Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Einführung von Verfassungsreferenden)

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2559


Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich werde heute das Gefühl nicht los, dass wir über Gesetzesvorlagen oder Initiativen der AfD reden, die irgendwie mit Zwang und Diktatur zu tun haben. Wir wollen dort Menschen eine Kleidungsvorschrift auferlegen und hier wollen wir Menschen zwingen, ständig über alles und jeden abstimmen zu müssen. Es ist wirklich Zwang und Diktat. Ich weiß nicht, in welcher Demokratie oder in welcher Staatsform Sie leben wollen.


(Heiterkeit AfD)


Das hat mit Demokratie nichts zu tun. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfehlt die AfD nach Ansicht der Linke-Fraktion im populistischen Übereifer das Ziel der Stärkung der direkten Demokratie. Mit der gewählten Ausgestaltung werden die direkte Demokratie und die Demokratie überhaupt sogar ein Stück weit geschwächt. Die AfD will, dass zukünftig alle Verfassungsänderungen durch Volksentscheid bestätigt werden müssen, um überhaupt wirksam zu werden. Damit ist faktisch eine Art genereller Abstimmungszwang für solche Verfassungsänderungen eingeführt. Will man solche Zwangselemente in die Demokratie einführen, muss man sich sehr gut überlegen, ob diese weitreichende Festlegung sinnvoll und notwendig ist.


Zu bedenken ist aber, im Vergleich zu einem zwingenden Referendum – wie es die AfD will – gibt das Modell des fakultativen Referendums den Bürgern mehr demokratische Selbstbestimmung. Denn beim Fakultativmodell signalisieren die Bürgerinnen und Bürger selbst, ob sie bezogen auf eine bestimmte Verfassungsänderung überhaupt die Notwendigkeit einer besonderen zusätzlichen Bestätigung dieser Verfassungsänderung durch die Stimmberechtigten sehen. Dieses Fakultativreferendum lässt sich auch auf Gesetzentwürfe anwenden, die Verfassungsänderungen enthalten.


Nach Ansicht unserer Fraktion sollte sich der Landtag für die Fortentwicklung der direkten Demokratie durch Referendum auf das Fakultativmodell konzentrieren und wie schon zu einem anderen TOP gesagt, möglichst ohne Finanztabu und Abgabenvorbehalt. Der Verzicht auf Finanztabu und Abgabenvorbehalt beim Referendum, auch beim fakultativen, ist wichtig, damit erstens die Bürgerinnen und Bürger wirkliche Entscheidungsbefugnisse bei möglichst vielen Sachthemen haben, denn diese derzeit in Thüringen bestehenden Abstimmungsverbote bei Themen mit finanziellen Auswirkungen entziehen einen sehr großen Teil der möglichen Themen der tatsächlichen Bürgermitbestimmung. Er ist auch wichtig, damit es zweitens die Bürgerinnen und Bürger auch selbst in der Hand haben, über was sie abstimmen wollen und welche Themen sie für nicht so entscheidend halten.

An diesem Punkt wird auch deutlich, warum sich unsere Fraktion zu dem CDU-Gesetzentwurf zur Einführung des fakultativen Referendums politisch anders verhält als zum vorliegenden AfD-Gesetzentwurf. Deshalb ist dieser vorliegende Gesetzentwurf für uns nicht zustimmungsfähig.


Ein weiterer inhaltlicher Problempunkt ist: Es soll in der Verfassung ein Zustimmungsquorum von 50 Prozent der Abstimmenden festgeschrieben werden. Das Quorum von 50 Prozent der Abstimmenden kann bei einer sehr niedrigen Beteiligungsquote, zum Beispiel ein Anteil von nur 5 Prozent aller Wahlberechtigten, sein, dann hat die Verfassungsänderung nur ein geringes Legitimationsniveau. Das ist für so grundlegende Bestimmungen mit Blick auf das Demokratieprinzip problematisch.

Nicht umsonst wird im Landtag eine Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen verlangt. Ist die Abstimmungsbeteiligung sehr hoch und die Meinungsbildung unter den Abstimmenden ziemlich komplex, wird es sehr schwierig, die 50 Prozent Zustimmung zu erreichen. Zwar sieht Artikel 83 Abs. 2 Thüringer Verfassung derzeit auch ein Beteiligungsquorum von 40 Prozent auf der Ja-Seite vor, allerdings geht es dort um Volksentscheide nach einem Volksbegehren. Nach Erfahrungen aus stärker direkt-demokratisch geprägten Ländern ist das eine sehr hohe Legitimationshürde.

Das von der AfD vorgeschlagene Quorenkonstrukt verbunden mit dem Modell des Zwangsreferendums zu jeder Verfassungsänderung kann dagegen zu einer unguten Erstarrung und Zementierung der Verfassung führen. Dass sich aber Verfassungen gesellschaftspolitisch fortentwickeln und auch fortentwickeln müssen, zeigt schon ein Vergleich von Grundgesetz und der Thüringer Landesverfassung, verabschiedet 1993. Anders als im Grundgesetz ist in der Thüringer Landesverfassung das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von Anfang an ausdrücklich verankert. Dieses Grundrecht wurde schon im Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1983 entwickelt. Anders als im Grundgesetz ist in der Thüringer Landesverfassung ein Diskriminierungsverbot bezogen auf die sexuelle Orientierung enthalten.


Die Linke-Fraktion lehnt daher aus den oben genannten Gründen den vorliegenden AfD-Gesetzentwurf ab und favorisiert stattdessen die Einführung eines fakultativen Referendums auch für Verfassungsänderungen. Ich danke Ihnen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dateien