Evaluierung des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs

Evaluierung des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs

Antrag der Fraktion der CDU - - Drucksache 6/5311 -

dazu: Evaluierung des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs - Wirksamkeit des Reso­zialisierungsvollzugs si­chern und stärken Alternativantrag der Frak­tionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

- Drucksache 6/5341 -

Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz

 

Abgeordnete Müller, DIE LINKE:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Minister Lauinger, für Ihren Sofortbericht. Ich habe genau zugehört, was darin berichtet worden ist.

Herr Scherer, am 8. Januar 2018 haben Sie im Namen Ihrer CDU-Fraktion eine Pressemitteilung veröffentlicht und darin eine Evaluierung des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs gefordert. Die Überschrift beginnt mit den Worten: „Sinnhaftigkeit von Standards prüfen“. Weiter unten konnte man dann lesen - ich zitiere -: „Für Scherer gibt es angesichts der offensichtlichen Probleme zwei Alternativen. Entweder wird das Personal aufgestockt, oder es wird überprüft, ob die vor bald vier Jahren aufgestellten Standards tatsächlich erforderlich sind.“ Davon abgesehen, dass die angeb­lich offensichtlichen „Probleme“ in der Pressemitteilung nicht weiter benannt werden, ist anzumer­ken, für uns als Koalitionsfraktionen gibt es keine Abkehr von den geltenden hohen Resozialisierungsstandards des Thüringer Strafvollzugs,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

höchstens einen weiteren Ausbau der Standards für einen modernen Resozialisierungsvollzug. Nach der Ankündigung im Januar liegt uns nun ein kurzer, sehr verwaltungstechnisch gehaltener Antrag der CDU-Fraktion auf Evaluierung des Justizvollzugsgesetzbuchs vor.

Wenn Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, in Ihrer Pressemitteilung davon sprechen, dass Sie bei Erarbeitung und Verabschiedung des Justizvollzugsgesetzbuchs der SPD sehr weit entgegengekommen sind, dann kann man aus den Zeilen herauslesen, dass Sie keine besonderen Fans des Modells Resozialisierungsvollzug sind. Von dieser Grundmotivation ist - und das kann man auch lesen - Ihr Antrag getragen.

Mit unserem Alternativantrag wollen wir das unmissverständliche Zeichen setzen. Die Evaluierung, die nach § 104 des Justizvollzugsgesetzbuchs sowieso vorgeschrieben ist, sollte von der Grund­motivation Sicherung und Ausbau des Resozialisierungsvollzugs durchgeführt werden.

Ich betone es gern noch einmal. Für uns gibt es kein Zurück, eher muss ein umfassender und wirk­samer Resozialisierungsvollzug aufgebaut werden. Es sind in unserem Antrag bestimmte Punkte bzw. Themenbereiche herausgehoben, die besonders wichtig für eine wirksame Resozialisierung sind. Außerdem legt der Alternativantrag Wert darauf, dass die Evaluierung nicht nur eine punktu­elle Momentaufnahme bietet. Denn - und das hat auch der Minister gesagt - um wirklich ange­messene Schlussfolgerungen ziehen zu können, muss in der Evaluierung eine längere zeitliche Entwicklung in den Blick genommen werden. Daher gehen wir auf die Zeitspanne bis 2008 zurück. Schaut man sich die Sachpunkte in dieser Zeitspanne genauer an, dann zeigt sich, in Zeiten der CDU-Verantwortung für das Justizministerium gab es kein professionelles Übergangsmanagement von der Haft in die Freiheit danach, auch nicht ansatzweise. Stattdessen berichteten Häftlinge im­mer wieder, dass sie mit der Adresse eines Obdachlosenheims und einem blauen Müllsack mit Habseligkeiten entlassen wurden. Das mag sicher einer der sehr zugespitzten Fälle sein, aber es war zur damaligen Zeit kein Einzelfall, macht aber auch deutlich, wie stark vernachlässigt die Ent­lassungsvorbereitung und die Unterstützung in der Entlassungsvorphase wurde. Hier hat sich un­ter Rot-Rot-Grün eine entscheidende Verbesserung ergeben. Im Doppelhaushalt - und das hat eben auch schon der Minister erwähnt - wird die finanzielle Untersetzung für das Entlassmanage­ment noch weiter ausgebaut. Denn wie bekannt ist, ist die Übergangsphase nach der Haft die hei­kelste Phase für Rückfall in Straffälligkeit. Wird diese Klippe umschifft, bietet die langfristig gelun­gene Resozialisierung die besten Chancen für die Betroffenen, aber auch mit Blick auf mehr Si­cherheit in der Gesellschaft.

Auch zum Stichwort „Entlassvorbereitungen“ ein kleiner Blick zurück: Zu Ihren Zeiten, werte Kolle­gen der CDU-Fraktion, im Justizministerium war Thüringen das Schlusslicht im Bundesvergleich im Bereich offener Vollzug. Betroffene Häftlinge wie Fachpersonal beklagten sich, dass es wegen Ar­beitsüberlastung und hohem Krankenstand sehr lange dauert, bis für die einzelnen Gefangenen die konkrete Vollzugsplanung abgeschlossen werden kann, dass für Ausbildungs-, Unterstützungs­ und Betreuungsmaßnahmen nicht die Nachfrage, sondern das Personal und das Geld fehlen. Wie gesagt, da waren Sie als CDU für den Justizbereich zuständig. Die von Ihnen per Medien und durch Ihren Antrag kritisierte Detailliertheit der Vollzugsplanung im konkreten Fall ist eine Stärke für die Wirksamkeit des Resozialisierungsvollzugs, denn je individueller und zielgenauer die Maß­nahmen und Angebote auf den jeweiligen Gefangenen zugeschnitten sind, desto größer ist auch die Chance auf eine erfolgreiche Resozialisierung.

Hinsichtlich der Personalsituation erlauben Sie mir, werte CDU, sehr geehrter Herr Scherer, die Frage, wer wollte denn einen ziemlich strengen Personalabbaupfad auch im Justizvollzug durch­setzen, obwohl damals absehbar war, dass für einen guten Vollzug mit einer wirksamen Resoziali­sierung mehr Personal gebraucht wird? Das waren Sie von der CDU mit Ihrer, wie sich nun deutlich zeigt, verfehlten Sparpolitik in Sachen Personal - Stichwort auch „mangelnde Anwärterzahlen“. Trotz damals absehbarer Pensionswelle haben Sie den problematischen Punkt gesetzt, der jetzt eben noch nachwirkt. Sie selbst haben den Problempunkt gesetzt, den Sie jetzt heuchlerisch und unfair beklagen, ohne öffentlich Ihre Mitverantwortung zu benennen. Um damit Ihre Frage aus der Pressemitteilung zu beantworten: Ja, man muss Personal ersetzen und aufstocken, nicht nur, weil eine Pensionswelle ansteht, die schon zu Ihren Regierungszeiten im Justizministerium absehbar war. Von Vertretern aus der Praxis wurden deshalb damals schon entsprechende Konzepte zum richtigen Umgang mit der Problematik verlangt und Vorschläge gemacht. Hinzu kommt, Sie als CDU verlangen mit großer Geste eine Evaluierung des Justizvollzugsgesetzbuchs, obwohl klar ist, dass nach § 104 für dieses Regelwerk eine Evaluierung erfolgen muss

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die Landesregierung intern schon genau mit diesem Thema befasst ist. Geben Sie doch zu, Sie wollen doch nur einen Anschein erwecken, als seien Sie die Ersten, die auf die Thematik „Eva­luierung“ kommen. Um diesen Anschein nicht zu gefährden, haben Sie offensichtlich in Ihrem An­trag auf den sonst üblichen Antrag verzichtet, von der Landesregierung zum Thema gleich eine mündliche Berichterstattung im Plenum zu verlangen.

Unser Alternativantrag sieht neben dieser Berichterstattung vor, den zuständigen Fachausschuss intensiv, kontinuierlich und zeitnah, beginnend mit April 2018, während des ganzen weiteren Eva­luierungsprozesses einzubeziehen, denn es ist gut, wenn sich der Landtag als für das Gesetzbuch verantwortlicher Gesetzgeber so zeitig wie möglich am Evaluierungsprozess beteiligt. Nach Beginn der Berichterstattung der Landesregierung ab April 2018 werden die Koalitionsfraktionen die Durchführung einer Anhörung zum Thema im Justizausschuss beschließen. Betroffene und Fach­leute aus Praxis und Wissenschaft sollen das, vielleicht auch kritische Wort bekommen. Dann kön­nen Sie von der CDU sich konstruktiv in die Debatte einbringen, sogar vor der endgültigen Fertig­stellung der Evaluierung. Sie werden also als Opposition nicht mit dem fertigen Ergebnis abge­speist, nein, Sie können dann zeigen, wie ernst es Ihnen von der CDU mit dem Justizvollzug in der Sache ist.

Wir freuen uns auf die interessante gemeinsame Arbeit mit der Landesregierung im Fachaus­schuss in Sachen „Evaluierung Justizvollzug“ und verglichen mit dem Jahr 2008, als die CDU noch in Alleinregierung das Justizministerium besetzte, hat sich viel brauchbares in Sachen „Sicherung und Ausbau des Resozialisierungsvollzugs“ getan. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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