Energie-Plan für Thüringen: Dezentral erneuerbar – Förderung der Eigen- und Direktversorgung für Industrie- und Gewerbegebiete 1/2

Markus Gleichmann

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6823

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren Zuschauerinnen und Zuschauer! Kaskadenanträge, hatte ich gestern schon gesagt, ein ziemliches Unwort. Gestern waren wir ja relativ versöhnlich hier am Podium mit den Ideen der CDU. Diesmal muss ich ein paar Vor- und ein paar Nachbemerkungen machen zu dem, was hier beantragt ist.

Erst mal zur Vorbemerkung: Es zeigt sich ja aktuell in der Debatte, ob Sie nun an den heutigen Vormittag denken oder auch an die Teilnahmen, da komme ich noch dazu, von CDU-Vertretern an verschiedensten Veranstaltungen, dass alles, was Sie hier vorgelegt haben, eigentlich nur Schaufensteranträge sind. Ich kann Ihnen nicht ernsthaft glauben, zumindest Teilen Ihrer CDU nicht, dass Sie das, was Sie gestern uns hier gesagt haben, und das, was Sie jetzt hier in dem Papier aufgeschrieben haben, auch wirklich ernst meinen. Darauf werde ich noch in meiner Rede eingehen. Wenn Sie es ernst meinen würden als CDU, jetzt mal als Gesamt-CDU hier in Thüringen, den jetzigen Rechtsrahmen nutzen zu wollen, um weiterzukommen bei der erneuerbaren Energie, dann frage ich mich, warum Ihre kommunalen Vertreterinnen und Vertreter in den Regionalen Planungsgemeinschaften oder auch in den Bauämtern vor Ort auf jegliche Art und Weise versuchen zu verhindern, erneuerbare Energien, egal in welchem Bereich, zu schaffen. Das ist die Frage, die müssen Sie sich als CDU-Fraktion hier auch wirklich gefallen lassen.

Der Selbstversorgerbonus ist grundsätzlich ja nicht verkehrt. Nicht umsonst gab es ja auch schon in den letzten Jahren die Förderung über Solar Invest. Aber es hat sich eben gezeigt, dass die Mittel Solar Invest sehr, sehr schnell vergriffen waren. Und das liegt vor allen Dingen nicht unbedingt daran, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller diese Gelder unbedingt benötigt haben, um das Projekt durchzuführen, sondern weil sie das natürlich genutzt haben, um die Amortisationsrate zu verringern. Das ist mittlerweile durch die weiterentwickelte Technik jedoch gar nicht mehr notwendig. Das heißt, es sind vor allem Mitnahmeeffekte gewesen, die da eine Rolle gespielt haben. Wenige Projekte wären nicht entstanden, wenn sie nicht gefördert worden wären. Das zeigt sich ja auch an dem Zubau unabhängig von denen, die diese Zuschüsse bekommen haben. Also, insofern ist es korrekt, dass man jetzt gesagt hat, man nutzt ein anderes Mittel und dieses Mittel eben nicht mehr, um die Energiewende in Thüringen umzusetzen.

 

Und Sie verfallen eigentlich in die gleiche Problematik oder den gleichen Fehler, den Sie der Bundesregierung vorwerfen. Sie wälzen die Energiewende am Ende auf den kleinen Bewohner eines Einfamilienhauses oder auch den Vermieter von kleineren Gebäuden ab und nutzen eben nicht die Möglichkeit, die wir als wichtig sehen, dass man gemeinsam Lösungen findet, um die Klimaneutralität zu schaffen, um die Energieversorgung zu realisieren. Und dabei wäre es doch so einfach. Ich hatte es gestern auch schon mehrfach gesagt. Wenn man eben folgende Reihenfolge übernimmt, nämlich erst sich um die Fernwärme zu kümmern, dann sich um Nahwärmenetze zu kümmern, Bürgerenergiegenossenschaften zu unterstützen und so am Ende die Menschen in die Lage zu bringen, eben auch ohne riesige Investitionen regional Energie zu produzieren und davon auch zu profitieren. Am Ende werden aufgrund der Siedlungsstruktur Thüringens natürlich immer welche übrigbleiben, wo das nicht funktioniert in kleinen Nahwärmenetzen. Da muss man dann eine Lösung finden, wie man ein Gesamtkonzept erreicht, aber eben auch erst dann.

 

Das heißt, diese staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge – und da gehört eben auch eine Energieversorgung, also Versorgung mit Energie, die man bezahlen kann, hinzu. Die kann man am Ende nicht oder nur teilweise auf die Menschen übertragen. Das ist die staatliche Aufgabe. Da gilt unser Motto mehr denn je, dass wir nicht privatisieren, sondern vor allen Dingen kommunale und staatliche Mittel nutzen wollen, um den Bürgern das zur Verfügung zu stellen, was sie wirklich brauchen.

 

Sie schreiben bei dem Selbstversorgerbonus auch, dass Sie vernetzen wollen, also die Sektorenkopplung. Das finden wir sehr gut. Aber es ist teils die Frage, warum vernetzt man das dann nur in seinem Haus, warum nutzt man denn nicht die Möglichkeit, stärker gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, intelligente Netze zu schaffen, das, was in Stadtroda jetzt zum Beispiel geschieht: gemeinsam mit der Jenaer Wohnungsbaugenossenschaft, wo man sich ein Quartier oder ein Dorf nimmt und die Erzeugungsanlagen, die Verbrauchsanlagen miteinander koppelt und dann am Ende intelligent das Netz so steuert, dass weniger Speicher für alle notwendig sind, ein harmonisierter Stromverbrauch da ist und das mit erneuerbaren Energien gekoppelt ist, um die Netze nicht zu überlasten. Das ist ja die nächste Frage, die ansteht.

In Thüringen waren da auch in den letzten Jahren Transferregionen bei dem EU-ZO.RRO-Projekt, was ich dankenswerterweise auch einmal begleiten konnte. Da waren wir in der niederländischen Stadt Loenen. Die haben eine Genossenschaft gegründet, das ganze Dorf quasi zusammengeschaltet. Intelligent wird das gesteuert über verschiedenste Computernetzwerke. Die schaffen es mittlerweile, 100 Prozent ihres Energieverbrauchs so zu steuern, dass sie am Ende für alle einen sehr, sehr günstigen Energiepreis – mit Energie meine ich alle Formen der Energie, also bis hin zu Mobilität – bereitstellen können und dann eben auch die Wertschöpfung im Dorf halten. Das sind doch Beispiele, denen man durchaus folgen kann.

 

Ähnlich machen das übrigens die Bioenergiedörfer, die wir auch in Thüringen haben, wie zum Beispiel in Schlöben, auch in der Nähe von Stadtroda, die es geschafft haben, gemeinsam mit der Agrargenossenschaft schon seit vielen Jahren ein funktionierendes System aufzubauen, sodass Wärmeenergie und am Ende sogar auch die Versorgung mit Breitband über Glasfaser möglich wurde und wird und auch bezahlbar möglich ist und wurde.

 

Der vorliegende CDU-Antrag greift also aus unserer Sicht zu kurz und subventioniert am Ende wieder nur die, die es sich wahrscheinlich eh leisten können. Diejenigen, die wirklich das Geld benötigen würden, um die Klimaneutralität zu schaffen, werden es am Ende eben mit diesem Instrument nicht schaffen. Deswegen ist dieser Antrag zwar, wie gesagt, nicht verkehrt, aber aus unserer Sicht eben noch stark zu qualifizieren.

 

Das Gleiche gilt für den zweiten Teil des Antrags. Da bitte ich Sie auch, einfach mal in den Landeshaushaltsplan 2022 und 2023 vom entsprechenden Ministerium zu schauen. Auch da sind schon Gelder eingestellt für genau das, was Sie fordern. Viele der Fragen und viele der Berichtsersuchen, die Sie in diesen Antrag reingeschrieben haben, werden dort schon bearbeitet, da liegen die Antworten schon vor. Ich weiß nicht, ob Sie nicht zugehört haben. Also ich war Mitte des letzten Jahres bei einer Veranstaltung in Hermsdorf von Anja Siegesmund. Dort hat sie den TRIDELTA Campus zusammengenommen und gemeinsam etwas entwickelt. Das macht die ThEGA gemeinsam mit dem ThEEN schon seit Jahren. Die haben auch den Auftrag von der Thüringer Landesregierung dazu. Da passiert schon richtig viel als Pilotprojekt.

 

Ihr Geld, das Sie zur Verfügung stellen wollen durch den Antrag für solche Projekte, auch da sind Sie ja nicht die Ersten, die das fordern. Ich erinnere mich immer an meinen Kollegen Schubert, der zu Recht immer Stichwortgeber in dem Bereich ist, wenn es darum geht, einen Transformationsfonds „Dekarbonisierung“ für die Wirtschaft aufzulegen, wo wir wirklich intensiv angehen können, unsere Wirtschaft so zu unterstützen, dass sie es leisten können und am Ende wir gemeinsam hier in Thüringen eine Wirtschaft und eine unternehmerische Leistungsfähigkeit aufbauen, die beispielgebend ist und mit der wir den Wohlstand unserer Region noch stärken können. Was am Ende dagegen spricht, ist aktuell die schwarze Null, die regiert ja immer noch in Berlin, wenn auch jetzt in Form eines gelben Finanzministers, der das Neuverschuldungsverbot weiterhin aufrechterhält. Wir müssen jetzt in die Zukunft investieren, jetzt in der Lage, um diese großen Herausforderungen zu schaffen. Das werden wir so, wie die Ampelpolitik uns das vorgibt, vor allem der FDP-Teil, vor Ort nicht realisieren können, gerade in Thüringen nicht, denn wir gehören leider auch nicht zu denen, die geldmäßig auf Rosen gebettet sind.

Also wir müssen Gesamtkonzepte finden, wir müssen stärker darauf achten, dass alle Formen der Energie genutzt werden, Abwärme darf nicht mehr ungenutzt in die Luft gepulvert werden. Aber das haben wir alles gestern und auch vorgestern in der Aktuellen Stunde schon besprochen, das will ich alles gar nicht wiederholen. Ich will vielmehr noch mal auf die Glaubwürdigkeit der CDU in dem Bereich eingehen. Das liegt bei uns in der Koalition – wahrscheinlich, weil wir eine sozialökologische Koalition sind – uns allen am Herzen, wir sehen ja immer das Positive im Menschen, die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Deswegen haben wir diesen Anti-Erneuerbare-Wahlkampf 2019, vor allen Dingen durch Herrn Mohring verantwortet, mit Auftritten von Klimawandelleugnern bei eigenen Fachfachveranstaltungen schon wieder aus unserem Gedächtnis gestrichen, weil wir dachten, Sie haben sich da weiterentwickelt. Wir haben auch aus unserem Gedächtnis gestrichen, Herr Voigt, der leider jetzt gerade nicht da ist, seinen Auftritt bei Windkraftgegnern in Sankt Gangloff 2020 gemeinsam mit Herrn Bergner von der FDP und Herrn Kaufmann von der AfD.

 

Und wir haben auch aus unserem Gedächtnis gestrichen den Ausspruch der CDU vom April 2022, wo dort gesagt wurde: Seit Jahren kämpfen unsere Abgeordneten im ganzen Land an der Seite von Bürgerinitiativen gegen Windräder vor der Haustür. Auch das haben wir zurückgestellt, weil wir gesagt haben, vielleicht hat das letzte Jahr ja auch zu einer Weiterentwicklung geführt. Aber heute früh muss ich in der Zeitung lesen, dass Ihr Fraktionsvorsitzender am Mittwoch um 18.00 Uhr an einer Veranstaltung in Hermsdorf teilgenommen hat, auf die ich dann doch noch ein bisschen eingehen muss. Es war eine Veranstaltung der sogenannten Mittelstandsinitiative Energie-Klartext der Bürgerinitiative Hermsdorf bzw. Holzland und des Thüringer Landesverbands von Vernunftkraft – Energiepolitik mit Vernunft. Hauptredner des Abends war Fritz Vahrenholt, der das Buch „Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“ geschrieben hat, also quasi die Bibel der Gegner oder der Nichtgläubigen an den menschengemachten Klimawandel, wobei gläubig muss man da ja gar nicht sein, wenn 99,5 Prozent der Wissenschaftler weltweit sagen: Es gibt einen menschengemachten Klimawandel. Also diese Veranstaltung hat stattgefunden. Und ganz spannend ist auch zu lesen, wie der Moderator, ehemaliger Ressortleiter der Wirtschaft in der „Thüringer Allgemeine“ eingeleitet hat. Er hat eingeleitet: Die aktuelle Bundesregierung gleicht einer Klimasekte. Also, das sagt schon viel, wenn der Moderator einer Veranstaltung, die so offen sein möchte, so herangeht. Und natürlich hat er, also der Hauptreferent, auch immer schön für Lachen im Publikum gesorgt, wenn er in irgendeiner Art und Weise auf die Mathematik hingewiesen hat, die scheinbar bei denen, die an den menschengemachten Klimawandel glauben, eben nicht stimmt.

 

Was lese ich da über den Herrn Mario Voigt. Er sagt, er hat teilgenommen, Energiepolitik brennt unter den Nägeln – es stimmt ja –, man habe an diesem Abend gespürt, wie stark die Ängste und Sorgen der Menschen beim Thema „Bezahlbarkeit“ und „Energiesicherheit“ seien. Die derzeitige Verbots- und Ausschlusspolitik in Berlin werde nicht gelingen, dabei verliere man die Akzeptanz der Bevölkerung, so Voigt. So steht es heute in der Zeitung, so hat er sich geäußert, hat natürlich viel Lob auch von dem dortigen BI-Chef, der auch mit dabei war, von der Bürgerinitiative gegen Windkraft bekommen und damit hat er genau in die Kerbe dieser Veranstaltung geschlagen, hat recht gegeben und die Menschen, die dort waren, etwa 150, da in ihrem Glauben auch unterstützt.

Ich will noch mal weitergehen, wer noch dabei war. Dieser Chef der Bürgerinitiative in Sankt Gangloff ist ja Ende 2021 auch schon mal aufgefallen. Da zitiere ich auch die „Ostthüringer Zeitung“ nach einer Veranstaltung der Coronagegner am Montag in Hermsdorf. Also Zitat: „Es gibt Sätze, die sprachlos machen, weil man nicht glauben mag, dass ein Mensch dieses so sagen könnte. Zumindest nicht, wenn er über Vernunft, einen Moralkompass und Geschichtsverständnis verfügt. ‚Herr Gleichmann, Sie sind kein Linker mehr. Ernst Thälmann würde sich im Grab … würde sich in Weimar auf dem Rost umdrehen.‘ Dies sagte [der Chef der BI gegen Windkraft] am Montag beim Corona-Protestzug in Hermsdorf.“ Das war auch ein Mitorganisator der Veranstaltung vom Mittwoch und so einem werfen Sie sich quasi um den Hals. Und das zeigt eben, dass Sie das alles, was Sie hier vorgeschlagen haben, diesen Kaskadenantrag, gar nicht ernst meinen, weil ich nicht glaube – Herrn Voigt kann ich ja jetzt nicht fragen, er ist ja nicht da –, dass Sie ihm folgende Passage aus dem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, vorgestellt haben. Sie fragen nämlich in dem Antrag ab, unter welchen Bedingungen Windkraftanlagen als Betriebsanlagen direkt im Industrie- und Gewerbegebiet errichtet werden können, welche Abstände zur gewerblichen Bestandsbebauung bzw. zur Wohnbebauung eingehalten werden müssen und welche Rolle die Ziele der Raumplanung dabei für die Genehmigungsfähigkeit spielen. Die Frage ist ja korrekt, aber ich glaube nicht, dass er sie so am Mittwoch bei den Windkraftgegnern dort bei der Veranstaltung vorgelesen hat. Das wäre nur ehrlich gewesen und dann hätte es dort sicherlich auch zu einer anderen Diskussion geführt. Sie spielen lieber öffentlich Schreckensszenarien an die Wand, dass Thüringen verspargelt wird, dass wir uns vor Windkraftanlagen nicht mehr retten können. Am Ende macht das eben Ihre Anträge, die Sie hier gestellt haben – wie gesagt, gestern war ich da noch versöhnlich, aber nach dem, was jetzt passiert ist –, eigentlich nur zu Schaufensteranträgen. Am Ende müssen Sie sich doch fragen, zumindest ein Teil Ihrer Fraktion – Herr Gottweiss, Ihnen nehme ich das alles ab, was in den Anträgen steht –, worin sich Ihr machtpolitischer Populismus denn noch von dem der AfD unterscheidet. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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