Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes – Rechtsstellung und Finanzierung der Parlamentarischen Gruppen 2/2

André Blechschmidt

Zum Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/4075

 

Danke, Frau Präsidentin. Vielleicht der kleine Hinweis, die Landesregierung enthält sich, steht zwar da, aber enthält sich bei Fragen, die die Abgeordneten betreffen, erst mal jeglichen Kommentars; ob auch jeglicher Anwesenheit, das könnte man noch klären in Zukunft, ob sie dann da sein könnte oder nicht.

 

Meine Damen und Herren, trotz der, wie ich finde, doch sehr ausführlichen Darstellung des Themas im Rahmen der Berichterstattung zum Gesetzentwurf „Rechtsstellung der Parlamentarischen Gruppe und deren Finanzierung“ möchte ich dennoch ein paar Bemerkungen noch tätigen aus Sicht der Linken.

 

Wir als Linke-Fraktion sind der Auffassung, dass wegen der Scheidelinie der 5-Prozent-Hürde und der an deren Überwindung geknüpften Mindestgröße zur Bildung von Fraktionen die Parlamentarische Gruppe qualitativ klar zu unterscheiden ist. Das macht auch schon die in der Berichterstattung angesprochene verfassungsrechtliche Vorgabe deutlich, insbesondere Artikel 58. Auch in verfassungsgerichtlichen Entscheidungen wird dieser rechtlich qualitative Unterschied deutlich gemacht, so zum Beispiel auch vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 17. September 1997,…

 

Vizepräsidentin Henfling:

 

Herr Blechschmidt, Entschuldigung. Darf ich ein bisschen um Ruhe bitten, es ist sehr laut im Raum. Gehen Sie doch raus!

 

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Wir suchen die Gruppe!)

 

Ja, aber die Gruppe ist nicht notwendig, um die parlamentarische Debatte weiterzuführen, und deswegen würde ich sagen, wir fahren jetzt fort.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Wenn es sogar die Gruppe nicht interessiert, können wir eigentlich aufhören!)

 

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

 

…übrigens zum Gruppenstatus der damaligen PDS. In einem der vorangestellten Orientierungssätze, Orientierungssatz 2 b, heißt es: Ebenso verletzt auch die Nichtanerkennung der Antragstellerin als Fraktion keine Rechte aus dem Grundgesetz Artikel 38 Abs. 1 Satz 2. „Es kommt nicht darauf an, wie viele Mandate der Antragstellerin zur Fraktionsbildung fehlen. Mit der Regelung einer Fraktionsmindeststärke verbindet sich zwangsläufig die Möglichkeit, dass ein Zusammenschluss von Abgeordneten die festgesetzte Zahl auch nur knapp verfehlt.“ So das Bundesverfassungsgerichtsurteil.

Auf den derzeit praktischen Fall der FDP-Gruppe im Thüringer Landtag angewandt bedeutet dies: Es ist zwar bitter, dass der Verlust des Fraktionsstatus am Austritt eines einzigen Abgeordneten hängt, aber wenn eine Fraktionsmindeststärke festgelegt ist, dann ändert auch das Fehlen eines einzigen Mandats nichts daran, dass dadurch der rechtlich qualitative Unterschied zwischen Fraktion und Gruppe eintritt, insbesondere wenn die Mindeststärke Verfassungsrang hat.

 

Zum Punkt „qualitativer Unterschied“ folgendes Beispiel: Die FDP-Fraktion kritisiert, dass die nun in der Beschlussempfehlung enthaltenen 50 Prozent Finanzausstattung eine deutliche Kürzung darstellen zum Vergleich zu der von ihr selbst im Gesetzentwurf verlangten 80-Prozent-Ausstattung und nennt diesen niedrigen Ansatz rechtlich problematisch. In diesem Zusammenhang ist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1991 zu verweisen, das das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Gruppenstatus der Abgeordneten der Linken Liste/PDS im Bundestag gefasst hat. Dort heißt es im Urteilstext und in einem vorgestellten Orientierungssatz, dem Orientierungssatz 8: „Dem Anspruch der Antragstellerin auf eine […] angemessene Ausstattung […] wird durch die ihr zufließenden Haushaltsmittel genügt, die sich aus einem Grundbetrag, den nach der Zahl der Abgeordneten berechneten Zuschlägen sowie den besonderen Zuschlägen für die Oppositionsarbeit zusammensetzen. Bei der Bemessung des Grundbetrages auf die Hälfte des an Fraktionen gezahlten Grundbetrages durfte der [Bundestag] aufgrund einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass die von Gruppen zu bewältigenden Aufgaben in der parlamentarischen Arbeit im allgemeinen geringer sind als die [von Fraktionen].“ Diese eben zitierte Textstelle aus dem Grundsatzurteil von 1991 ist der Ausgangspunkt und die argumentative Grundlage für die in der Beschlussempfehlung gewählten 50 Prozent.

Diese Wertung des Bundesverfassungsgerichts steht auch nicht dem entgegen, dass im neuen § 58 Thüringer Abgeordnetengesetz laut Beschlussempfehlung eine strenge politische Homogenität zwischen den Abgeordneten verlangt wird, so wie sie der Fraktion entspricht. Als Missbrauchsbremse ist eine solche Regelung auch nach Ansicht der Linken sinnvoll.

 

Das Verfassungsprinzip der Funktionsfähigkeit des Parlaments und das Gebot, zu diesem Zweck eine größere Zersplitterung des Parlaments zu verhindern, hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur im Gruppenurteil von 1991 betont, sondern auch die thematische Nachfolgeentscheidung des oben genannten Beschlusses von 1997. Auch dort wird zum praktischen Fall einer PDS-Gruppe entschieden.

 

Auch andere Verfassungsgerichte wie das brandenburgische in seinem Urteil zum Gruppenstatus vom 22.07.2016 betonen die Bedeutung dieses Prinzips. Jetzt wird die FDP-Gruppe vielleicht darauf verweisen, dass im Orientierungssatz der brandenburgischen Entscheidung steht: „Fraktionen und […] Gruppen […] unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch ihre […] Größe.“ Aber diese Aussage des Gerichts ist auch im Zusammenhang mit dem Artikel 67 der Brandenburgischen Verfassung zu sehen, der die Bildung von Fraktionen regelt, aber anders als Artikel 58 der Thüringer Verfassung keine Mindeststärke zur Bildung von Fraktionen enthält. Weil hier Artikel 58 der Thüringer Verfassung ausdrücklich eine Regelung zur Mindeststärke von Fraktionen trifft, lässt sich die Rechtsprechung aus Brandenburg in diesem Punkt nicht einfach auf Thüringen übertragen. Der Wortlaut des Artikels 58 Thüringer Verfassung bildet hier den entscheidenden qualitativen Unterschied. In der Randnummer 159 der brandenburgischen Entscheidung weist das dortige Verfassungsgericht selbst auf diesen qualitativen Unterschied hin und schreibt: „Im Unterschied zu den Fraktionen wird eine Gruppe jedoch nicht durch Art. 67 Landesverfassung eigenständig verfassungsrechtlich anerkannt. Demzufolge kommt ihr auch nicht derselbe verfassungsrechtliche Status zu, der durch Art. 67 Abs. 1 Landesverfassung und die daran anknüpfenden weiteren verfassungsrechtlichen Vorschriften […] vermittelt wird. […] Der Antragsgegner“ – gemeint ist der Landtag Brandenburg – „ist bei der Ausgestaltung ihrer parlamentarischen Mitwirkungsbefugnisse nicht verpflichtet, einer Gruppe alle diejenigen Rechte zu gewähren, die einer Fraktion zustehen, hat aber gleichwohl dafür Sorge zu tragen, dass eine Gruppe den mit ihrer Gründung verfolgten Zwecken so weit wie möglich gerecht werden kann.“ Diese Sichtweise deckt sich mit den Bundesverfassungsgerichtsurteilen, die ich hier schon zitiert habe.

 

In der Randnummer 176 der brandenburgischen Entscheidung wird verlangt, dass die finanzielle Ausstattung der Gruppe strukturell der der Fraktion nachgebildet sein muss, dass es aber in der Höhe sehr wohl Abschläge bedarf, so ausgeführt in der Randnummer 174. Es ist genau das Strukturprinzip, der in der Beschlussempfehlung gewählten Regelung.

 

Mit Blick auf die gesamte verfassungsrechtliche Rechtsprechung zum Thema erfüllt nach Ansicht der Linken-Fraktion der vorliegende Gesetzentwurf in Fassung der Beschlussempfehlung, auch nach Überarbeitung in der Beschlussempfehlung, gesellschaftspolitisch, parlamentspragmatisch und rechtlich seine Funktion. Der Thüringer Landtag betritt hier später als andere Parlamente in gewisser Weise Neuland, deshalb muss der Landtag auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Debatte beobachten, inwieweit diese Wirkung entfalten.

 

Ein Gedanke am Ende: Bei aller Ernsthaftigkeit möchte ich es etwas spaßiger vortragen. Im Änderungsantrag der Parlamentarischen Gruppe zur aktuellen Beschlussempfehlung wird noch mal ein Parlamentarischer Geschäftsführer für die Gruppe eingeführt. Wir haben dann mittlerweile einen Vizepräsidenten der Gruppe, der honoriert wird, wir hätten einen Sprecher, der in Größenordnung alimentiert wird nach FDP-Vorschlag, wir hätten dann einen Parlamentarischen Geschäftsführer, der entsprechend gut honoriert wird.

 

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fehlt nur noch die eine Frau im Bunde!)

 

Ich finde es inkonsequent. Normalerweise hätte ich gedacht, dass Sie jetzt für den Schriftführer,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

das wäre dann die Nummer 4 in Ihrer Gruppe, die Schriftführerin eine entsprechende Zulage beantragen, damit man hier entsprechend vernünftig und gleichberechtigt innerhalb der Gruppe arbeiten kann. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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