dann schneller verfügbar, wodurch sich die Wirksamkeit des Außendienstes erhöht und die Interventionszeiten weiter verringern. Infolge der Polizeistrukturreform konnten die Basisdienststellen seit Januar 2012 bereits um Polizeivollzugsbeamte in einer Größenordnung von 250 bis 300 verstärkt werden. Dies entspricht im Landesdurchschnitt in etwa einem zusätzlichen Streifenwagen pro Basisdienststelle rund um die Uhr.“


Herr Fiedler, in Kenntnis dieser Aussage Ihrer Landesregierung hätte ich gestern nicht in Richtung Rot-Rot-Grün von einer „bodenlosen Sauerei“ gesprochen, sondern ich hätte mich hingestellt und hätte gesagt: Wir haben verstanden, wir haben eine Entwicklung möglicherweise falsch prognostiziert. Das, was wir mit der Polizeistrukturreform erhofft haben, ist nicht eingetreten. Wir müssen uns korrigieren und wir sind bereit, hier Vorschläge einzubringen. Aber es ist ja nicht so, dass Sie sich geirrt haben, sondern Ihre Landesregierung – zur damaligen Zeit Herr Innenminister Geibert – antwortet noch auf eine Kleine Anfrage, bezogen auf die Auswirkungen der altersbedingten Abgänge bei der Polizei: „Die […] aufgeführten Personalabgänge haben keine Auswirkungen auf die Umsetzung der Polizeistrukturreform.“ Das heißt, Sie haben 2014 öffentlich dargestellt, dass die altersbedingten Abgänge bei der Polizei nicht das Ziel der Polizeistrukturreform – mehr Blau auf die Straße – infrage stellt. Das haben Sie der Öffentlichkeit erklärt. Was Sie aber gleichzeitig gemacht haben, ist, ein Stellenabbaukonzept für das Thüringer Innenministerium beschlossen und mitgetragen und bis zuletzt verteidigt. Das fordern Sie bis heute auch ein, dass wir das einhalten. Da komme ich mal zum Faktencheck und dann bin ich damit am Ende. Ich hoffe, dass Sie vielleicht derartige Aussagen, die Sie gestern getätigt haben, auch in Zukunft nicht mehr tun.


2012 hat Ihre Landesregierung – Herr Mohring, da können Sie ruhig zuhören – beschlossen,


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich höre Ihnen zu!)


für den Bereich des Thüringer Ministeriums des Innern 2.020 Stellen abzubauen. Das Innenministerium hatte zum damaligen Zeitpunkt insgesamt 9.537 Stellen. Jetzt will ich Ihnen mal vorrechnen: Wenn Sie dieses Ziel des Stellenabbaupfades einhalten wollten, hätten Sie das Thüringer Ministerium des Innern komplett abschaffen müssen, das Landesamt für Statistik komplett abschaffen müssen, das Landesverwaltungsamt komplett abschaffen müssen, die Brand- und Katastrophenschutzschule komplett abschaffen müssen, das von Ihnen so heiß geliebte Amt für Verfassungsschutz komplett abschaffen müssen und Sie hätten dann noch 100 Polizeibeamte in bestimmten Dienststellen reduzieren müssen, um diesen Stellenabbaupfad zu realisieren. Das ist Ihr Konzept der inneren Sicherheit in den letzten Jahren gewesen. Das können Sie nachrechnen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Unruhe CDU)


Herr Kellner, deswegen ärgert es mich auch, dass Sie sich immer hinstellen und sagen, das nimmt keiner ernst. Ich bin doch bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, auch diese Landesregierung. Wir sind auch bereit, uns politisch über unterschiedliche Wege und Konzepte auseinanderzusetzen. Ich bin auch bereit zu akzeptieren, dass eine Opposition den Finger in die Wunde legen muss, aber in der Form, wie Sie es tun, ist es einfach unverantwortlich und vor allen Dingen auch vergessen der eigenen Verantwortung, da Sie eine Situation auch durch Ihr eigenes Handeln erst hervorgerufen haben. Das werfe ich Ihnen vor. Ich bitte Herrn Fiedler oder auch die CDU-Fraktion in Gänze, da doch etwas mehr Zurückhaltung zu äußern und sich konstruktiv in diese Debatte einzubringen.

Im Einzelnen will ich aber auch noch mal auf Ihren Antrag eingehen. Ich denke, zur Vorbereitung auf potenzielle Gefahren hat Herr Staatssekretär Götze einiges ausgeführt. Ich will vielleicht noch mal ergänzend zusammenfassen, weil Sie sagen, den Innenausschuss des Landes bis zum 30. November über ein abgestimmtes Sicherheitskonzept zu unterrichten. Auch hier, glaube ich, ist eine fachliche Schwäche in Ihrer Antragstellung enthalten. Erstens wurden wir bereits im März 2015 das erste Mal im Innenausschuss informiert, dass genau diese Konzeptionen vorliegen und eben einer permanenten Änderung und Fortentwicklung unterliegen, die bestimmte Aspekte wie lebensbedrohliche Einsatzlagen inklusive eben auch den von Ihnen angesprochenen Terrorismus mit berücksichtigen. Über den Rahmenbefehl und über den Erlass vom September dieses Jahres zur Bewältigung lebensbedrohlicher Lagen hat der Staatssekretär Sie unterrichtet. Er hat Sie auch über die Richtlinie zum Einsatz bei Großschadenslagen unterrichtet.


Ich will aber auch noch mal zu dem Punkt 2 eine Ausführung machen, gar nicht so sehr noch mal darauf hinweisen, was gerade jetzt überhaupt in der Beschaffung ist, sondern auf den Anspruch, den Sie in diesem Zusammenhang äußern. Ich finde es zunächst erst einmal richtig, dass wir uns über die Schutzausrüstung von Polizeibeamten Gedanken machen. Das, was notwendig ist, muss beschafft werden. Da sind mir manche Zeiträume – ich denke beispielsweise auch an die Anschaffung von Taschenlampen – durchaus nicht nachvollziehbar, aber es ist ja jetzt realisiert worden. Ich finde die Frage von Schutzwesten, die Stichschutz haben, auch die wesentlich entscheidendere Frage. Aber davon abgesehen müssen wir doch auch mal – es ist oft heute als Redewendung gebraucht worden – die Kirche im Dorf lassen. Wir werden doch auch die Thüringer Polizei nicht so strukturieren, dass wir nachts in Königsee denselben Polizeieinsatz haben wie in Erfurt. Das dürfte doch jedem klar sein. Die Stadt Königsee hat 40-mal weniger Einwohner als die Stadt Erfurt. Das dürfte doch auch jedem klar sein, dass Thüringen oder die Stadt Erfurt polizeilich so nicht ausgestattet sein müssen wie die Stadt Paris. Ich glaube, dass wir aus der Diskussion um polizeiliche Ausrüstung, Schutzausrüstung, aber auch Einsatzwaffen und Einsatzgegenstände doch wirklich mal ableiten sollten, dass wir auf der einen Seite ein Lagebild haben, was die tatsächliche Sicherheitslage darstellt, und auf der anderen Seite natürlich auch Thüringer Einsatzkräfte im Verbund mit anderen Polizeieinheiten anderer Bundesländer sieht und daraus eine in der Abwägung wirklich vernünftige Ausrüstung der Thüringer Polizei vornimmt. Wir können doch nicht jetzt anfangen, die Thüringer Polizei im Prinzip so auszustatten, dass sie für den Kriegseinsatz tauglich wird. Da sind die Beamten überhaupt nicht ausgebildet, das ist auch nicht Sinn und Zweck der Polizei. Es ist notwendig, was in Thüringen aufgrund der Sicherheitslage auch notwendig ist, und das wird gemacht. Darüber hinaus zu suggerieren, es gäbe Fehlbedarfe, ist durchaus auch wieder ein Blick, der den Blick auf die Realitäten verstellt. Das heißt nicht, dass wir uns im Einzelfall darüber nicht auseinandersetzen können, ob vielleicht das eine oder andere noch notwendig ist, aber tatsächlich sollten wir hier wirklich in der Abwägung entscheiden und wir sollten ein reales Sicherheitslagebild zur Grundlage nehmen.


(Beifall DIE LINKE)


Ich glaube, es ist auch keine gute Idee, Auszubildende jetzt in den polizeilichen Einsatz zu schicken. Nicht nur Polizeibeamte, auch insbesondere Polizeianwärter haben es verdient, mit der entsprechenden Kompetenz und Fähigkeit in den Einsatz geschickt zu werden, weil das ja auch Garant für ihre Sicherheit ist. Es ist auch Garant für einen rechtskonformen Einsatz, den Bürgerinnen und Bürger erwarten, nämlich dass die Polizeibeamten entsprechend gut ausgebildet ihnen gegenübertreten, denn Sie sind Träger des staatlichen Gewaltmonopols und deswegen halte ich Ihre Idee auch nicht für unterstützbar.


Ich will ja gar nicht so lange auf die durchaus ideologisch minenbehafteten Punkte 4 und 5 eingehen. Aber ich will zumindest eines noch mal deutlich machen: Der Einsatzzweck der Bundeswehr ist in Artikel 87 des Grundgesetzes eindeutig beschrieben. Das heißt, die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland sind für den Verteidigungsfall hier aufzustellen und ausschließlich für diesen einzusetzen. Darüber hinaus, und das ist Artikel 87a Abs. 2 des Grundgesetzes, darf die Bundeswehr nur dann eingesetzt werden, wenn das Grundgesetz es ausdrücklich erlaubt. Ich glaube, eine Diskussion dazu zu führen, dass wir in einem Zustand sind, dass die Bundeswehr den Bestand der Bundesrepublik im Inneren verteidigen muss, ist wiederum eine Diskussion, die an der eigentlichen Realität vorbeigeht. Unsere Aufgabe ist es, die Behörden so auszustatten, personell und auch sachlich, die für den Schutz von öffentlicher Sicherheit im Inneren tatsächlich die Verantwortung tragen. Herr Staatssekretär, ich habe es gestern schon mal gesagt, da müssen wir natürlich auch ernsthaft – auch vor dem Hintergrund, was ich vorhin zur Entwicklung der Stellensituation und zu Stellenabbaukonzepten in der Vergangenheit gesagt habe – solche Schreiben aus der GdP prüfen und darüber entscheiden, wie wirklich personell, aber auch strukturell – denn nur beides kann gemeinsam gedacht werden – die Polizei in Zukunft entwickelt werden muss. Für mich, das habe ich gestern auch dem MDR gesagt, ist es notwendig, möglicherweise den Brief zum Anlass zu nehmen, als subjektive Äußerungen in unsere Debatte einzubringen und vielleicht auch darüber nachzudenken, ob Betrachtung und Bewertung, die allein nach Statistiken zu treffen sind, wirklich ausreichend sind, sondern dass wir uns auch als Politiker damit auseinandersetzen, was Bedienstete und Beschäftigte in der Polizei empfinden, wahrnehmen und welchen Blick sie auf die Situation haben. Wir müssen beides tun, wir müssen das in den Blick nehmen. Für mich persönlich ist dieser Brief auch Anlass, diese Diskussion intensiver zu führen und möglicherweise auf der Grundlage des Berichts der Expertenkommission auch schneller zu Entscheidungen zu kommen. Da wünsche ich mir, dass wir natürlich auch den Bericht der Expertenkommission schneller auch zum Lesen und zum Bewerten von der Landesregierung bekommen. Ich will an dieser Stelle auch sagen, wenn wir über Ausbildung reden – und ich bin sehr dafür, die altersbedingten Abgänge sich auf der einen Seite anzuschauen, auf der anderen Seite die Strukturentwicklung sich anzuschauen –, dann auch sehr intensiv über die notwendigen Ausbildungszahlen in den kommenden Jahren zu diskutieren und auch langfristig hier Sicherheit für Polizeistrukturen festzulegen, dass wir dann gleichzeitig auch mit dem nächsten Doppelhaushalt über notwendige Investitionen in Meiningen diskutieren müssen. Denn wenn wir mehr junge Menschen in die Ausbildung bei der Polizei bringen wollen, dann heißt das auch, ordnungsgemäße und ordentliche Ausbildungsbedingungen in Meiningen anzubieten. Das heißt möglicherweise, dort auch investiv tätig zu sein, insbesondere in Fragen der Übernachtungsmöglichkeiten für die Polizeianwärter.


(Beifall Abg. Marx, SPD)


Ich will zum Punkt 5 noch abschließend einiges ausführen. Es wird Sie nicht verwundern, Herr Fiedler, aber auch Herr Götze, wenn ich darauf verweise, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Dort stehen eine ganze Menge Reformvorhaben für das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz drin, auf die wir uns nach einem langem Diskussionsprozess verständigt haben zwischen den Parteien Linke, Grüne, SPD. Aber dort steht auch ein ganz bemerkenswerter Satz drin. Zu Beginn dieses Abschnitts – Kollege Hey, hören Sie aufmerksam zu – steht drin: Die Koalitionspartner verabreden im Bewusstsein unterschiedlicher Auffassungen über die Notwendigkeit des Bestands des Landesamts für Verfassungsschutz, das Landesamt für Verfassungsschutz grundlegend zu reformieren. – „Im Bewusstsein unterschiedlicher Auffassungen“ heißt – das wird ja auch in einer Forderung des Koalitionsvertrags deutlich –, dass dieser Diskussionsprozess nicht beendet ist. Deswegen verstehe ich nicht jede Aufregung, die in diesem Haus entsteht, wenn Die Linke mit ihrer Position einen Debattenbeitrag genau in diesem Sinne leistet. Denn „im Bewusstsein“ heißt auch, nicht nur im Wissen um diese Positionen, sondern die Unterschiedlichkeit in den Positionen anzuerkennen und diesen Diskurs auch weiterzuführen. Ich glaube, das ist nämlich notwendig. Es nützt uns nichts, Herr Staatssekretär Götze, wenn man sich immer hinstellt und sagt, der Verfassungsschutz als Geheimdienst, mit seinen tief greifenden Eingriffsbefugnissen in Grundrechte, die eigentlich als Abwehrrechte gegenüber dem Staat ausgeprägt sind, ist notwendig, wir können es aber nicht begründen, weil das dem Geheimdienst in seiner Struktur inne liegt, dass wir das hier nicht weiter ausführen können.


Wenn aber schon die Parlamentarier keinen Beleg für die Notwendigkeit haben, wie soll dann erst gegenüber der Öffentlichkeit begründet werden, warum eine solche Institution, die eine so katastrophale Verantwortungslosigkeit bei der Verfolgung von Rechtsextremisten in diesem Land zur Schau gestellt hat, notwendig ist, und wie sollen Menschen Vertrauen in eine Institution haben, die so weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in Grundrechte hat. Mir persönlich und uns in der Fraktion fehlt dieses Vertrauen. Ich will auch, weil Sie das Beispiel genannt haben, kurz darauf eingehen, weil das auch immer wieder in dieser Diskussion genannt wird: die Durchsuchung bei Tschetschenen, die von Thüringen aus initiiert worden ist. Ich bin sehr gespannt, wann die Öffentlichkeit, auch der Innenausschuss und das Parlament über die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse informiert werden. Denn bis jetzt wissen wir eines, dass der Verdacht bestand, dort wären schwere staatsgefährdende Straftaten vorbereitet worden. So haben Sie es heute auch wiederholt. Ich bin jetzt kein Volljurist wie vielleicht andere in diesem Raum, aber zwei Sachen kriege ich nicht zusammen: Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat und kein Haftbefehl. Das sind zwei Sachen, die kriege ich zusammen juristisch nicht erklärt. Aber wenn man sich in die Pressemitteilung des Landeskriminalamts reinliest, weiß man auch, darum ging es am Ende gar nicht, sondern es ging darum, dass man mal einen Blick in mögliche Finanzierungsströme nehmen wollte, die geeignet sein könnten – so Originalzitat des Landeskriminalamts –, Terrorismus zu finanzieren. Ich glaube, wenn wir wirklich auch wollen, dass wir ernsthaft über Gefahren reden, dann müssen wir die Gefahren tatsächlich benennen, wo sie bestehen, und wir müssen dort, wo keine Gefahren bestehen, die terroristischer Natur sind, und wo Straftaten begangen werden, das auch als Straftaten kennzeichnen, weil wir der Debatte um öffentliche Sicherheit auch einen Bärendienst erweisen, wenn wir alle Aktivitäten im strafrechtlichen Bereich dramatisieren und überbewerten. Deswegen sage ich noch mal: Wir brauchen keine einseitige Diskussion um „Der Verfassungsschutz ist zwingend notwendig.“, sondern wir müssen auch als Erstes dafür sorgen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft, mit ihren Kompetenzen, mit ihren Befugnissen, aber auch mit ihrer richterlichen Kontrolle und mit dem Erfordernis des Bestehens eines konkreten Anfangsverdachts für eine Straftat die geeigneten Mittel haben, um diese Straftaten zu verfolgen und auch dort, wo Anhaltspunkte für Gefahren bestehen, dem präventiv entgegenzutreten. Denn das ist zuvorderst die Aufgabe der Polizei, auch in Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften, wenn der konkrete Straftatverdacht vorliegt. Da sehen wir auch einen Beitrag zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit. Der Antrag der CDU, und noch weniger der Antrag der AfD, wäre ein solcher. Deswegen lehnen wir diesen ab. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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