Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Schiedsstellengesetzes 2/2

Dr. Iris Martin-Gehl

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/3340

 

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Schlichten statt Richten“ ist der Leitspruch des Schiedsamts – eine Formel, die kurz und präzise beschreibt, was ehrenamtliche Schiedsmänner und Schiedsfrauen in den kommunalen Schiedsstellen leisten. Sie treffen keine Entscheidungen, sondern sie moderieren Konflikte, sie vermitteln, sie deeskalieren und wirken auf einvernehmliche Win-Win-Lösungen hin. Das Schlichtungsverfahren geht schneller als ein Gerichtsverfahren, es ist kostengünstiger und das Ergebnis meist nachhaltiger. Deshalb ist es wichtig, das Schiedsamt zu stärken und dafür auch seine rechtlichen Rahmenbedingungen zukunftsfest zu machen. Genau das ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigt, der einige Neuerungen vorsieht, die sich – das wurde schon erwähnt – auf drei Schwerpunkte konzentrieren. Ich will sie noch einmal wiederholen: Das ist zunächst die Erweiterung des sachlichen Zuständigkeitsbereichs, zum Zweiten die Erweiterung der Vertretungsmöglichkeiten und drittens die Erhöhung von Gebühren und Ordnungsgeldern.

 

Ein Wort zur sachlichen Zuständigkeit: Gegenwärtig sind Schiedsstellen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nur für Streitigkeiten zuständig, die vermögensrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben. Diese Einschränkung hat sich als unzureichend erwiesen, weil es gerade bei Streit im persönlichen Lebensumfeld und speziell unter Nachbarn häufig gerade nicht nur ums Geld geht, sondern oft um Beleidigungen, Verleumdungen, Belästigungen, aber vor allem auch um nachbarrechtliche Ansprüche, Unterlassungs-, Duldungs- und Beseitigungsansprüche. Deshalb wird nun mit der Änderung des § 13 des Gesetzes die sachliche Zuständigkeit der Schiedsstellen auf nicht vermögensrechtliche Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre und Ansprüche aus dem Nachbarrecht erweitert. Das ist gut so und wird von den Schiedsmännern und Schiedsfrauen in Thüringen befürwortet.

 

Zur neuen Vertretungsregelung: Derzeit ist eine Vertretung natürlicher Personen nur auf die gesetzlichen Vertretungen beschränkt und die Vertretung durch Bevollmächtigte in der Schlichtungsverhandlung ausdrücklich ausgeschlossen. Dies muss geändert werden, weil etwa geschäftsunfähige Verfahrensbeteiligte, die eine Vorsorgevollmacht erteilt haben, von Schiedsstellenverfahren gänzlich ausgeschlossen sind. Eine Vertretung durch bevollmächtigte Personen kann darüber hinaus aber auch dann sinnvoll sein, wenn starke Emotionen im Spiel sind und ein neutraler Blick von außen eher geeignet ist, zu tragfähigen einvernehmlichen Lösungen zu gelangen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht deshalb nun vor, dass sich die Beteiligten im Schlichtungsverfahren durch schriftlich Bevollmächtigte vertreten lassen können, wenn – ich zitiere aus dem Gesetz – diese „zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage sowie zu einem Vergleichsschluss ermächtigt“ sind. Dies bedeutet allerdings, dass die Beteiligten damit im Grunde selbst über ihre persönliche Anwesenheit in der Schlichtungsverhandlung bestimmen und sich damit einer persönlichen Aussprache in der Schlichtungsstelle entziehen könnten, was aber dem Grundgedanken des Schlichtungsverfahrens zuwiderlaufen würde. Deshalb wurde mit dem vorliegenden Änderungsantrag eine Konkretisierung der Vertretungsregelung vorgenommen. Danach liegt es künftig in der Hand der Schiedspersonen, zu entscheiden, ob trotz zulässiger Vertretung durch einen Bevollmächtigten dennoch zusätzlich das persönliche Erscheinen von Beteiligten angeordnet wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Schiedsperson Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass ohne die persönliche Anwesenheit eine gütliche Streitbeilegung infrage steht.

 

Nun noch einige Anmerkungen zur Anhebung der Gebührensätze: Die Gebühr für ein Schlichtungsverfahren beträgt derzeit 10 Euro, künftig 20 Euro. Endet das Verfahren mit einem Vergleich, erhöht sich die Verfahrensgebühr auf 20 Euro derzeit und künftig auf 40 Euro. Im Einzelfall kann die Gebühr auf maximal 35 Euro, künftig auf 50 Euro erhöht werden. Ich denke, die Erhöhung dieser Beträge ist durchaus gerechtfertigt und ich finde, sie fällt sehr moderat aus. Ich persönlich frage mich allerdings, ob diese Beträge insgesamt der Bedeutung und Wertigkeit der Arbeit der Schiedsmänner und Schiedsfrauen gerecht werden, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass von den vereinnahmten Gebühren jeweils nur die Hälfte an die Schiedspersonen geht, während die andere Hälfte an die Gemeinde fließt. Gewiss, Schiedsmänner, Schiedsfrauen arbeiten ehrenamtlich und Ehrenamt wird nun mal nicht vergütet. Man tut es der Ehre wegen. Aber Ehrenamt verdient Anerkennung und Wertschätzung. Dazu gehört in meinen Augen eben auch eine angemessene Aufwandsentschädigung.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Diese Auffassung teilt im Übrigen auch der Gemeinde- und Städtebund Thüringen, der in seiner Stellungnahme den Wunsch ausspricht, dass das Amt der Schiedsperson auch in finanzieller Hinsicht mehr gewürdigt wird. Mir fallen in dem Zusammenhang die Stichworte „Ehrenamt in die Thüringer Verfassung“ und „Ehrenamtsfördergesetz“ ein. Das sind Fragen, die wir hier im Landtag schon diskutiert haben und auch noch weiter diskutieren werden.

 

Ich möchte diese Überlegungen hier nicht weiter vertiefen, aber gerade an dieser Stelle ist es mir ein Bedürfnis, den Thüringer Schiedsmännern und Schiedsfrauen Hochachtung und Anerkennung auszusprechen,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

dafür, dass sie sich in vielen Stunden ihrer Freizeit mit ihrer Lebenserfahrung und hoher sozialer Kompetenz darum bemühen, Rechtsstreitigkeiten ihrer Mitmenschen zu schlichten. Sie leisten eine Arbeit, die anstrengend ist und für die an anderer Stelle hohe Stundensätze verlangt werden. Diesem selbstlosen Einsatz für das Gemeinwohl gilt mein, und ich denke, ich kann sagen, unser aller herzlicher Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Noch ein Wort zu Ihrem Ansinnen, Herr Sesselmann, das Schiedsstellengesetz und damit die Schiedsstellen abzuschaffen: Sie hatten dazu bereits in der ersten Lesung ausführlich vorgetragen, und ich habe heute vernommen, dass Sie an dieser Auffassung festhalten. Ich muss gestehen, dass es schwerfällt, Ihre Argumentation nachzuvollziehen. Wie Sie vor allem in Ihrem Beitrag zur ersten Lesung ausgeführt haben, kann man aus Ihrer Sicht auf dieses Gesetz verzichten, kann man dieses Gesetz getrost streichen, um mit Ihren Worten zu sprechen, weil – und da zitiere ich Sie – wir „mittlerweile […] alternative Konfliktlösungen, beispielsweise im Thüringer Beirat für alternative Konfliktlösungen [haben]“. Sie haben das heute noch mal bekräftigt. Erstaunlicherweise verweist genau dieser Beirat in seiner Stellungnahme darauf, dass dort oft nach Schiedsstellen nachgefragt wird. Deshalb begrüßt der von Ihnen erwähnte Beirat ausdrücklich die flächendeckende Präsenz der Schiedsstellen und die Sicherstellung ihres unkomplizierten Zugangs. Wie verträgt sich diese Aussage mit Ihrer Behauptung, für Schiedsstellen gäbe es überhaupt keinen Bedarf mehr?

 

Auch das Bündnis Konfliktlösung Sachsen bezeichnet die Schiedsstellen als eine begrüßenswerte Einrichtung. Und der Thüringer Rechnungshof lobt die friedensstiftende Tätigkeit der Schiedsstellen, die sich bewährt hat und beibehalten werden sollte. In der Anhörung gab es niemanden, der die Berechtigung der Schiedsstellen im Gefüge der Vielfalt von alternativen Konfliktlösungseinrichtungen auch nur ansatzweise infrage gestellt hätte, und das in Kenntnis der Tatsache, dass die Zahl der Fälle, die von den Schiedsstellen bearbeitet wird, überschaubar ist.

 

Was Sie diesen klaren Argumenten entgegenzusetzen haben, das hätte ich mir gewünscht, dass Sie das heute dargelegt hätten. Das ist leider nicht der Fall. Schade!

 

(Zwischenruf Abg. Sesselmann, AfD: Man muss es sich leisten können!)

 

Soweit Sie das Mediationsgesetz zu Vergleichen heranziehen und daraus schlussfolgern, dass Mediation die Schlichtung durch Schiedsstellen ersetzen kann, so sind Sie auch da auf dem Holzweg. Mediation und Schlichtungsverfahren sind zwei unterschiedliche Verfahren, die nicht gegenseitig austauschbar oder ersetzbar sind. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann können Sie das auch in der Stellungnahme des Thüringer Beirats für alternative Konfliktlösungen nachlesen, auf den Sie sich ja immer wieder berufen.

Meine Redezeit geht zu Ende, es gäbe noch einiges zu Ihrem Beitrag, Herr Sesselmann, zu sagen, aber leider habe ich nicht mehr so viel Zeit. Ich komme deshalb zum Ende.

Es hat lange gedauert, bis dieser Gesetzentwurf den Weg hier in das Plenum zur zweiten Lesung und zur Abstimmung heute geschafft hat. Aber man sagt ja so schön: Was lange währt, wird endlich gut.

 

Es ist ein gutes, es ist ein ausgewogenes Gesetz, ein Gesetz, das unsere Schiedsstellen und deren Arbeit stärkt. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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