Entlastung der Landesregierung für das Haushaltsjahr 2007 / Entlastung des Thüringer Rechnungshofs

Zum Antrag der Landesregierung - Drucksache 4/4662 - und zum Antrag des Thüringer Rechnungshofs - Drucksache 4/4722 -


Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Gegenstand der jetzigen Diskussion ist ja eigentlich der Haushaltsvollzug des Jahres 2008. Natürlich ist klar, wir reden vieles über Gegenwärtiges und Künftiges, das ist auch normal und hat vielleicht etwas damit zu tun, dass so aus diesem Bericht zum Haushaltsvollzug 2008 offensichtliche Skandale sich nicht ableiten lassen.


(Unruhe SPD)


Insofern


(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie sind Ihrer Zeit voraus.)


geht es sogar um 2007, danke schön.


(Unruhe SPD)


Aber ich bin mir sicher, dass wir uns, wenn wir über den Bericht 2008 in absehbarer Zeit hier diskutieren, ebenfalls über Gegenwart und Zukunft streiten. Wo Sie ja recht haben, haben Sie ja recht und da nehme ich das auch an. Ich danke.


(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Kann sein, Sie kennen den 2008er schon, wir nicht.)


Das kommt ja immer darauf an, wie man Kontakte zur Prüfbehörde pflegt. Aber da kann man sich überraschen lassen.


(Heiterkeit CDU, FDP)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr über Gegenwart und Zukunft streiten wir und hier machen sich noch einmal einige Anmerkungen aus meiner Sicht erforderlich, weil wir bisher eine sehr oberflächliche Diskussion erlebt haben. Manche Probleme wurden bisher vollkommen ausgeblendet.

Nur am Rande möchte ich anmerken, Herr Kowalleck, als Berichterstatter sollte man wiedergeben, wie das Abstimmungsverhalten im Ausschuss war und da gab es eine mehrheitliche Empfehlung für die Entlastung der Landesregierung. Aber meine Kollegin Birgit Keller hat ja darauf schon verwiesen, wie unsere Fraktion zu diesem Entlastungsvorschlag des Landesrechnungshofs steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Lehmann und auch Herr Dr. Pidde haben hier zu Recht dargelegt, wie sich unter den gegenwärtigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen die Einnahmesituation des Freistaats entwickeln wird.

Wenn ich diese Reden aber bewerte, waren sie eine Art Kapitulation vor den Realitäten und haben wenig Hoffnung für alle Betroffenen, die vom Landeshaushalt in irgendeiner Art und Weise abhängig sind oder damit in Zusammenhang stehen, entwickelt. Eigentlich hätte ich von beiden erwartet, da sie auch die Landesregierung stellen, dass sie in dieser Situation diese Art Hoffnung doch zumindest ansatzweise vermitteln.

Da bin ich aber überzeugt, sie haben selbst die Dimension entwickelt - 3 Mrd. €. Wie sollen denn 3 Mrd. € allein durch Ausgabenkürzungen auch nur ansatzweise dargestellt werden? 3 Mrd. €, das ist mehr als der gesamte Kommunale Finanzausgleich und mehr als die gesamten Personalkosten, wenn ich die Blöcke einzeln betrachte. Wie soll das das Land aus eigener Kraft schaffen?


Deshalb bin ich überzeugt, wir brauchen eine Fortführung der Diskussion zur Föderalismusreform II, wo der Versuch unternommen wurde, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen. Das ist ja vollkommen gescheitert. Da vermisse ich bisher Signale der Landesregierung. Wir haben jetzt noch die Zeit, mit dem Bund die Diskussion zu führen. Wir führen mit den Kommunen die Diskussion, vonseiten der Landesregierung auch sehr oberflächlich - zum Schluss hat eben das Verfassungsgericht die Grundsätze entwickelt und festgelegt, dass die Kommunen einen Anspruch haben auf eine angemessene Finanzausstattung, und zwar auf Grundlage des Aufgabenkatalogs.

Notfalls müssen wir mit dem Bund in gleicher Richtung reden und diskutieren, dass wir einen Anspruch haben auf eine angemessene Finanzausstattung und zwar entsprechend der Aufgaben, die wir als Land zu erfüllen haben. Wir können die entstehende Deckungslücke von 3 Mrd. € aus eigener Kraft nicht schließen. Wer das den Leuten verspricht, dass man das durch Kürzungen hinbekommt, auch die FDP, es gibt ja keinen Vorschlag. Ihr Minivorschlag mit den Pensionszahlungen, das unterliegt ja nicht einmal den Schwankungen der jährlichen Inflation geschweige denn, dass das ein struktureller Vorschlag ist.

Natürlich können wir auch über eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform diskutieren. Die wird aber keine 3 Mrd. € bringen. Wir reden dort ja über eine Dimension, was auch schon viel ist, bis 500 Mio. € mittelfristig, allerdings nur, wenn wir die Landesebene in diese Diskussion einbeziehen. Wir brauchen nicht über eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform zu diskutieren, die sich nur auf kommunaler Ebene bewegt. Wir müssen auf der Landesebene beginnen, die Dreistufigkeit, die Sonderbehörden, Mittelbehörden usw. Aber da die Illusion zu haben, die Deckungslücke, die sich jetzt aufmacht, zu schließen, das hat nichts mehr mit der Realität zu tun. Gegebenenfalls redet die Landesregierung ja jetzt noch, möglicherweise die Finanzministerin, und wird dann, vielleicht in Ergänzung der Redner der Regierungskoalition, die von mir jetzt angemahnte Strategie mal darlegen.


Ein Hinweis noch an Frau Lehmann: Im Innenausschuss hat die überörtliche Kommunalprüfung schon eine Rolle gespielt. Wir hatten das beantragt, der Antrag ist durch die GRÜNEN unterstützt worden, war auf der Tagesordnung. Wir werden das fortsetzen. Wir haben noch kein richtiges Verfahren gefunden, wie wir mit diesem Bericht der überörtlichen Prüfung umgehen. Da müssen wir auch noch einmal eine Diskussion führen, ob wir das Gesetz zur überörtlichen Prüfung noch einmal nachbessern müssen, denn auch auf kommunaler Ebene ist völlig unklar, wie man mit diesen Prüfungsberichten umgeht. Da ist selbst strittig, ob die Gemeinderäte und Kreistage dort überhaupt ein Recht haben, mit der Verwaltung in den Dialog zu treten, wie man mit der Prüffeststellung aus der überörtlichen Prüfung umgeht. Im Gesetz ist nur geregelt, es wird der Gemeinde übergeben und der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde, aber kein Verfahren. Also auch darüber müssen wir reden. Wir können sicherlich im Ausschuss darüber diskutieren. Sie sorgen ja dauernd dafür, dass der Innenausschuss wie alle anderen Ausschüsse nicht öffentlich ist. Wir haben natürlich die Variante, es hier ins Plenum zu holen, aber es sind ja immer wieder Einzelfälle. Das ist auch nicht das effektive Verfahren. Wenn dort die CDU Änderungsbedarf sieht, sind wir gern bereit, sehr frühzeitig dort in eine Diskussion einzutreten, um das Gesetz der überörtlichen Prüfung nochmals nachzubessern.


Die SPD ist ja heute in einer sehr komplizierten Situation. Sie müssen heute das Regierungshandeln der Althaus-Regierung absegnen, was Sie damals aber heftigst kritisiert haben. In der Situation möchte ich nicht sein. Herr Dr. Pidde hat ja so einen ganz kleinen Ansatz von Kritik gehabt; im Haushalts- und Finanzausschuss nicht, da haben Sie uneingeschränkt der Landesregierung für 2007 die Entlastung erteilt. Wir wissen, es ist natürlich kompliziert, dieses Verfahren. Aber ein bisschen mehr Kontinuität in Ihrem Handeln und Zurückerinnern an die Position aus dem Jahre 2007 wäre angeraten. Was heute gar nicht diskutiert wurde, was der Präsident des Landesrechnungshofs in einem Zeitungsinterview noch mal thematisiert hat und was auch Gegenstand des 2007er-Berichts war, war die Tatsache, dass die Landesregierung immer noch keinen Umgang mit den alternativen Finanzierungsmodellen gefunden hat. Da geht es um eine Größenordnung von 600 Mio. €. Der Präsident des Landesrechnungshofs hat zu Recht angemahnt, dass bisher eine Erfolgskontrolle fehlt. Auch dort fordern wir die Landesregierung auf, sich diesbezüglich nun mal zu äußern. Ist die Forderung des Landesrechnungshofs überzogen oder ist sie berechtigt? Der Landesrechnungshof hat ja formuliert, diese Erfolgskontrolle ist zwingend vorgeschrieben. Da soll auch im laufenden Verfahren, also während der Nutzungsdauer, überprüft werden, ob diese alternative Finanzierung tatsächlich kostengünstiger ist als die klassische Finanzierung über den Haushalt. Also auch dort erwarten wir noch einmal eine Positionierung der Landesregierung. Wenn Herr Dr. Pidde hier noch einmal zu Recht auf Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform verweist, macht er noch einmal auf eine der ungelösten Baustellen dieser Landesregierung aufmerksam. Erst vor wenigen Tagen hat der Fraktionsvorsitzende der CDU gesagt, Kreisgebietsreform usw. ist tabu. Er hat jetzt wieder einen neuen Vorschlag gemacht, nämlich die kommunale Gemeinschaftsarbeit über Kreisgrenzen hinaus zu qualifizieren. Da müssen wir aber das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit erst einmal insgesamt wieder von dem Kopf auf die Füße stellen. Es schafft nämlich einen breiten Raum für entdemokratisierte Strukturen, wo der Bürger nicht mitzureden hat und die Gemeinden auch nicht. Deshalb, wenn sie tatsächlich die kommunale Gemeinschaftsarbeit qualifizieren wollen, auch zwischen den Landkreisen, müssen wir das Gesetz insgesamt reformieren. Ich darf heute schon ankündigen, dass unsere Fraktion hierzu dem Landtag Vorschläge unterbreiten wird. Bereits in der 3. und 4. Legislaturperiode waren diese Vorschläge zur Demokratisierung der kommunalen Gemeinschaftsarbeit Gegenstand von Diskussionen hier im Landtag. Damals hat die CDU Alleinregierung und die Mehrheit hier im Landtag bedauerlicherweise das alles vom Tisch gewischt. Jetzt bleibt es abzuwarten nach den Ankündigungen vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, ob sich da vielleicht auch ein Umdenkungsprozess abgespielt hat oder ergeben hat.


Eine letzte Anmerkung, weshalb unsere Fraktion der Landesregierung für den Haushaltsvollzug keine Entlastung geben kann: Auch 2007 hat die Landesregierung mit dem Haushaltsgesetzgeber - und wir sind Herr des Verfahrens - Katz und Maus gespielt. Eine Haushaltsabweichung im dreistelligen Millionenbereich ohne wesentliche Beteiligung des Landtags ist aus meiner Sicht doch schon sehr fragwürdig. Da fragt man sich, warum hier im Landtag umfassende Haushaltsdiskussionen geführt werden, wenn dann die Landesregierung im Haushaltsvollzug doch mehr oder weniger macht, was sie will. Dort noch einmal die Aufforderung an die Landesregierung: Akzeptieren Sie die Haushaltskompetenz des Landtags und betrachten Sie zumindest beim Haushaltsvollzug den Landtag als Partner und nicht als jemandem, den Sie durch fragwürdige Regelungen auch im Haushaltsgesetz und in der Landeshaushaltsverordnung umgehen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben noch nichts von der Landesregierung gehört, wie auch nur ansatzweise die angegebenen Kürzungsziele erreicht werden sollen, außer der Verunsicherung von verschiedenen Partnern, die vom Landeshaushalt abhängig sind, wie die Schulen in freier Trägerschaft, was wir gestern diskutiert haben. Hier ist die Landesregierung in einer Bringschuld gegenüber dem Landtag um die Diskussion zu versachlichen.

Eine abschließende Anmerkung zur FDP: Wenn Sie nicht aufhören, das Gemeinwesen infrage zu stellen durch permanente finanzielle Aushöhlung, stellen Sie sich selbst in diesem politischen System infrage und der Wähler auf Bundesebene hat das offenbar erkannt. Danke.


(Beifall DIE LINKE)

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