Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gaststättengesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3684


Vielen Dank, Frau Präsidentin! Es ist schön, dass ich gerade die erste Rede halten darf, wenn Sie das erste Mal hier vorn sitzen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete! Kollege Bühl, bevor ich in die Inhalte einsteige, zwei Dinge: Erstens bezweifele ich es, dass Sie sich in die Seele der rot-rot-grünen Koalition hineindenken können.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das bezweifle ich ganz stark und ich bin auch der Hoffnung, dass Sie das nicht können, das sage ich auch hier mal ganz klar an dieser Stelle. Und zweitens sagen Sie, dass hier etwas gemacht wird, damit der Ministerpräsident kein Ankündigungsminister ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Bühl, die rot-rot-grüne Landesregierung macht Gesetze


(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Was für Gesetze?!)


und macht Gesetze, die für das Land etwas bringen.


(Unruhe CDU)


Und deshalb hat der Ministerpräsident sicherlich auch darauf hingewirkt, dass dieses Gesetz, was heute hier zur Verabschiedung vorliegt, auch verabschiedet wird.


(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Wir machen die Gesetze!)


Es geht also nicht um Ankündigungen, es geht um das Verabschieden von Gesetzen, die gut sind für dieses Land, meine sehr geehrten Damen und Herren.


(Beifall DIE LINKE)


Und es stimmt schon: Vorausgegangen ist dieser Diskussion heute ja schon eine erste Lesung in diesem Haus; auch die war sehr kontrovers, das mag wohl so sein, an den unterschiedlichsten Punkten, vor allen Dingen an einem Punkt, den der Kollege Bühl ja auch sehr ausführlich in seiner Rede zum Schluss dargestellt hat. Ich werde darauf auch noch etwas intensiver eingehen, allerdings logischerweise von der anderen Seite her. Folgte man aber Ihrer Argumentation, die Sie in Bezug auf die Antidiskriminierung hier gegeben haben, dann wäre Ihre Aussage zu den Fragen der Spielautomaten genau andersherum zu sehen. Dann dürften Sie hier keine Sperrzeitenveränderungen überhaupt vornehmen wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren.


Aber lassen Sie mich eingangs auf die im Wirtschaftsausschuss vorgenommene Anpassung des § 6 – Nebenleistungen – eingehen. Die neue Formulierung reagiert auf formale Hinweise der Stadt Jena, für die wir ausgesprochen dankbar sind. Das will ich an dieser Stelle hier auch noch mal sagen. Ich möchte für meine Fraktion allerdings auch noch mal betonen, dass die vorgeschlagene Änderung weder darauf zielt, den Schutz der Sonntagsruhe auszuhebeln, noch eine Erhöhung der Belastungen von Bäckereifachverkäuferinnen und -verkäufern als Zielstellung hat. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung wird ausschließlich geregelt, dass in den derzeit bereits geöffneten Bäckerei-Cafés, die unter das Gaststättengesetz fallen, Kuchen und Brötchen nicht nur an die Kundinnen und Kunden abgegeben werden dürfen, die diese vor Ort verzehren möchten, sondern auch an Käuferinnen und Käufer, die diese mit nach Hause nehmen wollen, und zwar orientiert an den Öffnungszeiten des Cafés und nicht mehr an der Begrenzung im Ladenöffnungsgesetz. Sehr bewusst haben wir hingegen ausgeschlossen, dass sogenannte Mischbetriebe, etwa Bekleidungsgeschäfte mit angeschlossenen Cafés, die Anpassung nutzen können, um das Ladenöffnungszeitgesetz auszuhebeln. Wir sagen klar und bleiben dabei: Der freie Sonntag für möglichst viele Beschäftigte ist und bleibt eine wichtige Grundsäule des Arbeitnehmerschutzes, meine sehr geehrten Damen und Herren.


(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum zweiten Schwerpunkt des Gesetzes, der Ausweitung der Sperrzeiten bei Glücksspielautomaten auch auf Gaststätten, gab es im Ausschuss eine deutliche Positionierung, dass dieser Schritt richtig ist im Sinne der Suchtprävention. Ich begrüße das ausdrücklich und dieses „ausdrücklich“ habe ich auch schon in der ersten Lesung hier im Haus gesagt. Nicht zuletzt die in der vergangenen Woche veröffentlichten Zahlen in der TLZ zum Spielverhalten von Suchtkranken belegen eindrücklich, welch hohen Stellenwert Geldspielgeräte für die Sucht besitzen. 86,2 Prozent der Klienten der ambulanten Hilfe in Thüringen nutzen entsprechende Maschinen, um ihre Sucht zu befriedigen. Für viele suchtkranke Menschen beginnt die erste Glücksspielerfahrung an solchen Automaten.

Zu diesem Themenschwerpunkt, ich will hier ausdrücklich darauf eingehen, hatte der Kollege Gentele einen Änderungsantrag eingebracht, nämlich zu den Glückspielautomaten an den Raststätten, die es gibt. Ich kann sagen und ich kann das auch aus eigener Erfahrung sagen, leider auch aus Erfahrungen aus dem eigenen Familienkreis, dass genau diese Glücksspielautomaten, die an Raststätten an den Autobahnen sind, eine der häufigsten Ursachen sind für eine Spielsucht, gerade bei Fernfahrerinnen und Fernfahrern, die tagtäglich damit in Kontakt gebracht werden und auch immer wieder nicht davor gefeit sind. Leider ist es nicht möglich, Kollege Gentele – und ich gehe davon aus, dass Sie deshalb diesen Änderungsantrag zurückgezogen haben –, dieses mit einer Landesregelung zu verändern bzw. das in einer Landesregelung aufzunehmen, weil es unter das Bundesgesetz fällt an dieser Stelle. Ansonsten hätten wir Ihrem Änderungsantrag – das sage ich ausdrücklich für die Koalition – gern zugestimmt. Leider ist es an der Stelle nicht möglich. Aber da spreche ich auch wieder den Kollegen Bühl an: Wenn Sie so sehr für die Einschränkung dieser Geschichten der Automaten sind, dann sicherlich auch an den Raststätten. Das ist eine Bundesregelung. Kollege Bühl, Sie haben ja jetzt die besten Kontakte, Ihr Bruder ist seit Sonntag Bundestagsabgeordneter für die AfD im Bundestag,


(Beifall AfD)


vielleicht gibt es ja dort die Möglichkeit, dass Sie es mit ihm bereden können, dass das eine Bundesinitiative an dieser Stelle wird. Da ich aber nicht weiß, ob das passiert, möchte ich es trotzdem nicht dabei bewenden lassen und habe deshalb die Bitte an unsere Landesregierung, dieses Thema, welches ich für sehr wichtig halte, mitzunehmen. Ich gucke dabei auch in Richtung des Ministers in der Staatskanzlei, dieses Thema mitzunehmen und etwa im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz auch darauf hinzuwirken – ich gucke an der Stelle die Verkehrsministerin an –, dass wir ähnliche Regelungen, wie wir sie in Thüringen haben, auch für Raststätten und Tankstellen vorsehen können in einer Bundesgesetzgebung.


Abschließend möchte ich auf die neuen Antidiskriminierungsbestimmungen zu sprechen kommen. Auch hier will ich ganz, ganz deutlich sagen: Jede einzelne Diskriminierung ist eine zu viel.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mir ist es an dieser Stelle völlig egal, ob es in Thüringen bereits massenhaft Diskriminierungen gegeben hat oder nicht. Wenn es gelingt, mit diesen Regelungen Diskriminierungen entgegenzuwirken, dann ist es die richtige Richtung, die wir an dieser Stelle einschlagen, meine Damen und Herren.


(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Ach so. Und Sie diskriminieren hier auch!)


Dieser Punkt hat bei der Beratung im Wirtschaftsausschuss – auch das will ich noch mal sagen – die meiste Zeit eingenommen. Hier hatte die CDU einen Änderungsantrag eingebracht, den die Vertreterinnen und Vertreter – das wurde hier schon gesagt – unserer Koalition nach ausgiebiger Diskussion aus meiner Sicht zu Recht abgewiesen haben. Der Änderungsantrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurde nicht besser, als ihn die CDU heute hier wieder eingebracht hat.


Ich möchte an dieser Stelle dem Kollegen Hasenbeck aus der Staatskanzlei danken, der die Koordinierungsstelle für Antidiskriminierungsfragen leitet und mit klaren und eindeutigen Worten in seiner Diskussion im Wirtschaftsausschuss den Sachverstand zu diesem Themenfeld eingebracht und hier deutlich gemacht hat, welche Richtung jetzt eingeschlagen werden soll. Diskriminierung ist auch an Thüringer Diskothekentüren leider immer wieder Realität, wobei das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eben nicht greift. Weil die Diskriminierten den umständlichen und oft langwierigen zivilrechtgerichtlichen Weg zur Klärung scheuen, deshalb ist es vollkommen richtig, dass wir künftig die Ordnungsbehörden aktivieren, um den staatlichen Schutz der von Diskriminierung Betroffenen gemäß des Artikels 3 Grundgesetz zu stärken.


Und ich möchte mich an dieser Stelle übrigens auch bei der CDU bedanken, nicht für den unverständlichen Änderungsantrag, der eingebracht worden ist, aber für die Auswahl der Anzuhörenden. Die Ausschussmitglieder werden sich erinnern können: Ich war zunächst sehr erstaunt im Vorfeld, wo die Anzuhörenden ausgesucht wurden, weshalb die CDU niedersächsische Großstädte als Anzuhörende vorgeschlagen hat. Inzwischen weiß ich es natürlich, gelten doch in Niedersachen in diesem Punkt vergleichbare Bestimmungen, wie wir sie in Thüringen einführen wollen. Auch darauf ist Kollege Bühl eingegangen, nur auf die andere Seite hin. Ich würde die Stellungnahme der Stadt Niedersachsen gern einmal von der anderen Seite beleuchten. Insofern möchte ich die insbesondere aus Ihrem Vorschlag resultierende Stellungnahme der Stadt Hannover deshalb aufgrund einiger Vorhalte Ihrerseits hier tatsächlich auch noch ein wenig zitieren.


So heißt es etwa zur Notwendigkeit der Regelung in Ergänzung zum allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – Zitat –: „Die Antidiskriminierungsstelle der [Landeshauptstadt Hannover] befürwortet ausdrücklich die neue Bestimmung im Gaststättenrecht. Die zivilrechtlichen Möglichkeiten aus dem [Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz] werden selten ausgeschöpft. Die Möglichkeit der Anzeige einer Ordnungswidrigkeit ist eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Recht.“ – man höre! Insbesondere habe die Sensibilisierung nach der Gesetzesänderung dazu geführt, dass Türsteherinnen und Türsteher weitergebildet wurden und davon auszugehen sei, dass das reale Diskriminierungen gesenkt habe. Auch hier sage ich wieder: Hört, hört!


Spannend auch die Hinweise zur von der CDU vermuteten Zunahme von Bürokratie, auch darüber hat Herr Bühl gesprochen. Die Stadt Hannover vermeldet hierbei, es „entstand durch die Gesetzesänderung kein bürokratischer Mehraufwand, da das Sachgebiet Sonstige Ordnungswidrigkeit Anzeigen nach dem vorhandenen/üblichen Verfahren bearbeitet.“


Und ich erlaube mir noch ein Zitat aus der Stellungnahme der Landeshauptstadt Hannover, weil vermutlich jetzt gleich wieder von einer anderen Seite kommen wird, eine Diskriminierung aller Deutschen oder, oder, oder. Zur Frage nämlich, ob es Erfahrungen zur missbräuchlichen Nutzung der neuen gesetzlichen Vorgaben in Niedersachsen gibt, wird seitens der Stadt Hannover klargestellt: „Ein Missbrauch der Änderung im Gaststättenrecht ist aus Sicht der [Antidiskriminierungsstelle] Hannover unwahrscheinlich. Aus unserer Erfahrung ‚erfinden‘ Menschen keine Diskriminierungsvorwürfe und haben durch Beschwerden/Anzeigen/Klagen keine persönlichen Vorteile. Im Gegenteil: Die betroffenen Personen setzen sich Anzweiflungen, Relativierungen und vehementer Abwehr aus, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen. Sie zu unterstützen und effektive Instrumente zur Verfügung zu stellen, ist damit umso wichtiger.“


Aufgrund dieser realen Praxiserfahrungen verbunden mit der Stellungnahme von Herrn Hasenbeck im Rahmen des Ausschusses haben wir den aus unserer Sicht abwegigen Vorschlag der CDU-Fraktion, nämlich die Antidiskriminierungsbestimmungen zu schleifen, guten Gewissens abgelehnt, meine sehr geehrten Damen und Herren.


Zum Abschluss möchte ich jedoch noch eines sagen, weil die Diskussion im Ausschuss teilweise auch in eine andere Richtung gelaufen ist. Auch hier muss ich noch einmal auf Kollegen Bühl zu sprechen kommen: Kollege Bühl hat im Ausschuss der Landesregierung vorgeworfen, warum nicht weitere Diskriminierungstatbestände mit aufgenommen wurden, nämlich zum Beispiel die Frage der sexuellen Diskriminierung. Aus meiner Sicht wäre das ein guter Vorschlag gewesen und ich hätte es erwartet, dass die CDU-Fraktion heute einen Änderungsantrag hier in das Plenum einbringt, welcher möglicherweise diese Frage einer weiteren Erweiterung eines neuen Antidiskriminierungstatbestands mit einbringt. Aber nein, es kommt, wie schon ausgeführt, der bekannte abgelehnte Änderungsantrag nur als neuer Aufguss. Es ist einfach ein Widerspruch in sich, wenn man auf der einen Seite sagt, es gibt noch weitere Diskriminierungstatbestände, ihr in der Landesregierung habt aber nur wenige aufgenommen, nur in einer Richtung, nehmt doch mehr auf – und dann nicht diesen Änderungsantrag an dieser Stelle einbringt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das kann ich schlicht und ergreifend einfach nicht verstehen.

Aber auch so ist der uns vorliegende Gesetzentwurf eine runde Sache. Ich bitte deshalb auch im Namen meiner Fraktion – der Linken – um Ihre Zustimmung. Ich denke, dass wir diesem Gesetzentwurf einen wesentlichen Schritt in Richtung einer weiteren Demokratisierung, gegen die Suchtgefahren und vor allem auch gegen die Diskriminierung weiterkommen werden. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien