Für ein einfaches, transparentes und gerechtes Steuersystem

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/1400 -


Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Steuerrecht nicht einfach ist, zeigt auch, dass selbst Abgeordnete ab und zu mal Probleme haben mit der Finanzverwaltung und die eine oder andere Steuererklärung nicht ordnungsgemäß abgeben. Insofern ist das - wenn es eine Vereinfachung gäbe - auch eine Entlastung für uns. Aber das nur als Vorbemerkung. Ich wollte mich noch einmal mit der Forderung der Aufkommensneutralität auseinandersetzen. Ich bleibe dabei und auch unsere Fraktion ist davon überzeugt: Wir haben kein Ausgabenproblem in den öffentlichen Haushalten, sondern insbesondere ein Einnahmeproblem. Sowohl die Fraktion der FDP als auch die der CDU sollten jetzt mal genau meine Rechnung nachvollziehen und mir dann vielleicht erläutern, wie in Kenntnis dieser Fakten Sie an Ihrer Forderung der Aufkommensneutralität im Steuerrecht festhalten wollen. Ich nenne Ihnen nur mal die Defizite der öffentlichen Haushalte in diesem Jahr. Bei den Kommunen sind es 15 Mrd. €, immer bundesweit, bei den Ländern rund 30 Mrd. € und beim Bund rund 80 Mrd. €. Wenn Sie das zusammenaddieren, selbst wenn es vielleicht durch die Konjunkturentwicklung in diesem Jahr insbesondere beim Bund vielleicht nicht ganz 80 Mrd. € werden, reden wir aber über einen Betrag von rund 110/120 Mrd. €.


(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Und die Ausgaben …)


Zu den Ausgaben komme ich ja noch, wo wir kürzen könnten. Die gesamte öffentliche Verschuldung liegt bei 1,7 Billionen €, alle drei föderalen Ebenen. Sie können also jetzt darüber philosophieren, wie das die FDP macht: Wir können das durch Ausgabenkürzungen in irgendeiner Art und Weise kompensieren. Da haben wir mal nachgeschaut: Die Kommunen investieren in diesem Jahr 18 Mrd. €, das heißt, wenn Sie ausschließlich über eine Ausgabenreduzierung die laufenden Defizite und das aufgelaufene Defizit, also die 1,7 Billionen €, abbauen wollen, müssten Sie beispielsweise fordern, alle kommunalen Investitionen auf null zu fahren, bundesweit. Da müssen Sie aber wissen, dass z.B. im Tiefbaubereich 70 Prozent aller Aufträge kommunale Aufträge sind. Das heißt, Sie würden dann ganze Wirtschaftsbranchen brachlegen. Das hätte ja wieder Wechselwirkungen, sowohl was das Steueraufkommen betrifft als auch was die Sozialsysteme angeht. Insofern muss mal die FDP sagen, wie sie 110 Mrd. € in der Bundesrepublik Deutschland einsparen will bei einem Steueraufkommen von etwa 550 Mrd. €, wenn ich alle drei Ebenen zusammenaddiere. Das heißt also, rund 20 Prozent auch der Ausgaben wollen Sie reduzieren oder müssten Sie reduzieren, wenn Sie bei Ihrer Aufkommensneutralität bleiben. Ich bin überzeugt, das ist ein Irrweg, den Sie hier beschreiten, und dass Sie den Leuten das einreden, ist verantwortungslos, weil Sie immer wieder den Vorwurf formulieren, der Staat wäre angeblich ineffizient und dort könnte gespart werden. Wobei ich immer auf Ihrer Seite bin, wenn man Prüfberichte liest, dass dann an der einen oder anderen Stelle tatsächlich Geld auch uneffizient zum Einsatz kommt. Aber ich bleibe bei meiner Überzeugung, einen dreistelligen Milliardenbetrag im Jahr ausschließlich durch Ausgabenreduzierung auszugleichen, ist jenseits jeder Realität.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, dann müssen Sie noch einmal bei der Aufkommensneutralität die Frage beantworten, wie Sie denn mit den allgemeinen Kostensteigerungen umgehen, also der Inflationsrate und den Tarifentwicklungen. Also allein durch die Inflationsrate und die Tarifentwicklung kommt es jährlich zu einer Ausgabensteigerung zwischen 2 und 3 Prozent. Das heißt, wenn die Einnahmen konstant bleiben, heißt das nichts anderes, als dass dem Staat, den öffentlichen Haushalten Einnahmen verloren gehen, allein durch diese Entwicklung bei den allgemeinen Kosten und bei der Tariferhöhung. Also auch die Frage haben Sie bisher nicht beantwortet, ob Sie zumindest bereit sind, diese Steigerung über das Steuerrecht abzufangen. Das hieße, das Steueraufkommen müsste in jedem Jahr etwa 2 bis 3 Prozent sich erhöhen, um nur diesen Ausgleich zu schaffen.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine kurze Anmerkung zu den Auswirkungen der jetzigen Diskussion zur Gewerbesteuer. Das hängt ja hiermit unmittelbar zusammen, weil das von Vorrednern hier diskutiert wurde. Die FDP will die abschaffen. Ich will an dem Beispiel festmachen, wen Sie im Steuerrecht bei Ihren Steuerpositionen bevorzugen und wen Sie tatsächlich mehr belasten, weil da wird noch einmal deutlich, wie unglaubwürdig Sie argumentieren, weil Sie immer sagen, der Mittelstand ist für Sie eine Zielgruppe, die steuerlich entlastet werden muss. Wenn Ihr Konzept aufgeht, Abschaffung der Gewerbesteuer und dafür ein Hebesatz auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer, ich blende einmal die Verschärfung der kommunalen Konkurrenzsituation aus, sondern nur ganz einfach, das heißt, Kapitalgesellschaften, die jetzt in Summe eine Steuerbelastung von etwa 30 Prozent haben - 15 Prozent Körperschaftssteuer, 14,8 Prozent Gewerbesteuer -, werden nach Ihrem Modell mit dem Hebesatz in Summe wird die Steuerlast dort reduziert auf 24,5 Prozent. Ich bleibe bei den 15 Prozent und Anhebung über den Hebesatz. Das sind Berechnungen aus dem Bundesfinanzministerium. Der Einzelunternehmer hat von der Abschaffung der Gewerbesteuer überhaupt nichts, der kann nämlich gegenwärtig seine Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer verrechnen, der Veranlagte, der Einzelunternehmer. Das heißt, Ihre Klientel, die Sie immer wieder ansprechen, entlasten Sie nicht, sondern dort bleibt es bei der Belastung. Sie entlasten wieder nur Kapitalgesellschaften. Das ist zulässig als Konzept, aber es ist nicht zulässig, da die Öffentlichkeit im Unklaren zu lassen. Von daher bleibe ich dabei, Sie sind eine Partei, die ausschließlich die Kapitalgesellschaften, die großen Kapitalgesellschaften im Blick hat.


Vizepräsidentin Dr. Klaubert:


Herr Abgeordneter Kuschel, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Recknagel?


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Bitte.


Vizepräsidentin Dr. Klaubert:


Bitte schön.


Abgeordneter Recknagel, FDP:


Danke schön, Herr Kuschel. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass es auch mittelständische Kapitalgesellschaften gibt und dass jeder Unternehmer das Wahlrecht hat, ob er sein Unternehmen in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts beispielsweise oder einer Kapitalgesellschaft führt?


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Das ist mir bekannt. Ich habe mich mit der Struktur der Unternehmerschaft in Thüringen beschäftigt. Wir sind hier im Thüringer Landtag und Sie haben vorhin betont, Sie machen dort Politik, wo Sie ein Mandat haben, also sind wir jetzt hier in Thüringen. Von den Gesamtunternehmern - wenn ich die Definition für kleine und mittelständische Unternehmen der Europäischen Union zurate ziehe, also mit bis zu 500 Beschäftigten, Jahresumsatz nicht über 50 Mio. € - haben wir in Thüringen 30 Prozent Kapitalgesellschaften, 70 Prozent Einzelunternehmer. Ich gehe immer davon aus, insbesondere wenn Sie Mittelstandsförderung betreiben, dass Sie zumindest diese übergroße Mehrheit der veranlagten Einzelunternehmer nicht aus dem Blick verlieren. Es ist klar, der Unternehmer hat eine Wahlform, aber ich weiß nicht, ob man über das Steuerrecht Unternehmer zwingen sollte, eine Form des privaten Gesellschaftsrechts anzustreben. Zumindest ist Ihr Steuerkonzept nicht ehrlich, wenn Sie in der Öffentlichkeit behaupten, Sie wollen kleine und mittelständische Unternehmen fördern, weil Sie zumindest diesen gesamten Bereich der Einzelunternehmer bisher ausgenommen haben. Sie können ja nachbessern, aber bisher haben Sie es herausgenommen.


Ich will einen oder zwei letzte Aspekte benennen, wo deutlich wird, dass das FDP-Konzept ins Leere läuft und dass auch insbesondere die CDU Probleme hat, was ihren Entschließungsantrag angeht. Wenn wir über Steuerrecht diskutieren und differenzierte Entwicklungen und Umstände, wie in unternehmerischer Tätigkeit abbilden wollen, müssten wir noch einmal eine Diskussion eröffnen, ob wir hinsichtlich eines differenzierten Umsatzsteuersatzes tatsächlich den Branchen helfen, die sehr arbeitsintensiv sind. Da wäre zum Beispiel auch das Friseurhandwerk; darüber könnte man diskutieren. Das spielt aber bedauerlicherweise in der Diskussion sowie im Konzept der FDP bisher keine Rolle. Aber das wäre tatsächlich wirksam und hätte mehrere Effekte. Wenn ich mal zum Abschluss ein Beispiel aus dem aktuellen sogenannten Sparpaket der Bundesregierung herausnehmen darf - was ja kein Sparpaket, sondern ein Kürzungspaket ist, da ist schon die Wortwahl verkehrt -, das hat gestern schon in einer Mündlichen Anfrage eine Rolle gespielt: Da wird beim Wohngeld gekürzt, beim Heizkostenzuschuss und derartigen Dingen. Da sparen Bund und Land, aber die Kommunen werden belastet, weil ein Teil der Betroffenen in das System Hartz IV und damit in die Kosten der Unterkunft fällt. Da frage ich mich, was macht das für einen Sinn, wenn man föderale Ebenen gegeneinander ausspielt? Das sogenannte Sparpaket ist im Bundesrat zustimmungspflichtig und ich frage mich, wie da die Landesregierung agiert hat, ob sie dort die Interessen der Thüringer Kommunen berücksichtigt hat oder ob sie wieder nur ausschließlich sehr verkürzt den Blick auf den Landeshaushalt genommen hat. Insgesamt bin ich der Überzeugung, dass die Ansätze in Ihrem steuerrechtlichen Konzept völlig verkehrt sind, solange Sie daran festhalten, dass Sie der Öffentlichkeit einreden, es geht um Aufkommensneutralität, wir brauchen einen Aufwuchs der öffentlichen Einnahmen und zwar nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Wir haben ein Konzept aufgestellt, da werden alle Einkommen bis zu 6.000 € im Monat steuerlich entlastet, aber wir sagen auch deutlich, alle Einkommen über 6.000 € im Monat und unternehmerische Tätigkeit plus Vermögen werden moderat belastet. Danke.


(Beifall DIE LINKE)

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