Equal Pay Day - Lohnlücken endlich schließen!

Lena Saniye Güngör

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/2846

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauende am Livestream, der Equal Pay Day – das wurde ausgeführt –, der geschlechtsspezifische Lohnunterschiede markiert, findet dieses Jahr eine Woche früher statt als noch im letzten Jahr. Dass das kein Grund zum Feiern ist, zeigt die Tatsache, dass diese Begründung in der gesteigerten Verwendung von Kurzarbeit liegt. Denn 18 Prozent Lohnunterschied im Jahr 2021 sind auch so ein Armutszeugnis.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wenn wir uns den innerdeutschen Vergleich anschauen, sehen wir: Ja, in Westdeutschland sind es sogar 20 Prozent, im Osten nur 6 Prozent. Aber das liegt eben nicht nur an feministischen Errungenschaften, sondern leider auch am insgesamt geringen Lohnniveau. Wenn wir uns die Reihung innerhalb Europas ansehen, liegt Deutschland sogar nur auf Platz 24.

 

Mir ist klar, sobald ich mich auf diese Werte beziehe – die CDU hat es gerade ausgeführt –, kommt der Widerspruch: Der sogenannte bereinigte Gender-Pay-Gap liegt in Thüringen aber doch nur bei 5,7 Prozent. 5,7 Prozent – das klingt doch erst mal nach gar nicht so viel, vielleicht ist das auch kein ganz so großes Problem, vielleicht ist das ja sogar fair. Doch was bedeutet der Begriff „bereinigt“ überhaupt? Das bedeutet, dass die 5,7 Prozent Lohnunterschied nur auf das Merkmal Geschlecht bezogen werden, Frauen bei gleicher Tätigkeit und gleicher Qualifikation also diskriminiert werden, einfach nur weil sie Frauen sind. Es heißt damit aber auch, dass die restlichen Lohnunterschiede auf diskriminierende Strukturen zurückzuführen sind, die Lohngleichheit verhindern – Strukturen wie Mini-Jobs, wie Teilzeit, wie die Intransparenz von Gehältern, wie die ungleichen Aufstiegschancen und wie auch Prekarität in frauendominierten Berufen.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, werden notorisch entwertet und damit auch geringer entlohnt. Das wurde in der Aktuellen Stunde zum 8. März bereits dankenswerterweise von Frau Abgeordneter Wahl ausgeführt. Sich zu kümmern ist weiterhin weiblich assoziiert, wie wir in den sozialen Berufen sehen. 83 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege, 67 Prozent der Angestellten im Einzelhandel, 95 Prozent aller Erziehenden sind Frauen. Das heißt: Frauen suchen sich nicht schlechter bezahlte Berufe aus, sondern Jobs, die sich Frauen aussuchen, werden schlechter bezahlt. Das ist nicht hinnehmbar.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Zum Thema „Respekt“, liebe FDP: Ich glaube, Frauen brauchen auch keine Empowerment-Rede, dass sie sich individuell besser für MINT-Fächer zu entscheiden hätten. Sondern es braucht eine Anerkennung, dass wir ein patriarchales System haben, was auch Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpolitik hat.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Dazu kommt der deutlich höhere Anteil von Frauen und von Erwerbsarbeit in Teilzeit. Damit schwingt dann häufig mit, dass Frauen, die in Mutterschutz und in Elternzeit gehen, viel weniger arbeiten und deshalb logischerweise weniger verdienen würden. Und hier kommen wir zum Gender-Care-Gap, liebe Kolleginnen und Kollegen, der die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit deklariert. Es geht nämlich nicht nur um die ungleiche Vergütung von Erwerbsarbeit, sondern es geht eben auch darum, dass Sorgearbeit gar nicht oder schlecht vergütet wird und trotzdem vorrangig bei Frauen liegt. Frauen wenden in Deutschland pro Woche über zehn Stunden mehr für Sorgearbeit auf als Männer – über zehn Stunden! Kein Wunder also, dass Frauen stärker in Teilzeit zu finden sind, wenn ihre Gesamtarbeitszeit pro Woche deutlich über dem liegt, was sie erwerbsmäßig ausbezahlt bekommen. Es ist also ein komplexes Problem und wir haben auch klare Strategien, um dem zu begegnen. Tarifbindungen sorgen für faire Löhne und gleiche Gehälter, Minijobs müssen endlich in sozialversicherungspflichtige Anstellung umgewandelt werden und die Entlohnung im Sozial- und Pflegebereich muss auch erhöht werden, nicht nur in der Pandemie. Die Rolle von Betriebsräten und Gewerkschaften wurde dankenswerterweise auch bereits ausgeführt und wir merken auch innerhalb der Pandemie, dass die Auswirkungen auf das Lohngefälle jetzt schon deutlich zu erkennen sind.

 

Eine kürzlich veröffentliche Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat gezeigt, dass der Anteil an Familien, in denen vorrangig die Frau für die Kinderbetreuung zuständig ist, sich seit Beginn der Pandemie verdoppelt hat. Auch wurde festgestellt, dass Frauen vermehrt in Homeoffice gegangen sind, um die anfallenden Sorgetätigkeiten überhaupt noch ausführen zu können, und bei Vätern ist das schlichtweg statistisch nicht der Fall.

 

Lassen Sie mich abschließend noch sagen, was bei dem teilweise auch hier gelobten 5,7 Prozent Gender-Pay-Gap nicht abgebildet ist: alles, was familienbedingte Erwerbsunterbrechung angeht. Es liegt damit nicht nur allgemein eine Ungleichbehandlung von Frauen vor, sondern auch konkret eine von Müttern, weil durch Elternschaft Einkommensverluste und daraus folgend auch Rentenverluste für Frauen entstehen. Altersarmut ist noch immer ein weibliches Phänomen. Also nein, auch der bereinigte Gender-Pay-Gap ist kein Grund zum Feiern. Wir müssen weiter für die gesellschaftliche Umverteilung und weiter für die Aufwertung von Sorgearbeit kämpfen. Und ich sage ganz klar, ich verlasse mich dabei nicht auf den Optimismus von männlichen Vorrednern. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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