Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen – Deutsch als Landessprache

Anja Müller

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 7/2797

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schon mal gut, dass wir uns heute sehr sachlich damit auseinandersetzen, denn, ich glaube, so witzig auch der Beitrag beim letzten Mal war, es hat aufgeschreckt, aber diese Aufmerksamkeit haben dieser Gesetzentwurf der AfD und die AfD in Gänze einfach nicht verdient. Lustig machen Sie sich von allein. Das mache ich jetzt mal an dem, was eben geäußert worden ist: Das arabische Wort „Suffa“ heißt „gepolsterte Ruhebank“ und wurde aus dem 17. Jahrhundert dann ins Deutsche übernommen. Also auch das zeigt schon, dass die AfD sich eigenständig lächerlich macht.

 

Aber nun zum Gesetzentwurf: Der vorliegende Gesetzentwurf zu Deutsch als Landessprache in Thüringen wärmt offensichtlich eine Initiative der AfD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2018 auf. Dort ging es um Deutsch als Landessprache im Grundgesetz. Diese parlamentarische Aktion hat viel berechtigte Kritik und Ablehnung erfahren. Interessanterweise findet sich im Grundgesetz keine ausdrückliche Festlegung einer Landessprache – und das aus gutem Grund. Die Erarbeiter/-innen des Grundgesetzes waren sich offensichtlich nach den Erfahrungen der Nazizeit bewusst, das alles in Richtung nationalistischer Deutschtümelei im Grundgesetz nichts zu suchen hat.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD geht eben in die Richtung Deutschtümelei. In anderen Bundes- und Landesgesetzen gibt es zu Recht nur die sachliche Festlegung von Deutsch als Amtssprache, das aber als Kommunikationssprache der Behörden und öffentlichen Stellen. Doch niemand ist gezwungen, deutsch zu sprechen bei den Behörden. Das macht es auch deutlich, dass es den Anspruch auf Dolmetscherleistungen eben auch gibt. Die Sprache wurde von den Menschen entwickelt – das haben viele Rednerinnen auch hier schon deutlich rübergebracht –, um sich gegenseitig besser zu verstehen und besser gemeinsam handeln zu können. Sprache ist dazu da, Menschen zusammenzubringen, gemeinsam tätig zu sein. Es ist also ein Missbrauch von Sprache, wenn sie dazu benutzt wird, Menschen auszugrenzen und auszuschließen und eine künstliche Trennung zu schaffen vom Wir und die Anderen.

 

Nun spricht die Einleitung des Gesetzentwurfs davon, die Sprache diene zur kulturellen Selbstverständigung. Verstanden als Abgrenzung und Ausgrenzung ist das ein völlig falsches Verständnis von Sprache und ist aus humanistischer Sicht auch abzulehnen. Für eine klare gesellschaftspolitische Bewertung des Gesetzentwurfs muss er in den Gesamtzusammenhang der AfD-Ideologie gestellt werden. So betrachtet, muten dann bestimmte Aussagen im Vorblatt des Gesetzentwurfs zynisch an, denn die dort genannten Parallelgesellschaften – das hat Frau Baum eben auch schon erwähnt – entstehen vor allem dadurch, dass die teutonische oder deutsche Mehrheitsgesellschaft Menschen auch mit Migrationshintergrund vom Zugang zu Gesellschaft aussperrt. Migrantinnen werden in Deutschland in vielen Fällen im Alltag noch immer behindert beim Zugang zu Angeboten, um beispielsweise auch die deutsche Sprache zu erlernen. Das ist faktisch eine Diskriminierung. Es ist gerade die AfD, die solche Ausgrenzungsmechanismen propagiert. Es ist gerade die AfD, die die rot-rot-grüne Koalition für die Schaffung solcher Unterstützungsangebote zum Spracherwerb kritisiert. Daher sind die Aussagen im Vorblatt zu Sprache als Tür zur Bildung einfach zynisch.

 

In der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs bezeichnete der Redner der AfD-Fraktion das Konzept des Gendermainstreamings auch bezogen auf den Sprachgebrauch als Ideologie. Nein, das Konzept ist hilfreich, um umfassende Gleichstellung zu verwirklichen. Aber Deutsch als Landessprache, nicht nur als Amtssprache in die Verfassung schreiben zu wollen, das ist Ideologie, und zwar eine rechte und eine nationalistische.

 

Deutschland war und ist schon immer ein Einwanderungs- und auch ein Auswanderungsland. Es sind schon immer Menschen mit den unterschiedlichsten Sprachen nach Deutschland gekommen. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands wurde nicht immer nur deutsch gesprochen. Landesteile gehörten früher zu Dänemark, zu Frankreich oder aber auch zu Schweden. In früheren Jahrhunderten wohnten hier im östlichen Teil der Republik auch sehr viele Menschen, die slawisch gesprochen haben. Städtenamen wie Berlin erinnern noch daran. Für die heutigen Sorben in der Lausitz gilt das noch immer. Für viele Menschen ist aber auch die Muttersprache ein Stück Identität, aber meist in einem weltoffenen Sinne. Meist ist es verbunden mit Interesse an anderen Sprachen, vor allem am Erlernen anderer Sprachen. Viele Menschen sind hierzulande wegen ihrer eigenen Biografie, ihres Familienhintergrunds von Kindheit an mehrsprachig. Manche Menschen werden aus biografischen Gründen in ihrem späteren Leben mehrsprachig. All diese Menschen sind in sehr vielen Fällen ganz selbstverständlich und gleichzeitig in diesen verschiedenen Sprachen zu Hause. Zum Glück besteht das eigene Selbstverständnis für die sehr vielen Menschen in unserer Gesellschaft auch aus kultureller Vielfalt. In Thüringen wohnen viele Menschen mit sehr vielfältigen Sprachkenntnissen und mit vielfältigem Sprachgebrauch, also mit mehrdimensionaler Sprachidentität. Und das ist für unsere Gesellschaft und den Alltag sehr bereichernd. Damit steht auch fest, im Alltag von Thüringen und seiner Bewohnerinnen gibt es nicht nur eine Landessprache, sondern viele. Der Freistaat, der von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern gebildet wird, ist ganz real vielsprachig.

 

Ich will ein bisschen abkürzen, denn vieles ist schon gesagt.

 

Es gab im Jahr 2001 eine Petition an den Deutschen Bundestag. Die ist sehr intensiv und kontrovers diskutiert worden. Da ging es um Deutsch als Landessprache im Grundgesetz, damit hat sie sich auseinandergesetzt. Diese Petition wurde vom Verein Deutsche Sprache auf den Weg gebracht. Soweit ersichtlich, hat dieser Verein keine rechten Anwandlungen. Ihm geht es oder ging es tatsächlich um die Pflege der Sprache, so zum Beispiel um das Zurückdrängen von so genanntem Denglisch, also der Verwendung von englischen oder auch nur so aussehenden Wörtern, um modern zu erscheinen. Der schon länger gebräuchliche Begriff des Showmasters für Moderatoren für Unterhaltungssendungen ist ein Beispiel dafür. Diesen Begriff gibt es in der englischen Sprache nicht.

 

Ein neues Beispiel stammt aus dem Sprachgebrauch der Deutschen Bahn: der Infopoint. Die Deutsche Bahn hat es nach deutlicher Kritik wieder umbenannt. Jetzt heißt es „Information“. Doch die Einreicher der Petition mussten sich mit Recht die kritischen Fragen gefallen lassen, welche deutsche Sprache denn bewahrt werden soll und ob ein solches Ansinnen gar eine Bedrohung für das Überleben einer Sprache ist, denn Sprache ist immer ein lebendiges Abbild der Gesellschaft, die die Sprache benutzt. Sie entwickelt sich weiter – das haben viele immer wieder betont –, daher sind schon immer Wörter und Begriffe in die deutsche Sprache eingewandert.

 

Jetzt nenne ich Ihnen noch ein paar Beispiele: Die Begriffe „Mauer“, „Ziegel“ und „Fenster“ kommen aus dem Lateinischen. Jetzt nenne ich Ihnen den historischen Hintergrund, weil das hier ist auch eine kleine Bildungsveranstaltung. Die Verwendung dieser Baumaterialien ist mit den Römern in das Gebiet des heutigen Deutschlands gekommen. Aus der islamischen und der arabischen Sprache stammen wissenschaftliche Disziplinen und Begriffe wie „Chemie“ und „Algebra“, das „Sofa“ – habe ich eben noch mal erläutert –, der „Schal“, aber auch der „Zucker“. Aus Italien stammen Begriffe der Musik. Das ist die „Oper“, die „Sinfonie“. Begriffe des bargeldlosen Zahlungsverkehrs kommen wie gesagt aus Italien, zum Beispiel das „Girokonto“ und der „Saldo“. Aus Griechenland und Frankreich sind Einrichtungen und Begriffe in Politik, Wissenschaft und Verwaltung nach Deutschland gekommen, wie „Demokratie“, „Philosophie“, „Minister“, „Kabinett“, „Ressort“ und auch das „Büro“.

 

Im Gegenzug sind deutsche Begriffe in andere Sprachen eingewandert. Da nenne ich gerne das Wort „Kindergarten“, die Welt spricht „Kindergarten“.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich nenne den Begriff „Waldsterben“ und „Ganzheitsmedizin“. Eine klare Schlussfolgerung diesen Beispielen ist: Menschen, Kulturen, Länder und Sprachen haben sich immer gegenseitig beeinflusst. Sie leben auch in Zukunft von diesem gegenseitigen Austausch. Wer versucht, Kulturen und Sprachen voneinander abzuschotten, lässt sie zu Mumien erstarren und zerstört sie. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Es wurde deutlich, warum wir diesen Entwurf ablehnen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE)

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