Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Markus Gleichmann

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/9186

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste hier vor Ort und auch am Livestream! Wer hätte gedacht, dass wir am heutigen Tag zum einen noch über diesen Tagesordnungspunkt reden und zum anderen, dass er so eine Relevanz hat. Denn hinter dem sperrigen Titel „Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ steht doch ein sehr zeitgeschichtlich auch wichtiger Aspekt. Denn neben „Nie wieder ist jetzt“, worüber wir uns jetzt schon verständigt haben, hieß es doch auch immer, „Währet den Anfängen“. Und ich kann mich erinnern, dass vor Kurzem bei der feierlichen Einweihung eines Gedenksteins in Kahla in Erinnerung an die Bücherverbrennung dort ein Vertreter der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald gesagt hat, „Währet den Anfängen“ ist schon vorbei, es ist schon zu spät, wir sind schon wieder mittendrin in dieser Mühle, die auch im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Deutschland erfasste. Da muss man eben feststellen, dass es nicht losging mit der Vernichtung in den Gaskammern oder Arbeitslagern, sondern es ging los mit Ausgrenzung, es ging los mit der Definition, wer wie nach Deutschland passt oder eben nicht passt und wer hier nützlich ist und wer nicht nützlich ist. Es ging los mit dem Arbeitszwang für Angehörige des Deutschen Reichs, mit der „Aktion Arbeitsscheu Reich“, wo über 100.000 Menschen, die so genannt wurden, in Arbeitslager gebracht wurden und das alles unter Führung der NSDAP, deren Bezüge noch heute auch zur hiesig sitzenden Fraktion nicht mehr wegzudenken sind. Und es ging weiter mit Zwangsarbeit aus dem Ausland – Hunderttausende Zwangsarbeiter, später Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Ausland wurden hier nach Deutschland gebracht –, erst in der Landwirtschaft, später vor allen Dingen in der Wirtschaft und Rüstung, sodass es spätestens im Jahr 1944 auch in Thüringen zum Alltag gehörte. Über 500.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in Deutschland allein in Thüringen in den Betrieben eingesetzt. Und das betraf alle, das betraf Betriebe von Altenburg, der HASAG zum Beispiel, das ging weiter über Berga, Rüstungsverlagerung Schwalbe V, das ging weiter über die HESCHO-Werke in Hermsdorf, die Porzellanwerke in Kahla, Schwarza, Chemiedreieck, BMW Eisenach – alle möglichen Firmen haben sich der Zwangsarbeit bedient und haben damit auch Profite gemacht. Man muss sagen, viele Menschen haben weggeschaut, haben diese Verwertung und Vernichtung von Millionen von Menschen mitgemacht und eben nicht ihre Stimme erhoben und gesagt, jetzt reicht es uns. Das ist eine wichtige Lehre, die wir aus der Geschichte gezogen haben und die wir ziehen wollen und die sich heute auch wieder gezeigt hat.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Und es geht noch einen Schritt weiter – um den Bezug zu Thüringen zu stärken und warum es auch so wichtig ist, dass eben die Stiftung jetzt diese Erweiterung des Stiftungszwecks für dieses Museum Zwangsarbeit bekommt –: All das, diese ganze Zwangsarbeit ist organisiert worden aus Thüringen heraus bzw. von Fritz Sauckel als Gauleiter von Thüringen und später dann auch Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Unsere Thüringer Landesvertretung in Berlin war damals Hauptpunkt der Organisation dieses Arbeitseinsatzes von Millionen von Menschen, die nach Deutschland gebracht wurden, und von Millionen von Menschen, die ihre Heimat nie wieder gesehen haben, weil sie auf den Baustellen oder in den Betrieben zu Tode gekommen sind durch schlechte Behandlung, durch Typhus, Tuberkulose, Krankheiten, durch den Arbeitsdruck und vor allen Dingen auch durch die Vernichtung durch Arbeit, die sie vor den Wachmannschaften einzustecken hatten.

 

Das war eben nicht nur die SS, das waren nicht irgendwelche vom Mond hergekommenen Menschen, die irgendwie der Meinung waren, sie müssen die Menschen versklaven. Nein, es waren alle, die gesamte Zivilgesellschaft. Denn viele der Betriebe waren zivilgesellschaftlich organisiert. Viele der Rüstungsbetriebe waren zivilgesellschaftlich organisiert, und das zeigt eben auch, wie wichtig es ist, daran nicht nur zu erinnern und zu gedenken an Gedenktagen. Das haben wir ja jetzt die letzten 79 Jahre gemacht, aber so richtig erfolgreich scheint es ja nicht gewesen zu sein, wenn man sich das heute anschaut.

Insofern ist es wichtig, diese Gedenkarbeit in die Mitte, in das Zentrum von Thüringen zu bringen, und da ist Weimar ein sehr, sehr wichtiger Ort. Deswegen ein Dank auch an die Stiftung, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das seit Jahren betreuen und die auch quasi an der Erarbeitung der ursprünglichen Ausstellung – das war ja eine mobile Wanderausstellung, die in Europa und auch weltweit unterwegs war – gearbeitet haben, um eben auch deutlich zu machen, Zwangsarbeit war etwas, was es überall, in jedem Dorf gab. Man konnte sich dieser nicht entziehen, jeder hat mitbekommen, dass es das gab. Und auch heute gibt es wieder den Wunsch nach Zwangsarbeit. Menschen, die vielleicht nicht in unser Weltbild passen, Menschen, die sich entschieden haben, ihr Leben anders zu leben, auch die werden heute wieder als arbeitsscheu bezeichnet. Deswegen ist es wichtig zu erinnern, wozu es führte, und eben dieses „Nie wieder“ zu stärken.

 

Deswegen bitten wir auch, diesen Gesetzentwurf bzw. diese Änderung des Stiftungsgesetzes hier in erster und zweiter Lesung durchzuführen. Ich bitte alle demokratischen Parteien hier im Raum, dies auch in dem Maße in der notwendigen Achtung miteinander durchzuführen. Ich glaube, wir sind uns da auch einig und ich denke, wir können uns dort auch eines moralischen Kompasses bedienen, der uns eint.

Insofern danke ich, dass es gelungen ist, diese Änderung hier einzubringen, und bedanke mich im Voraus schon mal, dass es allen Demokratinnen und Demoraten hier am Herzen liegt, diese Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und eben nicht nur bei Gedenktagen „Nie wieder“ zu sagen, sondern das eben auch in den Alltag einfließen zu lassen bei allem, was uns auch noch erwartet. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

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