Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3601


Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, jetzt bin ich, glaube ich, zum richtigen Tagesordnungspunkt hier vorn.


(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Anja, du bist immer richtig!)


Ich möchte ganz kurz mal der AfD den Einwohnerantrag erläutern, denn das ist ja ein – in Anführungszeichen – „Schwachsinn“, was Sie hier vorgetragen haben. Sie wissen schon, ein Einwohnerantrag fordert den Gemeinderat dazu auf, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen.


Vizepräsidentin Jung:


Frau Abgeordnete, wir sind hier im Landtag.


Abgeordnete Müller, DIE LINKE:


Ich habe Anführungsstriche gemacht.


(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: In Anführungsstrichen, da gibt es keinen Ordnungsruf!)


Vizepräsidentin Jung:


Ja, das mindert das Ganze nicht. Ich ermahne Sie deswegen.


Abgeordnete Müller, DIE LINKE:


Das nehme ich auch gern an.


Aber dass da abgestimmt werden soll? Es geht einzig und allein darum, dass sich der Gemeinderat mit einem Thema auseinandersetzt. Was Sie da hier wieder propagieren, zeigt mir eigentlich sehr deutlich, dass Sie von diesem Gesetzentwurf keine Ahnung haben, ihn nicht richtig gelesen haben und daher werden wir auch Ihrem Änderungsantrag in keinem Fall zustimmen.


Zurück zu unserem Geänderten. In der ersten Lesung hat meine Kollegin Dorothea Marx die Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Thüringer Gesetzes über Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid erläutert. Nach der Beratung des Gesetzentwurfs im Innenausschuss, die auch eine schriftliche Anhörung umfasste, steht fest, es wurden keine Einwände vorgebracht, auch nicht von den kommunalen Spitzenverbänden. Nicht nur bezogen auf den vorliegenden Verfahrenspunkt, sondern für alle Inhalte dieses neuen Verfahrensgesetzes gilt, wir werden mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten, wie sich die neuen Regelungen in der Praxis bewähren. Fest steht aber auch, dass Thüringen mit dieser jüngst durchgeführten Reform – die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene – eine Vorreiterrolle in Deutschland übernommen hat. Im neuesten Bürgerbegehren-Ranking des Bundesvorstands von Mehr Demokratie steht Thüringen im Bundesländervergleich auf Platz 1. Es gibt nun zum Beispiel das Ratsbegehren bzw. das Ratsreferendum.

Sehr geehrte Kollegin Frau Holbe, Sie haben eben gesagt, Sie haben unseren Gesetzentwurf beim ersten Mal abgelehnt und kurz danach auf Landesebene das Referendum ins Spiel gebracht. Von daher verstehe ich jetzt Ihre Haltung und auch die Kritik an diesem Gesetzentwurf nicht, denn wenn man das eine auf kommunaler Ebene ablehnt und auf einmal auf Landesebene voranbringt, das zeigt eigentlich, dass auch da noch großer Diskussionsbedarf innerhalb Ihrer Fraktion besteht.


Thüringen ist auch das erste Bundesland, das die Verfahrensregeln für Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid übersichtlich und klar strukturiert in einem eigenen Verfahrensgesetz festgeschrieben hat. Aber wir als Linke machen auch klar – und das gilt übrigens in der gesamten Koalition –, die direkte Demokratie auch auf Landesebene muss weiter ausgebaut werden.


(Unruhe AfD)


– Das hat damit, glaube ich, nichts zu tun. – Dazu komme ich, denn das sogenannte Finanztabu hat noch immer die fatale Wirkung, die meisten Themen von der tatsächlichen Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger auszunehmen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben schon in der vergangenen Wahlperiode auf positive Weiterentwicklungen in anderen Bundesländern verwiesen, dort sind zum Beispiel Volksbegehren mit finanziellen Auswirkungen anders als derzeit in Thüringen grundsätzlich zulässig. Nur zum laufenden Landeshaushalt ist kein Volksbegehren zulässig, weil in diesem Fall das Parlament beispielsweise sein Budgetrecht schon konkret ausübt. Wir diskutieren gerade sehr intensiv mit den Koalitionspartnern über eine Weiterentwicklung auch hinsichtlich der Abschaffung des Finanzvorbehalts. Das tun wir in einer sehr intensiven Debatte, das kann man wirklich hier sagen. Skeptikern, die befürchten, dass bei mehr direkter Demokratie hinsichtlich Menschenrechten und Minderheitenschutz sehr problematische Entscheidungen entstehen könnten, sei gesagt, in Deutschland – damit auch in Thüringen – unterliegt die direkte Demokratie, gerade auch die Inhalte, der Kontrolle durch Verfassungsgerichte. Daher sind solche problematischen Ergebnisse praktisch ausgeschlossen.


Wie gerade gesagt, hat der Gesetzgeber die Pflicht zu tatsächlich wirksamen Mitbestimmungsrechten. Deshalb ist die oben angesprochene kontinuierliche Evaluierung des neuen Thüringer EBBG – kurz gesprochen – auch so wichtig. Die sinkenden Beteiligungsquoten bei Wahlen zeigen auch, dass die Menschen vor Ort in Sachen Demokratie endlich wirklich ernst genommen werden wollen. Sie wollen auch Sachfragen mit entscheiden und dort ihr Wissen und ihre Kompetenz mit einbringen. Ich danke Ihnen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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