Für eine genauere und realitätsnahe Polizeistatistik

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/3594


Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Gäste, die AfD beantragt unter der Überschrift „Für eine genauere und realitätsnahe Polizeistatistik“ die Änderung der Polizeilichen Kriminalstatistik bzw. die Änderung der Statistik der Politisch motivierten Kriminalität. Das Motiv der Antragsteller ist offensichtlich. Man versucht zwei Sachen durch eine Änderung der Statistik zu erreichen. Man versucht erstens darzustellen, dass es angeblich mehr vermeintlich nichtdeutsche Straftäter gibt als in der Statistik gegenwärtig zum Ausdruck kommt. Und man versucht zweitens darzustellen durch eine Änderung der Statistik, dass rechtsextrem motivierte Straftaten eigentlich gar kein gesellschaftliches Problem sind.


Wir alle wissen, wenn wir die Statistiken zu den politisch motivierten Straftaten zur Hand nehmen, dass genau in diesem Bereich die tatsächliche Gefährdungslage liegt, nicht nur in der konkreten Gefährdung von Menschen, die Opfer von extrem rechtsmotivierten Angriffen werden. Nein, wir müssen auch feststellen, dass im Vergleich die extrem rechtsmotivierten Straftaten in Thüringen einen übergroßen Anteil der politisch motivierten Straftaten ausmacht, nämlich über zwei Drittel, und die Gesamtzahl der politisch motivierten Gewaltstraftaten aus dem rechten Bereich ist letzten Jahr sogar noch mal um fast 40 Prozent angestiegen im.


Die AfD-Fraktion versucht hier zu suggerieren, dass es durch eine Aufbauschung, durch eine falsche Darstellung zu einem Zerrbild käme. Da will ich auch mal deutlich an den vorherigen Tagesordnungspunkt anschließen, bei dem der Abgeordnete Höcke sich hier an die Seite der Polizeibeamten in Thüringen gestellt hatte, will ich zum einen darauf verweisen, dass die GdP diese Partnerschaft, die hier seitens der AfD angeboten worden ist, zurückgewiesen und Polizeibeamte aufgerufen hat, in der AfD eben keinen Partner in ihren Kämpfen um Beschäftigtenrechte zu sehen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber ich will auch deutlich sagen, welche Missachtung gegenüber Polizeibeamten in diesem Antrag steht. Denn die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität ist eine Statistik, die darauf aufbaut, dass Polizeibeamte beim Erkennen einer Straftat durch das Motiv des Täters, durch die Begleitumstände der Tat zu einer Einschätzung kommen, ob diese Straftat politisch rechts zuzuordnen ist oder ob möglicherweise eine genaue Zuordnung zur politisch motivierten Kriminalität nicht möglich ist, dem Bereich „Sonstiges“ zuzuordnen ist. Was Ihr Antrag zum Ausdruck bringt, ist ein Misstrauen gegenüber Polizeibeamten in Thüringen bei der Aufnahme einer Straftat,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


eine sachgerechte Beurteilung der Tatmotive und des Tathintergrundes vorzunehmen. Das weisen wir in der Tat zurück. Aber das ist der tatsächliche Hintergrund Ihres Antrages. Was Sie aber damit bezwecken, ist, eine Bagatellisierung


(Unruhe AfD)


im Bereich der politisch motivierten Straftaten aus dem Bereich rechts vorzunehmen, und meine Abgeordnetenkollegin Frau König-Preuss hat darauf hingewiesen. Das ist doch auch selbstverständlich nachvollziehbar mit Blick auf die Geschichte der AfD. Sie hat die 43 Straftaten, die von Ihren Demonstrationen im Zeitraum Herbst bis Frühjahr 2015/2016 ausgegangen sind, erwähnt.


(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Nur in Erfurt!)


Aber wer sich fragt, warum sich die AfD darüber hinaus Sorgen macht, warum Straftaten dem Phänomenbereich der politisch-motivierten Kriminalität rechts zugeordnet werden – warum das Absingen des Horst-Wessel-Liedes oder Symbole verbotener Neonazi-Parteien versehentlich als rechtsextrem motivierte Straftaten gewertet werden können –, der wird vielleicht etwas schlauer, wenn er sich an einen Beitrag des Deutschlandradios aus dem Jahr 2014 erinnert. Dort wurde eine E-Mail des AfD-Fraktionsvorsitzenden Höcke erwähnt und diskutiert. Höcke hat demnach 2015 neben der Straffreiheit für Volksverhetzung auch die Abschaffung des § 86 im Strafgesetzbuch gefordert.


(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört, hört!)


Der Paragraf stellt das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen unter Strafe. Es ist die Rechtsgrundlage in diesem System, die die sogenannten Propagandadelikte verfolgt, weil sie die Grundlage sind, auch für eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas von Toleranz, Freiheit und gegenseitiger Achtung zu sorgen. Es ist auch Ausdruck einer Demokratie, die sich gegen demokratiefeindliche Bestrebungen zur Wehr setzt.


Nur hat diese Forderung nach Abschaffung des § 86 im Strafgesetzbuch in der politischen Realität keine Wirklichkeit gefunden und nun versucht die AfD durch einen Statistiktrick im Prinzip dem Ansinnen ihres Fraktionsführers zu folgen. Der hat das im Übrigen damals mit der Mail begründet – da will ich zitieren: „Wir brauchen keine Begrifftabuisierung, keine Antidiskriminierungsgesetze und keine politische Strafjustiz. Hinfort damit, und zwar schnell!“


Jetzt kommt noch etwas ganz Besonderes. Deutschlandradio sprach Herrn Höcke darauf an und fragt ihn, wie denn das zu verstehen sei? Wie das denn mit demokratischen Werten in Übereinstimmung zu bringen ist. Höcke antwortete damals nicht etwa seine Forderung dementierend, er antwortete mit einem Verweis auf Erinnerungslücken und dass sein Computer nicht leistungsstark sei, dass noch einmal nachzurecherchieren, meine Damen und Herren. Diese Behauptung, diese Verschleierung seiner Ideologie ist sogar noch dümmer als das „Mausgerutscht“ der Beatrix von Storch.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber es reiht sich ein in die Auftritte der AfD, die den Nationalsozialismus verharmlosen, die die Erinnerungen an den Holocaust auslöschen wollen und die gemeinsam mit Neonazis und Volksverhetzern durch Erfurt marschieren. Da will ich auch explizit auf den 1. Mai dieses Jahres in Erfurt eingehen. Da wird vielleicht auch dem einen oder anderen deutlich, warum sich die AfD so plötzlich für rechte Propagandadelikte interessiert.


(Beifall SPD)


Die Sturmabteilung der NSDAP wurde 1945 verboten, ihr Emblem darf nicht verbreitet werden. Ich denke, nachvollziehbar sind die Gründe dafür, das unter Strafe zu stellen. Höcke will aber den Paragrafen – ich hatte es eben gesagt, der das unter Strafe stellt – abschaffen. Aber das die AfD überhaupt keine Hemmungen hat, sich genau dieser Symbolik zu bedienen, zeigten die Flugblätter und Plakate der AfD für die Demonstration am 1. Mai in Erfurt.


(Beifall DIE LINKE)


Darauf zu sehen – ein Anstreicher mit SA-Mütze.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ihr habt eine Meise, eine Vollmeise! Entschuldigung!)


Der ist zwar nicht explizit verboten, macht aber sehr deutlich, wo die AfD steht und in welche Traditionen sie sich stellen will und welche Symbolik sie tatsächlich bedienen will. Auch wenn Sie es nicht hören wollen, da auf der Ganz-rechts-außen-Seite, ich will es noch weiter ausführen und deutlich machen, warum Sie sich eben auch genau für rechte Propagandadelikte so sehr interessieren und warum Sie wollen, dass sie eben nicht mehr in der Statistik aufgeführt werden und damit


(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LINKE: Gibt das keinen Ordnungsruf für die Beschimpfung „Sie haben eine Vollmeise, Herr Dittes.“?)


Gegenstand öffentlicher Diskussion werden. Denn es waren der Herr Höcke und Frau Herold, die sich unbedingt am 1. Mai mit Herrn Bachmann in Erfurt ablichten lassen wollten, Herr Bachmann, den sogenannte Pegida-Gründer, verurteilt wegen Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenhandel, aber eben auch rechtskräftig verurteilt wegen Volksverhetzung, weil er Flüchtlinge als „Gelumpe“, „Viehzeug“ und „Dreckspack“ beschimpft hat. Alles nach Höcke nicht strafrechtlich relevante Sachverhalte, deren Strafbarkeit man am liebsten verbieten oder untersagen lassen will, und da das nicht gelingt, dann eben aus der Statistik verschwinden lassen will.


Meine Damen und Herren, die Intention dieses Antrags ist eindeutig und ich will auch zum zweiten Punkt mal kurz eine Ausführung machen, denn zur Ablenkung seitens der AfD gehört eben auch die geforderte Mehrfachnennung bei den Staatsangehörigkeiten, denn es geht ja hier nicht um eine Information, die die AfD möglicherweise begehrt, weil einer der als Straftäter Verdächtigen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit hat, sondern es geht darum, doch deutlich zu machen, und das ist Ausdruck des Antrags der AfD, dass diejenigen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben, für die AfD in Wirklichkeit keine Deutschen sind. Hier wird eine Unterscheidung vorgenommen zwischen Menschen,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


nicht nach ihrer Staatsangehörigkeit und damit möglicherweise in einem Rechtsstatus wie das Wahlrecht oder die Wählbarkeit, sondern es wird eine Zuschreibung vorgenommen, die eben praktisch davon ausgeht, dass nicht der Rechtsstatus der Staatsangehörigkeit für die Unterscheidung von Menschen und ihren Rechtsansprüchen zur Grundlage genommen wird, sondern ihre biologische Herkunft, und das ist eben das Wesensmerkmal der AfD, was wir im Kern als rassistisch beschreiben und was auch in diesem Antrag zum Ausdruck kommt.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Antrag der AfD entspricht somit ganz klar dem stereotypen Muster, wonach es eben besonders viele kriminelle Ausländer geben soll und rechte Straftaten gar nicht so schlimm seien oder durch Altparteien, Lügenmedien, Lügenpresse aufgebauscht würden. Aber, meine Damen und Herren, ein Blick in die Statistik zeigt, das ist faktenwidrig. Die AfD betreibt eine Bagatellisierung und Relativierung. Der werden wir uns widersetzen. Nicht widersetzen werden wir uns in der Tat einer Diskussion, ob man die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik oder die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität verbessern kann, aber der Antrag der AfD ist keine Grundlage für eine solche Diskussion. Vielen Dank!


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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