Freiheitlich demokratische Grundordnung schützen - islamistischen Terror ächten und bekämpfen

Zum Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/136

Meine Damen und Herren der CDU, ich war sehr gespannt, als Sie im Herbst vergangenen Jahres ankündigten, die Bande – damit meinten Sie die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen – vor sich hertreiben zu wollen, wie das konkret aussieht. Ich muss zugeben, ich war nicht nur überrascht, sondern, gelinde gesagt, auch etwas enttäuscht über Ihren Grad an mangelnder kreativer Schöpfungskraft, tatsächlich auch mit eigenen Ideen hier alternative Vorschläge in die Politik einzubringen. Denn es ist mitnichten so, Frau Holbe, dass Sie den Forderungskatalog, den Sie heute dem Thüringer Landtag vorgelegt haben, in Ihrer Fraktion erarbeitet haben, sondern Sie beabsichtigen mit diesem Antrag den Thüringer Landtag zum Beschlussorgan der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzen- denkonferenz zu machen,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


die den Antrag als Erklärung am 19. Januar in Brüssel wortidentisch verabschiedet hat. Nun ist es ja nicht schlecht für die politische Kommunikation in einem Land, auch Diskussionsstände in einzelnen Parteien in den Parlamenten kundzutun und auch zur Diskussion zu stellen. Nur hoffe ich aber, dass Sie das Feedback, das Sie hier erhalten, in die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz zurückgeben werden und damit auch bei Ihnen eine Kommunikation und möglicherweise auch ein Umdenkprozess einsetzen können.


Meine Damen und Herren – Frau Marx und Herr Adams sind bereits darauf eingegangen –, das Abschreiben einer Erklärung, die in Brüssel verabschiedet worden ist, führt natürlich dazu, dass man in seiner Problembeschreibung nur wenig mit der realen Thüringer Situation gemein hat. Aber das, was Sie hier als Problembeschreibung vorgenommen haben, hat auch wenig mit der gesellschaftspolitischen Situation in Gesamtdeutschland und der Bundesrepublik oder auch in Europa zu tun. Ich möchte diesen Satz, den Frau Marx zitiert hat, einfach noch mal wiederholen, weil er nicht nur unglaublich mit den Ängsten von Menschen in Europa spielt, sondern weil er auch noch die Vielzahl von Muslimen in Europa mit dem IS gleichsetzt, mit der Terrororganisation, gegen die weltweit auch Millionen Muslime auf die Straße gehen und dagegen kämpfen wie beispielsweise in Syrien, aber auch im Irak und im Iran.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie behaupten: „Der ‚Islamische Staat‘ droht zum Vorbild in anderen Staaten zu werden, in denen zahlreiche Muslime oder fanatische Glaubensanhänger leben, auch in Europa.“ Ich finde, dieser Satz ist ein politischer Skandal und offenbart, was Sie eigentlich beabsichtigen mit diesem Antrag oder, Frau Holbe, wenn Sie es nicht besser wissen, zumindest was Sie tatsächlich tun. Da nützen auch Ihre Appelle und Belehrungen und Bitten an uns, es doch bitte nicht falsch zu verstehen, überhaupt nichts, denn wir müssen Sie daran messen, was Sie mit Ihrem Antrag tatsächlich bezwecken, was Sie darin zum Ausdruck bringen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Weder ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet noch ist die Bundesrepublik vom islamistischen Terror bedroht, beides geht in dieser Form so weit an der gesellschaftlichen Realität vorbei wie kaum eine andere Aussage, die Sie hier getätigt haben.


(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Für Sie ist „radikal“ Normalzustand. ... Sie brauchen den ja!)


(Unruhe CDU)


Das aber, meine Damen und Herren von der CDU, schließt doch nicht aus, dass es Gefahren gibt, die auch aus der Fanatisierung oder Radikalisierung von Glauben entstehen. Diese Gefahren – und da bin ich den Innenministern der Bundesländer und des Bundes sehr dankbar – bestehen in der Bundesrepublik derzeit abstrakt, aber wir dürfen doch diese abstrakte Gefahrenlage, die von einzelnen Terroristen ausgeht, nicht zu einer konkreten Gefahrensituation erheben, mit der wir den Menschen in diesem Land Angst machen, um dann wiederum in der politischen Debatte zu sagen, wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen, um ihre Freiheitsrechte in diesem Land zu beschränken.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Unruhe CDU)


Das ist billige Demagogie, die Sie letztendlich wollen. Ich sage Ihnen ehrlich, durch Ihre Vorschläge, die Sie in Ihrem Antrag vornehmen, gefährden Sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung, weil Sie wesentliche Freiheitswerte,


(Beifall DIE LINKE)


wie zum Beispiel die Freiheit der Kommunikation zwischen Menschen, beeinträchtigen wollen und sie dem Zugriff für den Staat anheimstellen wollen.


(Unruhe CDU)


Wenn Sie mit der realen Situation schon nichts zu tun haben wollen, dann fragt man sich natürlich oder muss man sich natürlich auch fragen: Was bezwecken Sie eigentlich mit dem Antrag? Wir haben hier einiges gehört. Es wird suggeriert, wir reden nicht über den Islam und die Menschen können ihre Probleme nicht zum Ausdruck bringen. Meine Damen und Herren, seit 2001 diskutiert in Europa und auch in der Bundesrepublik die Gesellschaft, ob der Islam zu den Werten der westlichen Welt passt – seit 2001. Das Ergebnis – das will ich Ihnen deutlich sagen –, das hat die Bertelsmann Stiftung Anfang dieses Jahres veröffentlicht, ist, dass 57 Prozent der Deutschen der Meinung sind, durch den Islam bedroht zu sein, und 61 Prozent der Menschen die Auffassung vertreten, dass der Islam nicht in die westliche Welt passt. Das ist das Ergebnis der Debatte der letzten 13 Jahre: steigende islamophobe Einstellung. Das ist gegen Muslime gerichteter Rassismus und auch in der Konsequenz, nämlich die zu Handlungen werdenden Einstellungen, zunehmende Angriffe auf Einrichtungen von Flüchtlingen, zunehmende Angriffe auf Glaubenseinrichtungen der Muslime und zunehmende Angriffe, auch diskriminierende Aussagen in Richtung einzelner Muslime. Das muss uns doch ein Stück weit Konsequenzen hervorrufen, nämlich die Debatte und die Debattenkultur zu diesem Thema zu verändern. Ihr Antrag ist jedenfalls nicht geeignet, diese Debatte, wie notwendig, zu versachlichen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ich hatte eingangs gesagt, Sie haben Ihren Antrag abgeschrieben und nicht eigenständig erarbeitet. Aber eines ist mir aufgefallen, als ich beide Dokumente verglichen habe. Sie haben einen Satz aus dem Forderungskatalog der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz gestrichen und das ist sehr entlarvend. An Ihrer Stelle wäre mir das auch sehr peinlich, denn Sie haben die Worte „Prävention und Aufklärung“ gestrichen. Das Einzige, was Sie aus der Erklärung gestrichen haben, ist der gesellschaftspolitische Ansatz in Richtung Prävention und Aufklärung. „Umfassende Prävention und Aufklärung gegen Salafismus und Islamismus“ heißt es in der Erklärung der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden. Das haben Sie tatsächlich vermieden. Wie notwendig Aufklärung tut, das zeigt nicht nur Ihr Redebeitrag, das zeigt auch der dritte hier gehaltene Redebeitrag. Aber vielleicht hat Herr Knigge auch einfach Recht. Es gibt Menschen in diesem Land, die sich hartnäckig jeder Aufklärung verweigern.


(Beifall DIE LINKE)


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie zählen dazu!)


(Unruhe AfD)


Meine Damen und Herren der CDU, wir haben Sie immer in anderen Debatten – und, Frau Holbe, Sie haben es ja angesprochen – davor gewarnt, Probleme dadurch zu verharmlosen, dass man sie nicht beim Namen nennt. Frau Holbe, Sie hatten darauf verwiesen und hatten daraus einen Vorwurf abgeleitet. Ich möchte Ihnen noch einmal etwas sagen. Man kann Probleme aber auch zu einen Popanz aufbauen, indem man Lösungsvorschläge in die Diskussion mit einbringt und auf deren notwendige Umsetzung verweist, dann glauben tatsächlich die Menschen, hier besteht dringender Handlungsbedarf, den sie anderenfalls von der tatsächlichen Analyse, wie Sie, Herr Adams, eingefordert haben, überhaupt nicht herleiten können und überhaupt nicht ableiten können. Wenn es uns tatsächlich darum geht – aber ich sage, darum geht es Ihnen ja nicht –, um Prävention und Aufklärung, dann haben wir in Thüringen die Beratungsstellen. Es sind nämlich die muslimischen Gemeinden, denn es kann uns doch nicht darum gehen, dass wir Menschen davon abbringen, von ihrem religiösen Glauben abzufallen, sondern es muss uns darum gehen, dort, wo Menschen ihren Glauben fanatisieren und radikalisieren, sie wieder dort zurückzuführen, wo sie ein Teil religiöser Vielfalt sind, wo sie ein Teil einer interreligiösen Kultur sind, wo sie Teil eines interreligiösen Dialogs sind, und das heißt, wir müssen mit den muslimischen Gemeinden in Thüringen ins Gespräch kommen, diese stärken, dass sie diese wichtige Aufgabe aus ihrer Glaubensrichtung heraus bewältigen können. Und wir als deutsche Gesellschaft müssen eben auch den Menschen ein Angebot machen, dass sie Teil dieser Gesellschaft werden, das heißt, sie müssen die gesellschaftliche Teilhabe bei politischen Entscheidungen haben, sie müssen die soziale Teilhabe ermöglicht bekommen durch Bildung und in Zukunft durch die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse und wir müssen aufhören mit solchen irrsinnigen Forderungen, dass Integration dann vollendet ist, wenn Familien aus anderen Ländern zu Hause Thüringer Dialekt sprechen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, nicht der Islamismus fordert die Demokratie heraus, sondern die offen geäußerten Überfremdungsängste und die herbeifantasierte hervorstehende Islamisierung. Was das Schlimme ist, was ich Ihnen tatsächlich vorwerfe in dieser Debatte, dass Sie mit Ihrer einseitigen Ausrichtung natürlich zweierlei provozieren. Sie provozieren einerseits den Anstieg weiterer islamophober Einstellungen, sprich, Sie verstärken rassistische Einstellungen der Gesellschaft, aber auf der anderen Seite provozieren Sie genau das, was Sie vorgeben bekämpfen zu wollen. Nämlich Sie provozieren die Radikalisierung insbesondere junger Muslime und das sollte Ihnen tatsächlich auch bekannt sein aus den Auseinandersetzungen, aus den Debatten hier in den vergangenen Jahren, denn der Thüringen-Monitor 2012 und 2013, der noch von Ihrer Regierung in Auftrag gegeben worden ist, hat sich genau mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Ich will Ihnen hier einmal aus dem Monitor 2012 zitieren: „Keine andere gesellschaftliche Gruppe wie die Muslime ist so starken negativen Vorurteilen ausgesetzt.“ – Das stellt der Thüringen-Monitor 2012 fest und der Thüringen-Monitor 2013 untersucht diesen Befund weiter und beschreibt dann die Folgen. „Dabei gibt es signifikante Differenzen bei der Bewertung von Zuwanderern aus unterschiedlichen Län- dern und Kulturkreisen“, das heißt, eine überdurchschnittliche Ablehnung von Zuwanderung aus arabischen Ländern, die im übrigen synonym für Muslime verwandt werden, „in denen das Fort- bestehen bereits älterer kultureller Vorurteile sowie vermutlich auch die Auswirkung angstbesetzter Diskurse der jüngsten Vergangenheit (Islamismus und Terrorgefahr) anklingen“.


Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, das, wovor uns eigentlich die Autoren des Thüringen- Monitors gewarnt haben und uns in das Hausaufgabenheft geschrieben haben, dass wir die Debatte verändern müssen, ist für sie kein Maßstab für Ihr politisches Handeln, sondern Sie setzen ungehindert das fort, was im Jahr 2012 und 2013 durch die Wissenschaftler kritisiert und natürlich auch angemahnt worden ist, dies zu verändern. Ich will, weil ich es gesagt habe, auch hier noch einmal auf die Studie „Lebenswelt junger Muslime in Deutschland“ eingehen, die genau zur Frage der Folgen einer solchen Debatte auf junge Muslime hingewiesen haben. Dort heißt es, dass „Radikalisierungstendenzen von Muslimen und ihre Abwendung von westlichen Wertmaßstäben und Lebensweisen aber auch dadurch teilverursacht werden, dass sich Muslime von der deutschen Mehrheitsgesellschaft als negativ dargestellte marginalisiert betrachten, Misstrauen und Ablehnung erzeugen Distanzierung und Radikalisierung. Es handelt sich also um eine selbsterfüllende Prophezeiung“. Und an dieser selbsterfüllenden Prophezeiung arbeiten Sie weiter fort


(Beifall DIE LINKE)


und Sie arbeiten insbesondere auch damit weiter fort, dass Sie ohne jegliches Zögern ein Begriffswirrwarr in Ihrem Antrag erzeugen, der natürlich Muslime, friedliche Muslime, die ganz normal ihrem gesellschaftlichen Alltag nachgehen, sich angesprochen fühlen müssen. Sie reden einerseits von islamistischem Terror, Sie reden von islamistischen Verbindungen. Frau Holbe, Sie setzen in Ihrer Einbringungsrede noch einen drauf, indem Sie sagen „islamischer Terror“. Dann reden Sie vom Salafismus, von terroristischen Vereinigungen, von gewaltbereiten Salafisten, von dschihadistischen Salafisten, von radikal-islamischen Gruppen. Sie reden einfach pauschal von Muslimen und fanatischen Glaubensanhängern. Das ist doch der Grund auch dafür, warum eine Aufklärung in der Gesellschaft tatsächlich not tut, um genau diese Differenzierung von verschiedenen Glaubensrichtungen im Islam auch einmal deutlich zu machen: Ab welchem Punkt, ab welcher Einstellung, ab welchem konkreten gesellschaftlichen Handeln erwächst tatsächlich eine Gefahr für Menschen, aber auch für das freie miteinander Leben der Menschen in Europa? Das werden Sie eben mit Ihrem Antrag nicht zum Ausdruck bringen können.


Meine Damen und Herren, ich denke, es ist überflüssig, dass man sich hier dazu bekennt, dass man natürlich Terrorismus ablehnt und sich zur Religionsfreiheit, aber auch zum freien Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft bekennt und auch zur Gleichberechtigung.



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Dittes, der Abgeordnete Voigt eine Zwischenfrage. Gestatten Sie das?



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Bitte, Herr Voigt.



Abgeordneter Dr. Voigt, CDU:


Danke, Herr Dittes. Weil Sie gerade über Begriffe sprachen; Sie sprachen davon, dass Sie sich für Islamismus in unserer Gesellschaft aussprechen, deswegen würde ich mich einmal dafür interessieren, was Sie unter „Islamismus“ verstehen. Doch, hat er gesagt.



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Also, Herr Voigt, vielleicht kennen wir uns nicht so gut. Ich bin überzeugter Laizist. Also ich werde mich weder für eine Religion in besonderer Form aussprechen, auch nicht für eine andere. Ich meine, das nicht gesagt zu haben. Vielleicht können wir gemeinsam im Protokoll noch einmal nachlesen. Aber genau das suggeriert ja eben auch Ihr Antrag, dass es wirklich einhergeht, dass Sie Begrifflichkeiten verwenden, die in dieser Gesellschaft überhaupt synonym verwendet werden für Terrorismus, für Einschränkung von Freiheitsrechten, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit. Das ist doch genau das Problem dieser Debatte. Da sage ich, brauchen wir eine versachlichte Debatte. Da brauchen wir Aufklärung. Da brauchen wir tatsächlich auch Bildungsangebote, aber Ihr Antrag entspricht genau diesen Herausforderungen nicht.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Dittes, es gibt eine weitere Zwischenfrage von dem Abgeordneten Henke. Gestatten Sie das?



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Nein, Sie mögen verzeihen, diese zwangsfinanzierten Abgeordneten im Thüringer Landtag,


(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


die viele Steuerzahler praktisch gegen ihren Willen noch mit finanzieren müssen, halte ich in dieser Debatte nicht für sachliche Stichpunktgeber und ich möchte diese Frage nicht beantworten.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sehr demokratisch, Herr Dittes!)


(Heiterkeit AfD)



Abgeordneter Henke, AfD:


Sehr geehrter Herr Dittes, ich habe eine Frage an Sie. Sie haben sehr...



Vizepräsidentin Jung:


Herr Henke, Sie haben kein Wort.


(Unruhe DIE LINKE)


Herr Abgeordneter Dittes kann bitte fortsetzen.



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Als ich unterbrochen worden bin durch die Frage von Herr Voigt, wollte ich gerade dazu noch einmal sprechen, dass Religionsfreiheit natürlich dort auch ihre Grenzen hat, wo genau die Freiheit anderer Menschen beschränkt werden soll. Das gilt bei Religionsfreiheit genauso wie bei der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit hat immer dort ihre Grenzen, wo andere Grundrechte auch verbal eingeschränkt werden sollen.


(Zwischenruf Abg. Henke AfD: Das ist wohl Meinungsfreiheit?)


Aber, meine Damen und Herren, ich will auch etwas Nachdenkliches in diesem Zusammenhang sagen, denn wir müssen uns auch über unser eigenes Islambild in der westlichen Welt verständigen. Ich glaube, wir müssen uns auch selbstkritisch hinterfragen, ob wir in der gesamten Debatte nicht eine Überheblichkeit gegen die Lebenswirklichkeiten auch in der arabischen Welt entwickelt haben. Ich sage einmal ganz deutlich, in einem Land, wo bis 1977 die Frau nur arbeiten durfte, wenn praktisch ihre Pflichten aus Ehe und Haushalt erfüllt worden sind, brauchen wir vielleicht mit diesem doch relativ geringen zeitlichen Vorsprung nicht so eine Arroganz an den Tag legen, was Geschlechterbilder in anderen Ländern anbetrifft.


(Unruhe DIE LINKE, AfD)


Das heißt aber, das heißt aber,


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wo waren Sie denn 1977?)


dass wir uns genau mit diesen Fragen kritisch auseinandersetzen müssen. Das heißt nämlich, in dieser Gesellschaft kritisch auseinandersetzen müssen, aber natürlich auch im Diskurs mit anderen Ländern.


Da frage ich mich natürlich, wenn Ihre innenpolitische Sorge um den Islam wirklich so vehement ist, wie Sie hier vortragen, warum setzen Sie denn Ihre Sorge nicht in der Außenpolitik der neuen Bundesregierung tatsächlich um? Dort stehen Sie Seite an Seite aus ökonomischen Interessen mit Ländern, in denen genau Prinzipien herrschen, die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit einschränken, und zwar in einem Maße, dass vehementer Widerstand notwendig ist. Der IS in Syrien wurde jahrelang unterstützt, gehätschelt, das Problem verharmlost, die Flüchtlinge, die vor dem IS geflohen sind, wurden nicht unterstützt, der NATO-Partner Türkei wurde eben nicht vehement außenpolitisch dazu aufgerufen, tatsächlich die Kobane verteidigenden Menschen zu unterstützen und den Flüchtlingen tatsächlich Schutz anzubieten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da hätte ich Ihre Sorge um den Islam tatsächlich einmal sehen wollen, aber Sie instrumentalisieren die Ängste von Menschen, die sie erst provoziert haben, für eine innenpolitische Debatte. Da werden wir nicht mitmachen und es ist auch nicht notwendig. Seit 2001, seit dem 11. September, wurden in der Bundesrepublik 38-mal Sicherheitsgesetze geändert bzw. neu geschaffen. Da wurden Einreisesperren ausgesprochen, Personalausweise oder Reisepässe einkassiert. Ein Großteil dieser Gesetze wurde, wenn Sie so wollen, wieder in den Schutzbereich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zurückgeholt, und zwar durch das Bundesverfassungsgericht und nicht durch die Parlamente, und wir werden Ihre Bemühungen, das Grundgesetz weiter auszuhöhlen und bis an den Rand der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit zu dehnen, nicht mitmachen und uns dem tatsächlich auch aktiv widersetzen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da will ich auch in dem Zusammenhang einmal etwas sehr deutlich zur Vorratsdatenspeicherung sagen. Die Attentäter von Paris waren auf sämtlichen Listen: Sie waren auf den Flugverbotslisten in die USA, sie waren auf den Gefährderlisten, sie unterlagen der polizeilichen Observation. Frankreich hat seit Januar 2006 eine Vorratsdatenspeicherung, aber all das hat eben nicht dazu geführt, dass dieses Attentat, was schrecklich war, was im Prinzip uns alle auch hier erschüttert hat und wo wir auch ein Stück weit innehalten mussten zum Nachdenken, was passiert jetzt auch an gesellschaftspolitischen Reaktionen; all das war eben nicht geeignet, dieses tatsächlich zu verhindern. Was Sie jetzt machen, ist, etwas als Schlussfolgerung daraus zu ziehen, was in Frankreich längst Realität war, und der Öffentlichkeit zu sagen, es ist notwendig, um Sicherheit tatsächlich zu schaffen. Wir alle wissen doch, es gibt nicht die absolute Sicherheit. Ein Staat, der dies verspricht, ist ein totalitärer Staat. Wir müssen mit Gefahren leben und wir müssen den Freiheitsbegriff, den es im Grundgesetz gibt, mit dem Sicherheitsanspruch der Menschen praktisch abwägen, in ein Gleichgewicht bringen, so, dass wir nach wie vor von einer freien und sicheren Gesellschaft reden können und ich will an dieser Stelle an den Ausspruch von Benjamin Franklin erinnern: „Wenn wir Freiheit aufgeben, um Sicherheit zu gewinnen, werden wir beides verlieren.“ Ich denke, das sollten Sie auch in Ihr politisches Stammbuch geschrieben bekommen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Dittes, Ihre Redezeit ist leider um.


(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es war so schön!)


(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Es war schön, Steffen, was du gesagt hast.)



Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, noch einen Satz zur beantragten Ausschussüberweisung: Ich denke, meine Damen und Herren, wir wollen ehrlich miteinander umgehen. Es gehört sich nicht, hier öffentlich oder Ihnen gegenüber den Eindruck zu erwecken, dass dieser Antrag eine Diskussionsgrundlage für den Ausschuss ist, in dem wir mit der einen oder anderen Verbesserung doch noch zu einer gemeinsamen Zustimmung kommen. Deswegen – das gehört zu einem offenen und ehrlichen Umgang: Wir lehnen auch diese Ausschussüberweisung ab. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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