Freiheit statt Überwachung - Auswirkungen einer möglichen Ratifizierung des Handelsabkommens über Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) auf Thüringen 1/2

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/4045

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ACTA - Freiheit statt Überwachung -, so lautet der Antrag meiner Fraktion für die heutige Aktuelle Stunde. Zuerst möchte ich an dieser Stelle den Menschen danken, die ACTA letztendlich sowohl medial als auch politisch in unsere Wahrnehmung und damit auch heute hier auf die Tagesordnung gesetzt haben,


(Beifall DIE LINKE)


nämlich der sogenannten Netzgemeinde, aber auch den Demonstranten und Demonstrantinnen der letzten Wochen. Das Internet ist längst ein Teil unseres Alltags, ein Teil unseres Lebens und Teil unserer Gesellschaft geworden. Ein öffentlicher Raum, ein digitaler Raum, der eine Transparenz ermöglicht, die in der Politik leider noch viel zu oft zu vermissen ist.


ACTA wurde intransparent und undemokratisch unter Ausschluss der meisten Entwicklungsländer, aber auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit be- und verhandelt. Eine kleine Handvoll von Staaten hat letztendlich mit ausgewählten Teilen der Industrie den Inhalt abgestimmt. Das, was ACTA jetzt letztendlich fordert, wird allerdings international gelten, sofern ACTA ratifiziert und umgesetzt wird. Damit steht ACTA für eine Politik der Intransparenz und für einen Politikstil, der im Widerspruch zum digitalen Zeitalter steht.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Politik der Ignoranz. Ganz kurz will ich umschreiben, was ACTA beinhaltet: Zum einen werden die Interessen von Rechteinhabern über Meinungsfreiheit, über Datenschutz und über weitere fundamentale Rechte gesetzt. Als Zweites fordert ACTA von Internetprovidern die Überwachung von Netzwerken und die Offenlegung persönlicher Daten bei angeblichen Rechtsverstößen und führt somit letztendlich jedenfalls zu einer Überwachung und Kontrolle der Inhalte, aber auch der Meinungsfreiheit durch Dritte. ACTA ist also ein weiterer Schritt hin zum Präventionsstaat. Es geht aber nicht nur um die Einschränkung von Freiheit im Internet, es geht auch um die Auswirkungen auf sogenannte Entwicklungsländer, denn ACTA räumt Unternehmen Befugnisse ein, die dazu führen, dass bei bloßem Verdacht einer Ähnlichkeit zu einem geschützten Medikament oder auch Saatgut Lieferungen gestoppt und auch beschlagnahmt werden können.


(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Unerhört!)


So warnen die Ärzte ohne Grenzen beispielsweise, dass Pharmaunternehmen mit Hilfe von ACTA gegen günstige Medikamente vorgehen können und damit die gesundheitliche Versorgung von großen Teilen der Bevölkerung in diesen sogenannten Entwicklungsländern bedroht ist.

Selbst das ist noch nicht alles, was ACTA bedeutet, denn ACTA regelt Sanktionen, ohne gleichzeitig entsprechende adäquate Rechtschutzmöglichkeiten vorzusehen. Der Artikel 12 zum Beispiel gestattet die Verhängung von einstweiligen Maßnahmen, ohne dass vorher die Betroffenen angehört werden. Prof. Dr. Metzger von der Universität Hannover äußert sich dazu und ich zitiere: „Anders als nach den europäischen Vorschriften muss der Betroffene auch nachträglich nicht informiert werden. Dies verletzt den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör. ACTA geht in der Konsequenz von einem längst überholten, von einem analogen Urheberrecht aus und zementiert dieses sogar noch.“ Was wir jedoch benötigen - so ist zumindest die Auffassung meiner Fraktion - ist ein Urheberrecht, welches der digitalen und vernetzten Gesellschaft gerecht wird und eben nicht mehr einem 200 Jahre alten Gesetz.


(Beifall DIE LINKE)


Das Urheberrecht muss zuallererst den Kreativen, den Kulturschaffenden ermöglichen, von ihrer Arbeit auch leben zu können. Hinter ACTA steht somit eine kulturpolitische Frage, die auch Landespolitik betrifft. Der SPD-Netzpolitiker Böhning hat in der „Süddeutschen Zeitung“ davon gesprochen, dass langfristig eine Kulturflatrate - ähnlich haben wir das ja auch schon vorgeschlagen - der richtige Weg wäre, damit Kunst und Kultur angemessen finanziert werden können und Internetnutzer, die ja zumeist sehr kreativ sind, nicht kriminialisert werden. Darüber, finden wir, sollten wir offen und transparent diskutieren. Ein Geheimabkommen jedoch, wie es ACTA letztendlich ist, das versucht, durch Zensur Verlegerinteressen zu schützen, lehnen wir grundsätzlich und generell ab.


(Beifall DIE LINKE)


Auch wenn die Proteste dazu geführt haben, dass die EU-Kommission nun diesen ACTA-Vertrag, das ACTA-Abkommen vom Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen will, dann reicht das uns zumindest, auch wenn es ein erster richtiger Schritt ist, nicht aus. Für uns geht es um mehr. Für uns geht es darum, die Ratifizierung von ACTA und vor allem den hinter ACTA stehenden Geist zu verhindern. Es gilt, eine der größten Erfindungen des 20. Jahrhunderts gegen die alten Herren einer veraltenden Gesellschaft zu verteidigen. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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