Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Archivgesetzes 2/2

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/1713


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Archivgesetzes hat es sich zur Aufgabe gemacht – das haben wir hier jetzt alle auch verstanden –, die Archivlandschaft Thüringens neu und besser zu strukturieren. Jetzt kommt das nicht aus dem luftleeren Raum, sondern es ist im Rahmen des Reformkonzepts 2020 entstanden – das vielleicht noch mal zur Erinnerung.

Die Zusammenfassung der sechs Staatsarchive unter dem Dach eines Landesarchivs wird aus meiner Sicht wesentliche Vorteile bringen und den einzelnen Staatsarchiven dennoch eigene Entscheidungsbefugnis und Eigenständigkeit belassen. Die Sorge, die auch im Anhörungsverfahren zum Ausdruck gebracht wurde, die Staatsarchive würden nun nicht mehr eigenständig arbeiten dürfen und müssten quasi für jeden Bleistift in Weimar anfragen, wird aus meiner Sicht durch die Geschäftsordnung entkräftet, die sehr klar und deutlich die hoheitlichen Aufgaben der regional verankerten Archive beschreibt und auch die Mitbestimmungsrechte der einzelnen Archivleiterinnen und -leiter bekräftigt.

Herr Kellner, ich habe mich das im Ausschuss schon gefragt – Sie haben offensichtlich das Prinzip einer Landesbehörde nicht verstanden, deswegen sei mir die zugegeben populistische Frage erlaubt: Geben Sie Ihre Steuererklärung vielleicht zufällig auch direkt im Finanzministerium ab oder ist Ihnen bewusst, dass das Finanzamt auch regional bei Ihnen vertreten ist, wo Sie das abgeben können?


Was heißt es also nun genau bezogen auf das Landesarchiv? Die sechs Staatsarchive arbeiten zwar bereits jetzt in einigen Aspekten zusammen – das haben meine Kollegen und auch Herr Kellner schon kundgetan –, allerdings fehlt all dem eine feste und gesetzlich verankerte Grundlage. Ein Landesarchiv kann aus meiner Sicht in diesem Bereich Planungssicherheit gewährleisten. Perspektivisch wird eine Zusammenarbeit als Landesarchiv aber vor allem der Benutzer- und Wissenschaftsfreundlichkeit dienen, da man beispielsweise, was es in Thüringen auch überhaupt noch nicht gibt, standortübergreifende Nutzerausweise etablieren könnte, welche in ganz Thüringen Gültigkeit hätten. Wer sich ein bisschen auskennt, weiß, das muss man für jedes Archiv einzeln tun.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich von Chancen spreche, die ein künftiges Landesarchiv bieten wird, dann komme ich zwangsweise zu dem Stichwort „Digitalisierung“ und damit zu dem von uns eingebrachten Entschließungsantrag zurück. Die Leitende Archivdirektorin des Landesarchivs Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Ulrike Höroldt, verbindet Digitalisierung und Landesarchive übrigens folgendermaßen – ich zitiere aus der Anhörung –: „Hauptgrundlage allen archivischen Arbeitens sind heute archivische IT-Fachanwendungen, die […] nicht nur alle digitalen Erschließungsdaten […] verwalten, sondern die relevanten Daten auch […] in die Online-Angebote der Archive einpflegen, um sie ortsunabhängig recherchierbar zu machen. Eine solche Fachanwendung kann nur zentral betreut werden.“ Im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine leistungsfähige digitale Archivierung und Infrastruktur ergänzt der Leitende Archivdirektor des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, Dr. Bernhard Post – wieder ein Zitat –: „Insgesamt macht dies eine zentral strukturiere Archivverwaltung erforderlich, die für die Schaffung dieser Voraussetzungen Sorge trägt. Über Insellösungen ist dies nicht zu leisten.“ Genau hier setzt die beabsichtigte Symbiose vom Gesetzentwurf der Landesregierung und unserem Entschließungsantrag an. Zentraler Aspekt des Entschließungsantrags ist die Digitalisierung und die damit verbundenen Erfordernisse. Dies beginnt bei einer genauen Definition des Begriffs „Unterlagen“ und setzt sich fort bei verbindlichen Maßnahmen zur gesetzeskonformen Speicherung, dem Umgang mit „born digital datas“ bis hin zur Zukunftsfähigkeit, Unveränderlichkeit und Nachnutzbarkeit digitaler Daten. Mit einem derart fortschrittlichen Archivgesetz können wir bundesweit zu einem Wegbereiter und Vorbild werden, denn kein einziges Bundesland hat sich bisher in seinem Archivgesetz adäquat an die Herausforderungen des digitalen Zeitalters herangetraut.


Zusammenfassend und vorrangig werden mit einer Berücksichtigung des Entschließungsantrags im Bereich der Digitalisierung folgende Verbesserungen erreicht: Die Zugänglichkeit von Archivgut wird massiv verbessert. Die Nutzungs- und Auswertungsmöglichkeiten – Stichwort „Nachnutzbarkeit“ – werden neue Forschungsfelder erlauben bzw. bestehende Forschungsfelder bereichern. Die Digitalisierung von Archivgut wird helfen, analoges Archivgut vor Gefährdungen zu schützen. Open Access bzw. die verbesserten Nutzungsmöglichkeiten werden die Sichtbarkeit Thüringens im überregionalen Raum beträchtlich erhöhen. Schließlich wird die Kombination von Landesarchiv und einer einheitlichen Digitalisierungsstrategie die Nutzerfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Digitalisierung und der digitalen Bestandserhaltung deutlich verbessern.


Mit dem Wort „Digitalisierung“ sind jedoch nicht alle Aspekte umfasst, die im vorgelegten Entschließungsantrag enthalten sind. Wie im Anhörungsverfahren angeregt, sollen Kreis- und Kommunalarchive gestärkt und angemessen ausgestattet werden und die Verantwortungsbereiche zwischen Landes- und Kommunalarchiven klar definiert werden. Wesentlich sind auch Neuregelungen im Bereich der Schutzfristen. Der Gesetzentwurf zum Bundesarchivgesetz kann hier Orientierung bieten. Dieser stellt die Verkürzung von Schutzfristen in Aussicht, was eine bedeutsame Steigerung an Nutzer- und Wissenschaftsfreundlichkeit bieten würde, vor allem im Hinblick auf die zeitgeschichtliche Forschung.


Bestandteil des Entschließungsantrags ist darüber hinaus eine zentrale Fachberatung und die Aus- und Weiterbildung von Archivpersonal. Das Gesamtpaket aus Struktur und Inhalt – also Gesetzentwurf und unserem Entschließungsantrag – wird die Zukunftsfähigkeit der Thüringer Archive – so glaube ich – nachhaltig und effizient sichern können. Wir können mit diesem Werkzeug nicht nur unseren im bundesweiten Vergleich deutlichen Rückstand aufholen, sondern es bietet sich die Chance, einen deutlichen Vorsprung zu entwickeln und auszubauen. Ich bitte daher um Zustimmung sowohl zum Gesetzentwurf als auch zu unserem Entschließungsantrag. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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