Energie-Plan für Thüringen: Wärmewende endlich voranbringen

Markus Gleichmann

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6821

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir als Linke stehen für einen ideenoffenen Wettstreit, wie wir die Ziele der Wärmewende realisieren können. Ideenoffen ist eben was anderes als technologieoffen.

 

Herr Bergner, Sie haben mich so ein bisschen herausgefordert. Ich möchte Ihnen dann doch noch mal einen Satz aus dem von mir schon vorhin zumindest angedeuteten Projekt der Agora Verkehrswende, das von 2018 bis 2019 eben zu diesem Begriff „Technologieneutralität“ stattgefunden hat, nennen: Angesichts verschiedener Marktunvollkommenheiten und Pfadabhängigkeiten geht die Forderung nach Technologieoffenheit jedoch mit der Gefahr einher, den Übergang von den aktuell marktbeherrschenden Technologien zu klimaverträglichen langfristig überlegenen Technologien zu hemmen oder zumindest zu verzögern. Insofern meinte ich das mit Unwort bzw. ist das meine Schwierigkeit mit dem Begriff „Technologieoffenheit“.

 

Schwierigkeiten habe ich auch weiterhin mit dieser Nibelungentreue der AfD zum Atomstrom. Frau Hoffmann, Sie sagten, den Markt gibt es nicht im Bereich eines anderen. Den Markt gibt es auch bei Atomstrom gar nicht mehr oder meinen Sie, Sie können die französischen Atommeiler, die gerade nicht laufen und im Sommer wahrscheinlich auch wegen Trockenheit nicht laufen können, nutzen? Wo wollen Sie den herhaben?

 

(Zwischenruf Abg. Hoffmann, AfD: Das ist eine Antwort des Umweltministeriums gewesen!)

 

Insofern gibt es den Markt Atomstrom gar nicht und wird es in Deutschland auch glücklicherweise nicht mehr geben, auch wenn die Entscheidung die CDU getroffen hat. Aber das haben wir heute alles schon mal gehört. Deswegen, zu dem Tagesordnungspunkt, über den wir jetzt reden, und dem Antrag, der vorliegt, könnte man wie vorhin relativ zufrieden sagen, ja, die CDU tut etwas, bringt Ideen ein und dabei könnte man es eigentlich auch belassen und diese Ideen weiterdiskutieren. Aber das Problem ist, im Hintergrund schwebt immer das Nichtausgesprochene, nämlich sagt die CDU in etwa auch in ihrem Konzept, worüber wir morgen noch mal diskutieren: Wenn wir das Wenige machen, was wir euch vorschlagen, dann brauchen wir uns um das große Ganze nicht mehr kümmern. Und das ist eben die Gefahr, die ich dahinter sehe. Ansonsten ist natürlich nichts gegen die Dinge zu sagen, die hier drinstehen, wobei man diese auch noch mal dem Realitätscheck unterziehen muss.

 

Was wichtig ist – und das hat Herr Gottweiss auch gesagt – ist, dass bei der Wärmewende bisher relativ wenig passiert ist. Nun ist es ganz spannend. Gestern haben Sie gesagt, das geht Ihnen jetzt alles zu schnell, was dort in Berlin beschlossen wird. Da haben wir sogar Parallelen oder Übereinstimmungen gehabt in unseren Reden, das ist gar nicht so schlimm.

 

(Zwischenruf Abg. Gottweiss, CDU: … Das ist der Punkt!)

 

Aber heute sagen Sie, es ist nichts passiert, es geht alles zu langsam. Da passt irgendwie etwas nicht zusammen. Vielleicht kommen wir ja irgendwie in der Mitte zusammen.

Wichtig ist, dass wir bis 2045 am Ende die Wärme mit 0 Prozent Treibhausgasemission herstellen und das ist – glaube ich – die größte Herausforderung, die wir gemeinsam haben. Da sind im privaten Bereich weitere Effizienzmaßnahmen besonders wichtig, um eben auch den Energieverbrauch, den wir generell brauchen für die Wärmeerzeugung, zu reduzieren, beispielsweise durch bessere Wärmedämmung, den Einsatz von Niedrigtemperaturheizungen, die bis zu 30 Prozent Energie einsparen können. Darüber hinaus sind natürlich intelligente Heizungssysteme, wie im smarten Quartier Jena erfolgreich genutzt, ein wichtiger Schritt zur Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs in privaten Haushalten.

 

Der Anteil erneuerbarer Energie im Wärmesektor liegt aktuell in Deutschland bei 14 Prozent. Da sieht man eben, wie hoch das Potenzial oder die Notwendigkeit ist, in den nächsten Jahren voranzukommen. Um den Anteil weiter zu erhöhen, sind der Ausbau von Solar- und Windenergie sowie die Nutzung von Wärmepumpen und Wärmespeichern entscheidend. 2020 waren rund 1,8 Millionen Wärmepumpen in Deutschland installiert. Es ist zwar schon eine steigende Tendenz, aber im Vergleich zu anderen Ländern doch recht wenig. In Norwegen, die ja jetzt auch nicht dafür bekannt sind, dass es dort ein relativ warmes Klima gibt, sind aktuell 70 Prozent der Gebäude mit Wärmepumpen versorgt. Das ist der private Bereich, über den wir uns hier am meisten – auch wahrscheinlich, weil das am meisten in den Wahlkreisbüros ankommt – unterhalten haben.

 

Aber eigentlich liegt das große Potenzial auch insbesondere im Industriebereich. Denn 70 Prozent der benötigten Wärme werden dort noch aus fossilen Energieträgern gewonnen. Um den Anteil erneuerbarer Energien in der industriellen Wärmeversorgung zu erhöhen, ist die Nutzung von Industrieabwärme, die aktuell noch bis zu 90 Prozent ungenutzt bleibt, entscheidend. Die Sektorenkopplung, also die Verknüpfung zwischen Strom-, Wärme- und Verkehrssektor, spielt dabei eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Wärmewende. Insbesondere die Technologien Power-to-Heat – also Wärmegewinnung aus Strom – und Power-to-Gas – Herstellung von grünem Wasserstoff aus erneuerbarem Strom – sind sinnvoll, um Stromüberschüsse zu nutzen. Dieses Gas kann dann wiederum in das Erdgasnetz eingespeist werden und so auch heutige Gasthermen klimafreundlicher machen, wenngleich nie das gleiche Energieniveau erreicht werden kann und es am Ende natürlich deutlich teurer wird. Das muss man eben sagen. Wer weiterhin auf Gas, auch auf H2ready-Anlagen setzt, wird am Ende trotzdem mehr zahlen müssen.

 

Die Wärmewende ist ein wichtiges gemeinsames Projekt, was uns alle betrifft, sowohl in der Industrie als auch im privaten Bereich müssen wir noch stärker aktiv werden, um den Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu erhöhen und Energieeffizienz zu steigern. Gemeinsam können wir dabei eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung aufbauen uns so unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Durch die Zusammenarbeit – und so soll es sein – von Politik, Wirtschaft, Forschung und Bürgern können wir die notwendigen Veränderungen vorantreiben, um eine nachhaltige, zukunftsfähige Energieversorgung zu schaffen.

 

Ich möchte aber auch noch mal auf einige Details des CDU-Antrags eingehen und ganz speziell auf den Bereich „Tiefengeothermie“. Tiefengeothermie nutzt die in der Tiefe der Erde gespeicherte Wärme zur Erzeugung von Strom und Wärme. In Thüringen gibt es geothermische Potenziale, die bisher noch nicht erschlossen sind. Die Nutzung dieser Ressourcen könnte sowohl im privaten als auch im industriellen Sektor zu einer nachhaltigeren und effizienteren Wärmeversorgung beitragen. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Es ist kontinuierlich, es ist umweltfreundlich und unabhängig von Wetterbedingungen und Tageszeiten verfügbar. Zudem entstehen bei der Nutzung von Tiefengeothermie keine Emissionen, wodurch sie einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Allerdings gibt es auch einige Herausforderungen und Probleme, die insbesondere in Thüringen zu berücksichtigen sind. Das sind die geologischen Bedingungen. Um die geothermischen Potenziale erfolgreich zu erschließen, ist eine umfassende geologische Untersuchung und Planung erforderlich. JENA-GEOS hat dies schon vor einigen Jahren in einer Prospektion getan. Die Datengrundlage geht jedoch auf teilweise über 100 Jahre alte Bohrungen zurück. Um 1900 gab es ein Programm, wo überall in Deutschland flächendeckend Tiefenbohrungen zur Lokalisierung von Bodenschätzen durchgeführt wurden, auf die sich unsere heutigen Ergebnisse teilweise noch stützen.

 

Technologische Herausforderungen sind weiterhin, dass man für die Tiefengeothermie auch die entsprechenden Technologien und Fachkenntnisse und auch die entsprechenden Firmen braucht. Auch die sind nicht auf dem Markt so ohne Weiteres zu bekommen. Am Ende muss man noch schauen, dass es natürlich auch einen Umwelteinfluss bei Tiefengeothermie gibt, wie Beeinträchtigung von Grundwasserleitern, Erzeugung von seismischen Ereignissen usw. Auch das ist nicht ganz risikolos. Am Ende sind wir bei 70 Euro pro Bohrmeter. Die CDU redet von 1.000 bis 3.000 Meter tiefen Löchern, die in Thüringen entstehen sollen. Da kann man ja hochrechnen, was allein die Bohrung kostet.

Unsere Linken-Forderung im Bereich der Wärmewende will ich noch mal kurz zusammenfassen: Das ist zum Ersten die Effizienzsteigerung, eben eine Umsetzung von Effizienzmaßnahmen, wie Wärmedämmung, Niedrigtemperaturheizungen und intelligente Heizsysteme. Das ist zweitens der Ausbau erneuerbarer Energien; schneller und deutlicher müssen wir Solar- und Windenergie nutzen. Das ist drittens die dezentrale Energieversorgung, also Schaffung dezentraler Cluster, beispielsweise durch kommunale Wärmenetze – wie Bioenergiedörfer heute schon zeigen –, sowie die Nutzung von Industrieabwärme und biothermischen Potenzialen. Viertens, die Sektorenkopplung: Integration aller Energiequellen inklusive Power-to-Heat und Power-to-Gas zur Nutzung von Stromüberschüssen und Erzeugung von Grünem Wasserstoff für industrielle Prozesse. Fünftens – ganz wichtig – die Förderung durch Fördermittel und Subventionen: die gezielte finanzielle Unterstützung für den Ausbau von Wärmenetzen, Energiegenossenschaften und Umrüstung privater Haushalte unter Berücksichtigung sozialer Aspekte.

 

Lassen Sie uns diese Kräfte gemeinsam bündeln, um eine bessere Zukunft für uns und kommende Generationen zu gestalten, eine Zukunft, in der erneuerbare Energien, Effizienzmaßnahmen die Grundlage unserer Wärmeversorgung bilden und in der wir gemeinsam Verantwortung für unsere Umwelt und unsere Zukunft übernehmen. In diesem Sinne sollte der vorliegende Antrag in den Fachausschüssen weiter qualifiziert und angepasst werden. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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