Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes – Rechtsstellung und Finanzierung der Parlamentarischen Gruppen 1/2

André Blechschmidt

Zum Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/4075

 

Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, ich warne Sie gleich vor, die Berichterstattung wird doch ein wenig umfangreicher sein, nicht, weil sie das allemal verdient hat, sondern weil es grundsätzlich auch verfassungsrechtliche Diskussionen im Ausschuss gegeben hat, die man hier doch mit entsprechendem Umfang darstellen sollte.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes wurde durch Beschluss des Landtags in seiner 58. Sitzung am 23. September an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs wurden rechtliche Grundsatzfragen im Zusammenhang mit dem Gruppenstatus eingehend diskutiert. Eine besondere Rolle spielte hier das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte und auch von Verfassungsgerichten der Länder angewandte sogenannte Abstandsgebot zwischen Fraktionen und Parlamentarischen Gruppen. Dieses Abstandsgebot wird als Unterscheidungsmerkmal für notwendig erachtet, weil die Bildung von Fraktionen entsprechend der Thüringer Verfassung, Artikel 58, und § 44 Thüringer Abgeordnetengesetz die überwindung der Fünfprozenthürde und den regulären Einzug in den Landtag voraussetzt. In Artikel 58 Thüringer Verfassung heißt es dazu: „Abgeordnete der gleichen Partei oder Liste haben das Recht, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen.“ Dort heißt es weiter: „Die Anzahl der Fraktionsmitglieder muss mindestens dem Stimmenanteil entsprechen, der nach Artikel 49 Abs. 2 für die Zuteilung von Landtagssitzen erforderlich ist.“ Damit ist faktisch nichts anderes gemeint, als die erfolgreiche Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde.

 

Der mit der Weiterberatung des Gesetzentwurfs beauftragte Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat den Gesetzentwurf in seiner 28. Sitzung am 15. Oktober 2021 beraten und zwar einmalig und abschließend, aber in einer sehr intensiven inhaltlichen Debatte. Vor allem die Diskussion um die praktische Ausgestaltung des oben genannten Abstandsgebots und damit der konkreten Ausgestaltung des Gruppenstatus in der gesetzlichen Neuregelung nahm breiten Raum ein. Da die schon oben erwähnten anderen Parlamente und auch die oben angesprochenen Verfassungsgerichte im Detail durchaus unterschiedliche Regelungen gewählt und für rechtens befunden haben, gibt es mit Blick auf die Thüringer Regelung nicht nur die eine rechtlich mögliche und zulässige Lösung.

 

Deshalb wird es auch niemanden verwundert haben, nun im Rahmen der Berichterstattung zu erfahren, dass es mit Vorlage 7/2794 in der Ausschussberatung einen Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum FDP-Gesetzentwurf gab. Die in der ersten Beratung sichtbar gewordenen kontroversen Diskussionen setzten sich somit im Ausschuss fort. Die FDP vertritt in ihrem Gesetzentwurf die Position, dass die Parlamentarische Gruppe wie eine „kleine Fraktion“ zu behandeln ist. Das soll heißen: Wenn die Parlamentarische Gruppe finanzielle Mittel in Höhe von 80 Prozent der für Fraktionen gewährten Ausstattung weitergezahlt bekommt, soll das Abstandsgebot immer noch gewährleistet sein. Die Fraktionen Die Linke, CDU, SPD und Grüne sehen das in ihrem Änderungsantrag durchaus anders.

 

In der Ausschussdebatte wurde auch darauf verwiesen, dass Fraktionen und Parlamentarische Gruppen qualitativ unterschiedliche Strukturen sind, sich also nicht nur nach ihrer Größe unterscheiden. Deshalb sieht der Änderungsantrag für die Gruppe eine Finanzausstattung von 50 Prozent vor. Auch für die finanzielle Ausstattung des Gruppensprechers bzw. der Gruppensprecherin sieht der FDP-Gesetzentwurf das 80-Prozent-Modell vor. Auch hier ging der Änderungsantrag der vier Fraktionen zusammen mit einem Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen in Vorlage 7/2795 einen anderen Weg.

 

Meine Damen und Herren, es gibt hinsichtlich der Zulässigkeit von Zusatzentschädigungen für Funktionen des Parlamentarischen Geschäftsführers entsprechende verfassungsrechtliche Rechtsprechungen und geltende Regelungen aus anderen Bundesländern. Im Rahmen der Beratung zum Gruppenstatus wurde nun in der Ausschussberatung die Übernahme dieses Modells anderer Bundesländer für den Thüringer Landtag zur Abstimmung gestellt. Dazu wurde ein – lassen Sie es mich so formulieren – „moderater Modellwechsel“ gewählt. Statt der bisher steuerfreien – ich betone steuerfreien – Aufwandspauschale soll zukünftig an einen Parlamentarischen Geschäftsführer je Fraktion eine steuerpflichtige Zusatzdiät gezahlt werden und zwar in der Höhe von 28 Prozent der Grunddiät der Abgeordneten. Das entspricht der Zusatzdiät als Funktionszulage, die derzeit auch Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten des Landtags bekommen. So sieht es der Viererfraktionsantrag vor.

 

Der oben genannte Dreierfraktionsantrag nimmt die Übertragung des neuen – in Anführungszeichen – PGF-Modells auf die Sprecherin bzw. Sprecher von Parlamentarischen Gruppen vor, wobei Doppel- oder gar Mehrfachspitzenmodelle keine finanzielle Untersetzung finden sollen. Gleichzeitig wird der Regelungszusammenhang zwischen Sprecher der Gruppe und dem PGF sichtbar.

 

Da beide oben genannten Änderungsanträge eine Mehrheit im Ausschuss fanden, sind nun alle Änderungen aus diesen Anträgen Bestandteil der vom Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz am 15.10. verabschiedeten Beschlussempfehlung geworden. Diese liegt nun in der Drucksache 7/4221 ebenfalls dem Plenum zur Beratung und Entscheidung vor. Dabei sei erwähnt, dass es hinsichtlich der Vorschläge in den Änderungsanträgen auch in der Ausschussdiskussion noch Änderungen gab, die dann von der Beschlussempfehlung ebenfalls aufgenommen, abgestimmt und angenommen wurden.

 

So wurde zum Beispiel hinsichtlich der finanziellen Ausstattung der Parlamentarischen Gruppe eine Regelung zur Verrechnung mit bis zur Neuregelung gewährten Geldleistungen in das Gesetz aufgenommen. Dieses Verrechnungsverfahren war zwischen allen Fraktionen und der Parlamentarischen Gruppe schon im Ältestenrat diskutiert und vereinbart – dies auch mit Blick auf das rechtliche Gebot der Verhinderung von Doppelfinanzierungen und des möglichst eben auch wirtschaftlichen, sprich sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln. Da aber die Regelung zum Gruppenstatus, um Rechtsunsicherheiten für die Übergangssituation zu vermeiden, rückwirkend in Kraft treten soll, hielt es die Ausschussmehrheit für geboten, diese Frage der Verrechnung von Leistungen nun ausdrücklich ins Gesetz zu schreiben.

 

Meine Damen und Herren, aus dem oben genannten Vier-Fraktionen-Antrag seien noch folgende Änderungen genannt, die in der Ausschussberatung debattiert wurden: Um allen Beteiligten die Konstituierung bzw. den Übergang in den Gruppenstatus zu erleichtern, findet in den Fällen, in denen die Gruppe aus einer Fraktion entsteht, die ihren Fraktionsstatus verloren hat, keine Liquidation statt. Allerding soll nun zukünftig zum Stichtag des Statuswechsels durch die Parlamentarische Gruppe eine Abschlussbilanz und ein Abschlussinventar bezogen auf die weggefallene Fraktion erstellt und der Landtagspräsidentin bzw. dem Landtagspräsidenten übergeben werden. Dies soll wirtschaftliche bzw. finanzielle Transparenz im Übergangsprozess gewährleisten.

 

Die aktuelle Diskussion um die Neuregelung zum Gruppenstatus wird im Vier-Fraktionen-Antrag bzw. in der Beschlussempfehlung genutzt, um zwei inhaltliche Punkte zu regeln, die nach Ansicht der Ausschussmehrheit aus sachlichen Gründen ebenfalls einer Neugestaltung bedürfen, auch wenn sie mit dem Gruppenstatus nicht unmittelbar zu tun haben. Zum einen betrifft das die Aufstockung der Mittel für die Büroausstattung der Abgeordneten. Seit der letzten Anhebung der Erstattungssätze sind etliche Jahre vergangen – ich muss gestehen, ich bin lang genug da, ich kann mich nicht entsinnen, wann die irgendwann mal angepasst worden sind, aber das nur als Nebenbemerkung –, in denen die Digitalisierung der Alltagsarbeit in den Abgeordnetenbüros und damit auch die Büroausstattung zugenommen hat. In der Ausschussberatung wurde in mehreren Diskussionsbeiträgen darauf verwiesen, dass vor diesem Hintergrund die Anhebung des Erstattungssatzes für die Erstausstattung von – in Anführungszeichen – Neuankömmlingen auf 5.000 Euro und für die Ersatzausstattung von – in Anführungsstrichen – Wiedereinziehenden auf 3.000 Euro gestaltet werden soll. In Zukunft wird es auch einmal pro Wahlperiode eine Überprüfung auf Anpassungsbedarf der Erstattungssätze geben. Diese Problematik einschließlich der Übergangsbestimmung sind im neuen § 60b geregelt.

 

Zum anderen werden auch die Erstattungssätze angehoben, die Abgeordnete für die Vergütung der persönlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten. Die Aufstockung von E9 auf E11 ist der Weiterentwicklung des Tätigkeitsbilds dieser Beschäftigtengruppe und der Zunahme des Arbeitsanfalls in den Abgeordnetenbüros geschuldet. Auch hier sei mir eine persönliche Bemerkung gestattet als ehemaliger Wahlkreismitarbeiter: Das war schon längst fällig.

 

(Beifall DIE LINKE, CDU)

 

Aus der Begründung des Vier-Fraktionen-Antrags ist ersichtlich, dass diese gesetzliche Veränderung auch ein entsprechendes Funktionsbild in den zukünftigen Arbeitsverträgen bedingt.

 

Meine Damen und Herren, auch der Verlauf der Ausschussberatungen macht hier deutlich, die am Übergangsprozess Beteiligten sind sich durchaus folgender Tatsache bewusst gewesen: Die aktuelle Situation mit dem Wegfall einer Fraktion und mit der Entstehung einer Parlamentarischen Gruppe benötigt möglichst schnell eine vom Einzelfall losgelöste und auf längerfristige Dauer angelegte Klärung. Dies ist notwendig, um die möglichst bruch- und reibungslose Weiterführung der Parlamentarischen Arbeitsabläufe sicherzustellen – Stichwort „Haushalt“.

 

Der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat mehrheitlich unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung den Gesetzentwurf angenommen. Danke.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien