Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen – Aufnahme von Staatszielen 2/2

Anja Müller

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/897

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich gebe Ihnen recht, die Diskussion im Verfassungsausschuss wird interessant werden, zumal, wenn man sich einige Beiträge hier schon anhört. Ich will mal sagen: Auf die Verfassung baut die gesamte Rechtsordnung auf und umso wichtiger sind daher die inhaltlichen Festlegungen in dieser Verfassung, denn – ich habe es vorhin schon gesagt – die Verfassung stellt eine positive Werteordnung für uns alle dar und stellt auch die lokalen Akteure – egal ob wir es sind oder die kleinen Gemeinderäte oder Stadträte, egal wer – jeden Tag vor konkrete Entscheidungen, die richtige Entscheidung im Sinne der Verfassung – der Staatsziele – zu treffen. Denn die Staatsziele, über die wir heute reden, müssen auch rechtsverbindlich umgesetzt werden. Da gehe ich ein bisschen auf das ein, was Frau Baum eben gesagt hat: Es reicht nicht, einfach nur etwas in Staatszielen zu verankern. Nein, das sind rechtsverbindliche Empfehlungen, die dann von allen umgesetzt werden müssen.

So bedeutet der verstärkte Schutz von Kindern und ihren Rechten auch – gerade bei Sorgerechtsstreitigkeiten –, dass sie gehört werden, dass ihre Rechte wahrgenommen werden, dass Richterinnen und Richter, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen auch auf sie eingehen müssen, gerade wenn es um die Frage „Wechselmodell“ geht, was wir ja häufig auch hier in Thüringen erleben, dass ihre Rechte wahrgenommen werden. Es geht keinesfalls darum, Familien auseinanderzudividieren. Wer das behauptet, hat einfach die UN-Kinderrechtskonvention noch nicht durchgelesen und auch leider nicht verstanden, dass Kinder Teil der Familie sind und wir keineswegs die Familien auseinanderdividieren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Das wissen wir sehr wohl! Die praktische Umsetzung ist doch die Frage!)

 

– Genau, aber das hat jetzt nichts mit den Staatszielen der UN-Kinderrechtskonvention zu tun.

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ihre Formulierung ist das Problem!)

 

Darüber können wir gern im Ausschuss diskutieren. Ich lasse mich aber da gern von Ihnen mitnehmen und werbe dennoch dafür, dass wir UN-Kinderrechte in der Verfassung verankern, weil das die stärkste Waffe der Kinder ist, das Mitspracherecht, ihnen eine Stimme zu geben, sie anhören zu müssen, nicht nur beim Straßenbau – ich habe es eben gesagt. Es geht auch gerade bei Grundsicherung darum – wenn wir überlegen, dass Kinder immer noch keinen eigenen Regelsatz bei Hartz IV haben, dass die irgendwo miteingerechnet werden, dass die angewiesen sind, vielleicht mal beim Schulobstprogramm ein Äpfelchen zu bekommen. Also Leute, wo leben wir denn dann? Auch das ist das Staatsziel. Wir fordern konkrete Veränderungen darin und die müssen gesetzlich auf den Weg gebracht werden. Lassen Sie uns darüber gern diskutieren und nicht immer nur die Staatsziele als Abstraktheit wahrnehmen!

 

Eine ähnlich weitreichende Unterstützung für behinderte Menschen in Thüringen und die Verbesserung ihrer Alltagssituation ist die Aufnahme der UN-Behindertenrechtskonvention in die Verfassung. Zu oft wurden in der Vergangenheit Inklusionsmaßnahmen unter schnöde Haushaltsvorbehalte gestellt, vor allem durch entsprechend problematische Politik von früheren Zeiten. Dabei kamen die Rechte der Menschen mit einer Beeinträchtigung immer ins Hintertreffen. Es sei nur an die sehr zähen Diskussionen um ein Landesgleichstellungsgesetz oder entsprechende Nachteilsausgleiche erinnert. In der fortschreitenden neoliberalen ökonomisierten Gesellschaft braucht man solche Instrumente wie die UN-Konvention, um sich gegen den Ökonomisierungsdruck wehren zu können – auch wenn es um konkrete Maßnahmen vor Ort geht, wie zum Beispiel den barrierefreien Behördenzugang, einen barrierefreien Internetauftritt dieser Stelle oder Förderangebote für behinderte Menschen. Das Staatsziel des Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Wiederbelebung faschistischer Ideologie ist keineswegs ein Meinungsmaulkorb, das ist sicherlich schon in der Einbringung deutlich geworden. Es geht bei dem Staatsziel darum, die Relativierung der Menschenwürdegarantie und des Menschenwürdeschutzes zu beseitigen und zu verhindern, die leider von bestimmten Protagonisten in der Gesellschaft schon wieder ziemlich offen betrieben wird. Das haben wir eben auch hier im Haus gehört. Es gibt keine spezielle deutsche Würde oder etwas Ähnliches. Es gibt nur Menschenwürde für alle Menschen,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

egal wer sie sind, woher sie kommen und wie sie leben. Menschenwürde ist unteilbar.

Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz ist das auch verfassungsrechtlich klargestellt. Rassismus, Antisemitismus und Wiederbelebung der faschistischen Ideologie leugnen diese Unteilbarkeit der Menschenwürde und das Menschenrecht auf gleiche Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft. Daher sind Rassismus, Antisemitismus und die faschistischen Ideologien und ihre Wiederbelebung absolut unvereinbar mit einer Verfassungsordnung, die auf der Menschenwürdegarantie aufbaut. Daher haben wir es auch in die Pflicht genommen, rechtsverbindlich, Rassismus, Antisemitismus und die faschistische Ideologie und ihre Wiederbelebung zu bekämpfen. Und alle Akteure in Staat und Gesellschaft haben rechtsverbindlich die Pflicht, sich für eine humane, demokratische Gesellschaft einzusetzen, in der durch praktisches Handeln im Alltag der Leute vor Ort die Menschenwürdegarantie und die Grund- und Menschenrechte ganz konkret umgesetzt werden.

 

Schon mehrfach haben wir das ja versucht – als vorhergehende Fraktion Linke, PDS –, mehrfach probiert, dieses Staatsziel in die Verfassung in Thüringen zu verankern. Jetzt wären wir einen Schritt weiter und es würde uns freuen, dem Beispiel aus Sachsen-Anhalt zu folgen, wo ja unter Beteiligung der CDU-Fraktion eine ganz ähnliche Verfassungsregelung verabschiedet worden ist. Es ist zu hoffen, dass die Thüringer CDU – lieber Herr Zippel, da spreche ich Sie mal konkret an – diesem Beispiel aus Sachsen-Anhalt folgt, denn gesellschaftspolitisch notwendig ist dieser Schritt schon längst. Verbunden damit hoffen wir als Linke auf eine entsprechende Offenheit dafür, entsprechend des Staatsziels Vereine, Verbände und Projekte, die Antirassismusarbeit oder Demokratieerziehung machen, entsprechend langfristig finanziell abzusichern. Ähnlich ist das mit dem Staatsziel „Ehrenamt“. Seit Jahren – das dürfte allen bekannt sein – fordern wir ein Ehrenamtsgesetz. Mit dem Staatsziel „Ehrenamt“ gehen wir einen ersten Schritt, aber wir müssen es auch diskutieren – das hatte eben Kollegin Wahl auch angesprochen –, es ist halt nur ein Staatsziel und wir müssen dafür Sorge tragen: Ehrenamt muss bezahlbar sein. Das muss man mal deutlich sagen, es kostet Geld, es kostet Zeit und wir müssen dafür Sorge tragen, dass Vereine, Verbände aktiv sein können, egal welche Sponsoren sie vielleicht haben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Linke in Thüringen hat in der Vergangenheit schon wiederholt öffentlich deutlich gemacht, wie wichtig ihr der sozialökologische Umbau der Gesellschaft ist, und daher ist auch dieses Staatsziel mit aufgenommen worden. Und ebenso wichtig ist ein konkretisiertes Nachhaltigkeitsstaatsziel, wie es sich nun im Artikel 32a des Gesetzentwurfs findet.

 

Wir alle freuen uns auf eine spannende Debatte in diesen Ausschüssen. Und eins hat aber auch gerade die rechte Fraktion deutlich gemacht: Die AfD hat eigentlich kein Interesse an einer modernen Verfassung, sondern eigentlich will sie eine diktatorische Verfassung und lehnt dies hier ab.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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