Ermittlungen zum organisierten Verbrechen in Thüringen: Ist Thüringen ein Zentrum mafiöser Strukturen?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2977


Meine Damen und Herren, ich will vielleicht damit beginnen festzustellen, dass es durchaus auch einem Land wie Thüringen gut steht, zwei so engagierte Journalisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben, die mit ihrer Recherchearbeit auch über innenpolitisch brisante Themen berichten, auch wenn die Veröffentlichungsinteressen der Medien nicht immer gleichzusetzen ist mit dem Geheimhaltungsinteresse der Sicherheitsbehörden. Aber trotzdem liefern sie wertvolle Anregungen natürlich auch für politische Debatten, was verändert werden muss. Und ich finde den Hinweis richtig: Dort, wo keine Kenntnis ist, kann auch keine Auseinandersetzung erfolgen. Deswegen ist es immer ein Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Aber ich glaube, es steht auch gut zu Gesicht, wenn man auch diese Recherchearbeit einmal als Parlamentarier honoriert, eben auch mit Hinweis auf die Interessenkonflikte.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Fiedler, ich will vielleicht in nur drei Punkten auf Ihren Redebeitrag oder auf Ihre Aktuelle Stunde antworten. Erstens: Wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sagen: „Warum hat uns Innenminister Poppenhäger nicht über die BKA-Ermittlungen informiert?“, dann frage ich Sie eigentlich: Wann hat denn Ihre CDU-Landesregierung seit 2009, mit dem Innenminister Geibert unter anderem, den Innenausschuss informiert über die seit 2009 laufenden Ermittlungen des BKA?


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie sich hierhinstellen und sagen: „Es gab da ein Informationsdefizit“, dann muss man doch im Umkehrschluss mal fragen: Warum gab es dieses Informationsdefizit und gibt es jetzt vielleicht auch eine Auflösung des Informationsdefizits? Da will ich Sie daran erinnern: Es war nicht nur eine Sitzung des Innenausschusses, sondern, meine Damen und Herren, in den letzten zwölf Monaten hat sich der Innenausschuss sechsmal mit dem Thema „Organisierte Kriminalität und Mafiastrukturen“ in Thüringen beschäftigt. Da ist es doch selbstverständlich, dass nicht in jeder Sitzung neue Informationen hinzukommen, sondern dass das eben auch in der Gesamtheit zu werten ist.


Ich will aber auch eines deutlich machen in dieser Beratung: Ihr Antrag zielt ja wieder darauf hin, zwei Sachen zu skandalisieren, zum Ersten, es gäbe ein Zentrum, eine Hochburg mafiöser Strukturen. Da merkt man allein schon bei der Wortwahl, dass es Ihnen gar nicht um eine sachliche Auseinandersetzung zu dem Kriminalitätsbereich der Organisierten Kriminalität geht. Es geht Ihnen einfach darum, zu skandalisieren: Hochburg mafiöser Strukturen. Da will ich auch mal deutlich sagen: Wo befinden wir uns denn wirklich in Thüringen? Und das gehört auch zur sachgerechten Information. Das Innenministerium hat gestützt auf das BKA-Lagebild den Innenausschuss darüber informiert, dass in dem Zeitraum der vergangenen Monate und Jahre sieben Ermittlungskomplexe, die zum Themenbereich der Organisierten Kriminalität zu zählen sind, durch die entsprechenden Behörden und Staatsanwaltschaften abgearbeitet worden sind mit einer Zahl von über 100 Tatverdächtigen. Wenn Sie das aber mal ins Verhältnis setzen zu dem, was wir bundesweit zu verzeichnen haben, dann werden Sie feststellen, dass von OK-Ermittlungsverfahren etwas mehr als 1 Prozent auf Thüringen entfallen. Und sich in Kenntnis dieser Zahlen hier hinzustellen, von Zentrum und von Hochburg zu sprechen, ist schon etwas unverfroren. Das soll aber nicht heißen, dass wir das Phänomen, das sich hier entwickelt – auch in Thüringen – nicht kritisch in den Blick nehmen. Aber dann sollte man zumindest anerkennen, dass möglicherweise dort, wo Sicherheitsbehörden, Polizei, Staatsanwaltschaft Erfurt, das Bundeskriminalamt über Jahre intensiv ermittelt haben – eben nicht die rechtsstaatlichen Voraussetzungen ermitteln konnten, um hier wirksam auch in einzelnen Bereichen tatsächlich zu Ermittlungs- und Strafverfahren zu kommen. In vielen anderen Bereichen der Organisierten Kriminalität ist das aber gelungen, wenn ich beispielsweise an die Rockerkriminalität denke oder an die der Rockerkriminalität angelehnte Struktur beispielsweise der „Saat des Bösen“. Dort gab es ja erfolgreiche Ermittlungsansätze. Wie gesagt, ich will das nicht beschönigen und kleinreden.


Aber Sie bezwecken ja noch etwas mit Ihren Aktuellen Stunden und da will ich doch die letzte Minute dazu nutzen, auch dazu etwas zu sagen. Sie stellen sich permanent hier vorne hin und sagen, die Thüringer Polizei leistet nicht ihre wichtige Aufgabe. Thüringen ist nicht darauf vorbereitet. Ich finde das auch eine Diskreditierung der Arbeit, die in den Polizeidienststellen in Thüringen begangen wird.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es eine Diskreditierung der Arbeit auch der Beamten, die im Landeskriminalamt tätig sind. Ich will Ihnen auch mal eines sagen mit Ihrem Blick auf Ihre heutige Aussage im MDR, dort werden Sie zitiert. Ich denke, das ist richtig: „Es ist eine Sauerei, dass hier in Thüringen die innere Sicherheit so weit unten gehalten wird.“ Herr Fiedler, ich glaube, es ist eine Sauerei, dass Sie sich wagen, so etwas zu sagen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stellenabbaupfad, 800 noch abzubauende Stellen bei der Polizei, 1.000 abzubauende Stellen, noch nicht untersetzt im Bereich des Innenministeriums, verantwortlich CDU. Der Rückgang der Beschäftigten und Bediensteten in der Polizei durch Nichtberücksichtigung bei den Ausbildungszahlen in Thüringen in den vergangenen Jahren – Verantwortung in Ihrer Partei liegend bei Ihrem Innenminister.


(Beifall DIE LINKE)


Und sich heute hinzustellen, dass für die Einstellungszahlen 2016 diese Regierung die Verantwortung hat, das sind nämlich die Zahlen, die 2014 als Anwärter aufgenommen worden sind, das halte ich wirklich für unverfroren. Aber ich sage auch ganz deutlich,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Dittes, Ihre Redezeit ist vorbei.


Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Ich sage auch ganz deutlich, Herr Poppenhäger, und das wird mein letzter Satz, die Schilderungen aus Mühlhausen sollten uns Anlass geben, unabhängig von diesem ideologischen Streit, schnellstmöglich auch die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten und auch intensiv zu diskutieren, welche Entscheidungen wir treffen müssen. Diese Verantwortung haben wir auch gegenüber den Bediensteten. Sie von der CDU nehmen Ihre Verantwortung auf unverantwortliche Weise wahr.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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