Für die politische Flankierung des Strukturwandels in der Thüringer Automobilindustrie und die Sicherung von Arbeitsplätzen durch ein klares Bekenntnis zum Verbrennungsmotor und zu technologieoffener Forschung 1/2

Andreas Schubert

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/1544

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, bei den Protestaktionen an Thüringer Standorten der AutomotiveIndustrie in den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass sich die Beschäftigten und ihre Familien auf die Solidarität der Linksfraktion verlassen können, wenn sie sich gegen die Schließungspläne aus weit entfernten Unternehmenszentralen zur Wehr setzen. Ob bei Conti in Mühlhausen, bei der NORMA Group in Gerbershausen oder anderswo in Thüringen, wir kämpfen gemeinsam mit der IG Metall und den Beschäftigten für den Erhalt und eine neue Perspektive der Arbeitsplätze in Thüringen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Probleme der Branche sind nicht neu. Jahrelang haben die Unternehmen Fördergelder auch vom Land abgegriffen und auf dem Rücken der Beschäftigten satte Gewinne eingefahren. Erst Absahnen, dann Standorte schließen, um nun mit den gleichen Maschinen auch noch nach neuen Fördermitteln im Osten zu haschen, diese Shareholder-Value-Logik hat nichts mit einer unternehmerischen Verantwortung zu tun, sondern zeigt das hässliche Wesen des Kapitalismus, immer nach kurzfristiger Gewinnmaximierung zu gieren.

 

(Unruhe CDU, FDP)

 

Ja, was anderes ist es doch nicht.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Wo lebt Ihr denn?)

 

Dieses Agieren ist kein Zukunftsmodell, Herr Montag. Dieses Agieren ist kein Zukunftsmodell und lässt auch keinerlei Reflexion aus der Corona-Pandemie erkennen,

 

(Heiterkeit CDU, FDP)

 

 

Vizepräsidentin Marx:

 

Ich bitte um etwas Ruhe!

 

 

Abgeordneter Schubert, DIE LINKE:

 

wo klar die Defizite und Grenzen langer Lieferketten und ausgelagerten Know-hows aufgezeigt wurden. Aber wie soll es nun weitergehen? Das ist das, was die Betroffenen auch in den Unternehmen interessiert. Gebot der Stunde ist eine strategische Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten mit Blick auf die laufende Mobilitätswende, die sprunghafte Entwicklung von Elektromobilität und der Wasserstofftechnologie, statt die Thüringer Standorte wie in der Vergangenheit nur als verlängerte Werkbänke zu missbrauchen. Die Transformation der gesamten Automotive-Branche ist unaufhaltsam und beschleunigt sich aktuell, denn der Klimawandel ist real. Das merkt auch jeder, der keine Scheuklappen aufhat. Deshalb ist auch die Energieund mit ihr die Verkehrswende dringend notwendig, um unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt zu erhalten. Wer das leugnet, stiehlt sich aus der Verantwortung.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Der Antrag der AfD mit der Forderung nach der Sicherung von Arbeitsplätzen durch ein klares Bekenntnis zum Verbrennungsmotor zeigt mindestens Unkenntnis und Verweigerungshaltung gegenüber notwendigen und aktuellen Entwicklungen. Ein solcher Antrag kann nur von Leugnern des Klimawandels kommen, die den Menschen einreden möchten, es kann alles so bleiben, wie es ist. Wir müssen nur ganz fest daran glauben und die glorreiche Zukunft des Verbrennungsmotors proklamieren, ungeachtet dessen, dass Automobilhersteller schon reihenweise erklärt haben, wann sie aus der Produktion des Verbrennungsmotors aussteigen. Das ist ein Motto – wir reiten das Pferd, bis es tot ist –, aber das darf in Thüringen nicht umgesetzt werden. Stillstand ist der Tod. Das wissen wir nicht erst von Grönemeyer. Politik, die diesen Ist-Zustand konservieren will, würde die Thüringer Automotive-Industrie wie jede andere Industrie im Land auch dauerhaft der Zukunft berauben. Das wäre tatsächlich die Axt an der industriellen Basis, eine Absage an wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat. Aber diesen Crashkurs dürfen und werden wir nicht zulassen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wichtig ist es jetzt, den Anschluss nicht zu verpassen. Klar ist, die Branche steht massiv unter Druck. Klimawandel, Erprobung von neuen Transportsystemen, Alternativen zum bisherigen Mobilitätsmix sind neue Herausforderungen. Die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft. Die Branche steht vor dem größten Umbruch in ihrer Geschichte, deren Risiken nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden dürfen. Aber klar ist natürlich auch – und das sollten wir hier auch betonen –, mit einem solch gewaltigen technologischen Umbruch einer ganzen Branche ergeben sich auch neue Chancen, auch für den Industriestandort Thüringen. Dies zu nutzen, bedeutet Perspektive und Zukunftssicherung für die Arbeitsplätze auch in der Automobilzulieferindustrie in Thüringen. Die Unternehmen müssen die Weiterentwicklung ihres Portfolios vorantreiben. Da hat mein Vorredner recht. Wir sind auch der Meinung, es muss eine Entwicklung geben, elektronischen Bauteilen die Vorfahrt zu geben und sich zu Anbietern ganzer Baugruppen zu vernetzen, die eben nicht so einfach austauschbar sind. Dass dabei thüringenweit alle Akteure auf die Unterstützung des Freistaats zählen können, um in bestehenden und neuen Netzwerkstrukturen auch überregional Forschung und Entwicklung für die Wertschöpfungsketten zu nutzen, versteht sich von selbst. Wir wollen als Linke, dass die Chancen Thüringens aktiv ausgespielt werden, um zum Beispiel als europäisches Zentrum der Batteriezellenfertigung auch die Standortperspektive der Automobilzulieferindustrie zu erneuern. Gleichzeitig müssen wir in Thüringen Geschwindigkeit bei der Implementierung der Wasserstofftechnologie aufnehmen. Hier ist eine konkrete Projektförderung zu prüfen, um bundesweit in eine Vorreiterrolle zu kommen. Es gibt sie, die Businesspläne, in Thüringen von Unternehmen, diese Wasserstofftechnologie zu implementieren. Das sind keine Hirngespinste. Hier können jetzt aktive strukturpolitische Impulse von der Landesregierung mit gezielter finanzieller Unterstützung diese beschleunigen.

 

An dieser Stelle will ich auch deutlich sagen, auch der Bund steht in der Verantwortung für den Transformationsprozess dieser Industrie. So wie er Verantwortung für die Transformation im Energiebereich für die Umbrüche in der Kohleindustrie wahrgenommen hat, so steht er natürlich auch hier in der Pflicht, diese aktuellen Prozesse in der Automotive-Branche mit zu begleiten. Da könnten sich die Kollegen von der CDU tatsächlich verdient machen, wenn sie in ihren Kreisen der Union auf Bundesebene mit dafür werben, unter anderem ist ja der Vorschlag der Linken zu einer Vier-Tage-Woche in diesem Transformationsprozess auf dem Tisch. Der Chef von Opel hat sich zumindest öffentlich diskussionsbereit dazu gezeigt. Das ist aus unserer Sicht wesentlich effektiver als einen erneuten Autogipfel einzuberufen und politisch induzierte Ideenfindung zu betreiben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Klar ist natürlich auch für uns: Die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiterinnen wird in diesem Prozess eine notwendige Voraussetzung sein. Wir möchten im Rahmen einer Weiterentwicklung der Wirtschaftsdemokratie dort die Mitarbeiterinnenbeteiligung und -verantwortung gezielt stärken, auch bei strategischen Unternehmensentscheidungen. Dort hat es in der Vergangenheit oft genug gehapert. JD Norman ist auch ein Beispiel dafür, dort gibt es über den MDR kolportierte Berichte von den Beschäftigten, dass es seit der Übernahme durch einen amerikanischen Investor überhaupt keine aktive Interessiertheit der Unternehmensleitung zur Zukunft dieses Standorts gegeben hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landespolitik hat bei der Neuausrichtung der Automotive-Branche eine ganz wichtige Aufgabe, nämlich die Aktivierung aller Förderinstrumente, diesen Prozess zu begleiten. Wir sind als Linke davon überzeugt, dass dazu auch ein Transformationsfonds gehört, neben all den anderen Instrumenten, die wir schon eingerichtet haben, Bürgschaften, auch Beteiligungen, um Zukunftspotenzial der Industrie hier in Thüringen zu sichern. Nicht zuletzt dafür haben wir im Sondervermögen mit dem Mantelgesetz noch vor der Sommerpause weitere 20 Millionen Euro reserviert. Wir schlagen zudem eine Investitionsoffensive „Transformation und Transfer“ vor, mit der der Einstieg in einen solidarischen Umbau dieser Branche aktiv begleitet werden soll, damit wir im sozialökologischen Umbau vorankommen, der uns von den äußeren Gegebenheiten aufdiktiert wird und den wir gestalten müssen, damit wir tatsächlich Strukturbrüche in unserem Land vermeiden.

 

Lassen Sie uns jetzt – vor allem im Interesse der Beschäftigten – damit beginnen! Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

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