Fünftes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes (Thüringer Gesetz zur Unterstützung einer eigenständigen Jugendpolitik)

Kati Engel

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6068

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen, der Landtag hat sich mit Beschluss vom September letzten Jahres zur Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik für Thüringen bekannt. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Ausweitung der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte von Kindern und jungen Menschen. Wir Koalitionsfraktionen verstehen die Belange Jugendlicher als politische Gesamtaufgabe, die sich durch alle Ressorts und Verwaltungsebenen zieht und alle Beteiligten an einen Tisch holt. Wir wollen nicht mehr nur über, sondern endlich auch mit Kindern und Jugendlichen reden und diese in Entscheidungsprozesse auch aktiv einbinden.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Stärkung und die bedarfsgerechte Ausgestaltung der Jugendarbeit, der Jugendverbandsarbeit sowie der Jugendsozialarbeit, welche für uns sowieso zur sozialen Daseinsvorsorge gehören, sind dabei ein zentrales Element einer eigenständigen Jugendpolitik. Unser Ziel ist eine jugendgerechte Politik, die ressortübergreifend positive Rahmenbedingungen für ein gelingendes Aufwachsen aller Kinder und Jugendlichen in Thüringen schafft.

 

Der nun heute zu beratende Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetzes sieht daher insbesondere folgende Neuregelungen vor: Die Verbesserung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte junger Menschen, die gesetzliche Verankerung der örtlichen Jugendförderung, die Stärkung der Jugendverbandsarbeit, die gesetzliche Verankerung der Schulsozialarbeit sowie die Einführung eines regelmäßigen Berichts über die Lebenslagen junger Menschen in Thüringen. Kinder und Jugendliche sind sowohl nach den UN-Kinderrechten, aber auch nach dem Sozialgesetzbuch VIII an allen sie betreffenden Angelegenheiten und Entscheidungen zu beteiligen. Um dieses Recht weiterhin umzusetzen und auszubauen, wollen wir die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Jugendhilfeausschüssen und im Landesjugendhilfeausschuss festschreiben.

 

Außerdem konkretisieren wir die Beteiligungsrechte der Kinder und Jugendlichen im Bereich der Jugendhilfeplanung und stärken diese, denn gerade Beteiligung ist jungen Menschen enorm wichtig. Über die Hälfte der Kinder in Thüringen würde gern an Entscheidungen zum Beispiel in ihrer Gemeinde teilhaben. Aber mehr als die Hälfte der Kinder glaubt nicht, dass ihre Meinung ernst genommen wird. Dabei steht gerade die Einschätzung, dass die eigene Stimme Gehör findet, in engem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden. So berichtet das LBS-Kinderbarometer immer wieder, dass Kinder und Jugendliche, welche der Auffassung sind, dass ihre Meinung erst genommen wird, sich wohler fühlen als Kinder, die nicht diese Ansicht teilen. Die Studie: Kinderbeiräte und Stiftungen von 2013 zeigte klar, dass Kinder und Jugendliche, die in Entscheidungsprozesse eingebunden wurden, sich auch später in der Gesellschaft aktiv beteiligten. Ebenso ist der deutsche Kinderschutzbund der Auffassung, dass Partizipation ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung der Demokratie ist. In diesem Sinne erfordert das Aufwachsen in einer demokratischen Gesellschaft eine möglichst frühe und umfassende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Planungen, Maßnahmen und Entscheidungen. Dies dient nicht nur ihrer Persönlichkeitsentwicklung, hierdurch ergibt sich auch die Chance, bislang nicht beachtete Aspekte einer Maßnahme oder Entscheidung überhaupt erst einmal zu bemerken und zu analysieren. Mit der gesetzlichen Verankerung des Förderprogramms „Örtliche Jugendförderung“, kurz auch Jugendpauschale genannt, erhalten nicht nur die Landkreise und kreisfreien Städte eine höhere Planungssicherheit, auch für Fachkräfte und junge Menschen ergibt sich dadurch mehr Verlässlichkeit und Kontinuität. Zweck der örtlichen Jugendförderung ist die Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Erfüllung ihrer bestehenden Aufgaben in den Bereichen Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit, Jugendsozialarbeit und Kinder- und Jugendschutz sowie im Bereich der ambulanten Maßnahmen für straffällige junge Menschen. Mittels der örtlichen Jugendförderung werden überwiegend Personalausgaben finanziert. Die gesetzliche Verankerung ist demnach auch ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit der Arbeitnehmerinnen in diesem Bereich, denn mit der gesetzlichen Verankerung gibt es keinen Grund mehr, Arbeitsverträge der Fachkräfte zeitlich an die Laufzeit der Richtlinie zu binden. Wir alle wissen, dass Befristung gute Arbeit verhindert, denn befristete Beschäftigte schleppen sich öfter krank zur Arbeit, nehmen seltener Urlaub und überfordern sich häufiger. Befristungen schaffen Unsicherheit und erschweren eine verlässliche Lebensplanung. Ängste um die berufliche Zukunft sind daher bei Befristeten doppelt so stark verbreitet wie bei Unbefristeten. Gute Arbeit kann daher nur unbefristet sein. Wir stärken außerdem die Jugendverbandsarbeit und würdigen damit auch das große ehrenamtliche Engagement junger Menschen, das damit einhergeht. Wir Koalitionsfraktionen messen den Jugendverbänden und ihren freiwilligen Zusammenschlüssen eine besondere Bedeutung in der Jugendhilfelandschaft bei, denn sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung.

 

Jugendverbände regen Kinder und Jugendliche zur Selbstbestimmung an, fördern gesellschaftliche Mitverantwortung sowie soziales Engagement. Jugendverbandsarbeit ist mehr als bloße Freizeitgestaltung. Sie ist eine grundlegende Orientierungshilfe in der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen. Als Zusammenschlüsse von Heranwachsenden mischen sich die Jugendverbände außerdem in politische Prozesse ein und vertreten die Anliegen der jungen Generation. Jugendverbandsarbeit ist somit der Motor einer mitwirkungsorientierten eigenständigen Jugendpolitik.

 

Weiterhin stärken wir die schulbezogene Jugendsozialarbeit an Thüringer Schulen als eine besondere Form der Jugendsozialarbeit, denn durch die schulbezogene Jugendsozialarbeit wird die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule verwirklicht. Die Schulsozialarbeit dient der individuellen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, indem diese über das schulische Angebot hinaus ihre Fähigkeiten entfalten, Anerkennung erfahren und soziale Prozesse gestalten können. Soziale Benachteiligung, individuelle Beeinträchtigung und strukturelle Nachteile werden durch die Schulsozialarbeit abgebaut, indem Ausgrenzung und Risiken des Scheiterns entgegengewirkt wird. Durch sie werden junge Menschen zur Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen befähigt. Mit der gesetzlichen Verankerung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit schaffen wir auch hier nicht nur mehr Planungssicherheit für die Landkreise und kreisfreien Städte, sondern für die Sozialarbeiterinnen und Schülerinnen ergibt sich auch mehr Verlässlichkeit und Kontinuität. Dies ist nicht nur ein wichtiger Schritt hin zu guter Arbeit, sondern auch die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne einer ressortübergreifenden eigenständigen Jugendpolitik.

 

Als Umsetzung des Beschlusses des Thüringer Landtags vom September 2017 zur eigenständigen Jugendpolitik haben wir ebenfalls die Erstellung eines Berichts über die Lebenslagen junger Menschen in Thüringen verankert. Beginnend ab dieser Legislaturperiode soll künftig alle fünf Jahre ein Bericht über die Lebenslagen junger Menschen in Thüringen erstellt werden. Dieser soll eine Darstellung über die Lebenssituation junger Menschen in Thüringen sowie die wichtigsten Entwicklungstendenzen der Jugendhilfe enthalten. Ziel der Berichterstellung ist es, einerseits fundierte Kenntnisse als Planungsgrundlage weiterer jugendpolitischer und sozialer Maßnahmen zu erhalten, andererseits werden dadurch auch junge Menschen, zum Beispiel durch Befragungen, zumindest indirekt an diesen Planungsprozessen beteiligt.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Rot-Rot-Grün mit diesem Gesetzentwurf die Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen stärkt und weiter ausbaut. Denn insbesondere die Beteiligung junger Menschen braucht Ernsthaftigkeit durch gesetzlich verbriefte Rechte und verlässliche Strukturen sowie Kontinuität bei den Angeboten der Jugendarbeit und der politischen Jugendbildung. In diesem Sinne ist dieser Gesetzentwurf die Grundlage für eine eigenständige Jugendpolitik in Thüringen.

 

Wir sichern die Jugend- und die Schulsozialarbeit langfristig und schaffen für alle Beteiligten endlich Planungssicherheit. Und wir schaffen ebenso Bedingungen für gute Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe. Ich freue mich daher sehr, diesen Antrag im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport weiter beraten zu können und in einer Anhörung mit allen Beteiligten darüber ins Gespräch zu kommen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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