Energie-Plan für Thüringen: Vorhandene Flächen besser nutzen – Thüringer „Energieautobahnen“ umsetzen

Markus Gleichmann

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6818

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer hier und am Livestream! Wo fange ich an? Vielleicht: Ich fand es ganz spannend bei der Rede von der AfD, die sind ja normalerweise eher weniger spannend, aber die Frau Hoffmann hatte ja gesagt, sie haben einen Plan vorgelegt, wie und wo Kernenergie für Thüringen zu nutzen ist. Wo sind denn die Standorte, wo sollen denn die Atomkraftwerke hingestellt werden und wo wollen wir denn mit dem Atommüll hin? Das konnte ich jetzt noch nicht lesen, das haben Sie aber vorhin schon gesagt, fand ich ganz spannend.

 

(Unruhe AfD)

 

Sie können ja mal versuchen, das Ihren Wählerinnen und Wählern deutlich zu machen.

Ansonsten haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon einiges deutlich gemacht, Denny Möller hat auf die Fehlstellen in dem vorliegenden CDU-Antrag hingewiesen. Olaf Müller hat auch gesagt, dass der Antrag dem nicht ansatzweise gerecht wird, wenn man davon ausgeht, dass es das Einzige ist, mit dem quasi die Energie für Thüringen erstellt werden soll. So habe ich aber – wenn ich den CDU-Antrag wohlwollend lese – die CDU nicht verstanden, sondern das ist ein Teil. Insofern wollen wir ja etwas Positives da rausnehmen.

 

Herr Bergner, Sie haben zwei meiner lieblichen parlamentarischen Unworte benutzt: zum einen „Kaskadenanträge“ und zum anderen das wahrscheinlich politische Unwort des Jahres, das wir im Landtag küren können, nämlich „Technologieoffenheit“ und „technologieoffen“.

 

(Zwischenruf Abg. Bergner, Gruppe der FDP: Damit können Sie nichts anfangen!)

 

Das werden wir ja wahrscheinlich sehr oft hören, aber am Ende ist es eine Phrase, die am Ende ja nichts Großartiges aussagt; dazu gibt es auch interessante sozialpsychologische Gutachten.

 

Dann komme ich zu Herrn Gottweiss – also nicht bei dem Gutachten, sondern bei der nächsten Phrase „Maß und Mitte“. Also, Maß und Mitte ist ja schön, das bringen Sie ja ständig, auch Ihr Fraktionsvorsitzender. Aber was ist denn hier, bitte schön, Maß und Mitte bei der Energiewende und beim Klimaschutz? Ist jetzt Maß und Mitte: Wir fangen jetzt mal an, erfüllen aber nur die Hälfte, was wir eigentlich brauchen, um die Mitte zu erreichen, und den Rest lassen wir weg, sitzen dann also im Dunkeln und haben keinen Strom mehr? Oder ist uns das Klima nur halb so viel wert und am Ende sind quasi 2,5 oder 3,5 Grad Erwärmung auch in Ordnung? Sind sie übrigens nicht bei den Auswirkungen, die wir dann hier haben. Also, Maß und Mitte spielen da auch keine große Rolle. Und bei der Wesselak-Studie haben Sie ja richtig darauf hingewiesen, dass Sie die genutzt haben – das ist sehr, sehr gut –, aber die Wesselak-Studie ist ja eine Berechnungsmatrix, wo man verschiedene Grundlagen reingeben kann, Zahlen reingeben kann, um dann verschiedene Szenarien zu berechnen. Sie haben natürlich diese Berechnungsgrundlagen so gewählt, dass Sie am Ende das herausbekommen, was Sie herausbekommen möchte. Mit der Realität auch im Rahmen der Notwendigkeit, Energie zu erzeugen – wir haben es gestern gehabt mit Wärmepumpen, mit der Umstellung auch der Industrie auf Strom –, hat das relativ wenig zu tun.

 

Dabei möchte ich trotzdem das Positive aus Ihrem Antrag herausnehmen, weil es freut uns im Allgemeinen sehr, dass Sie von der Zuschauerbank etwas runtergekommen sind und sich wirklich Gedanken gemacht haben, auch Ideen hier einbringen – das kann man ja erst mal goutieren. Am Ende muss man hier auch sagen, dass wir hier alle – vielleicht die AfD nicht – aber ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die Energieversorgung und den Schutz unserer wertvollen natürlichen Ressourcen in Einklang zu bringen.

Unsere Vision ist zumindest klar. Wir wollen ein Thüringen, das sowohl ökologisch und sozial nachhaltig ist als auch wirtschaftlich prosperiert. Beim Ausbau der Solarenergie setzen wir auf kluge Entscheidungen. Bevor wir wertvolle landwirtschaftliche Flächen in Anspruch nehmen, sollten wir uns auf bereits versiegelte und vorgenutzte Flächen konzentrieren. Alte Industrie- und Militärstandorte, ehemalige Deponien, Dächer von Gebäuden und Flächen über Parkplätzen bieten großes Potenzial für die Installation von Photovoltaikanlagen. So weit so gut. Doch am Ende ist das nur der Anfang. Wir wollen, dass jedes neue Gebäude, ob privat, gewerblich oder staatlich, mit Photovoltaik ausgestattet wird, und das natürlich immer auch mit Augenmaß für die Situation vor Ort.

Der vorliegende Antrag der CDU siedelt diese Flächen entlang der schon belasteten Gebiete rund um die Verkehrsachsen an und will die dort suchen. Das ist schon sinnvoll. Allerdings ist es eben verkehrt, so zu tun, als ob durch bloße Nutzung der Flächen entlang der Verkehrswege ein besonders signifikanter Ausbau möglich wäre und damit andere mögliche Flächen entfallen könnten. Gleichzeitig ist der massive Ausbau der Windenergie aus unserer Sicht unerlässlich, nicht nur entlang der Autobahn, sondern überall in Thüringen. Der Wald ist hierbei ein wertvoller Verbündeter, um die Belastungen fair und über unser Bundesland auch fair zu verteilen.

 

Laut dem Thüringer Waldzustandsbericht vom Dezember letzten Jahres waren die Hälfte der Bäume deutlich geschädigt. Wir möchten der Nutzung von geschädigten, also Waldkalamitätsflächen für die Stromproduktion besonders Gewicht verleihen, wie es auch im Entwurf des aktuellen LEPs vorgesehen ist. Um sicherzustellen, dass die betroffenen Regionen direkt von Windenergie profitieren, arbeiten wir gemeinsam – übrigens ja auch mit der CDU mit diesem Papier, was schon erwähnt ist – an einem Beteiligungsgesetz und hoffen, dass dieses bald vorgelegt werden kann. Dieses soll dafür sorgen, dass die angrenzenden Kommunen an den Gewinnen der Betreiber beteiligt werden oder eben auch selbst direkt in die Stromproduktion mit einsteigen können.

 

Die im Antrag gewählten Formulierungen suggerieren jedoch erneut, dass die Verantwortung Thüringens beim Ausbau der erneuerbaren Energien mit den Energieautobahnen dann erledigt wäre. Dazu trägt auch bei, dass der Antrag die Erprobung alternativer Windenergiekonzepte, zum Beispiel vertikale, in den Vordergrund rückt und dabei den Ausbau der sich bereits in Serienreife befindlichen Anlagen vergisst. Die Transformation des Energiesystems ist ein Standortfaktor, der uns alle betrifft. Wir alle profitieren von einer krisensicheren und zukunftsfesten Energieversorgung, von Arbeitsplätzen, von der Forschung, Errichtung und Betrieb, von den Steuereinnahmen der Industrie, die auf preiswerte und klimaneutrale Energie angewiesen ist.

 

Dabei nehmen wir – und darauf will ich noch mal besonderen Wert legen – das Thema „Flächenversiegelung“ sehr ernst. Als Linke setzen wir uns für einen Netto-Null-Flächenverbrauch in Thüringen ein. Unser Ziel ist es, dass genauso viel Boden entsiegelt wird, wie für den Bau von Straßen, Gewerbe- und Industrieparks sowie Wohngebieten versiegelt wird, denn Boden ist eine endliche Ressource, die Ernährung, Grundwassereintrag und CO2-Speicherung ermöglicht. Unversiegelter Boden schützt zudem vor Fluten und Überschwemmungen. Seit 2005 hat sich die hier in Thüringen durch Industrie und Gewebe beanspruchte Fläche mehr als verdreifacht. Jetzt gilt es, aus dieser Not eine Tugend zu machen und bereits beanspruchte Fläche zusätzlich für Stromproduktion zu nutzen, und zwar überall und nicht nur entlang der Autobahnen.

 

Gemeinsam können wir ein Thüringen schaffen, das ökologisch verantwortungsvoll und wirtschaftlich erfolgreich ist. Daher danke ich der CDU noch mal dafür, dass sie die Zuschauerränge verlassen hat und sich mit konkreten Ideen einbringt. Diese sollten aus meiner Sicht in den Fachausschüssen weiterqualifiziert werden, um die Potenziale, aber auch die Grenzen dieser Ideen noch deutlicher herauszustellen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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