Einsetzung eines Untersuchungsausschusses: „Politische Gewalt: Umfang, Strukturen und politisch-gesellschaftliches Umfeld politisch motivierter Gewaltkriminalität in Thüringen und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung“ 1/2

Katharina König-Preuss

Zum Antrag der Abgeordneten Bühl, Gottweiss, Herrgott und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU - Drucksache 7/3666

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne, die CDU versucht mit dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusse – Sie nennen ihn „Politische Gewalt: Umfang, Strukturen und politisch-gesellschaftliches Umfeld politisch motivierter Gewaltkriminalität in Thüringen und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung“ – zu suggerieren, Ihnen würde es mit diesem Untersuchungsausschuss darum gehen, politisch motivierte Gewalt von rechts, von links, islamistische zu thematisieren. Dem ist nicht so. Warum dem nicht so ist, erkennt man am Antrag der CDU-Fraktion und ich will an einigen Stellen vielleicht mal zitieren, aber Ihnen das vielleicht auch oben erklären. Im Antrag wird nämlich sechsmal die Begrifflichkeit „linksextrem“ erwähnt, zweimal die Begrifflichkeit „linksterroristisch“, dreimal „rechtsextrem“, allerdings im Kontext, dass die Zivilgesellschaft unterstellen würde, dass es mehr Übergriffe von rechts gebe, als von polizeilicher Seite bisher erfasst würde. Die Begrifflichkeit „rechtsterroristisch“ taucht an keiner Stelle auf.

Der Antrag ist Grundlage des Untersuchungsausschusses und nicht die Rede, die gerade Herr Walk gehalten hat,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

womit Herr Walk versucht, zu suggerieren, dass es Ihnen gleichermaßen um alle Taten gehen würde.

 

Heute ist der 22. Juli. Heute vor zehn Jahren gab es das rassistische, rechtsterroristische Attentat in Utöya. Das erwähnen Sie nicht. Heute vor fünf Jahren, am 22. Juli 2016, gab es in München das rassistische Attentat am OEZ. 77 Menschen, darunter mehrheitlich Jugendliche und junge Erwachsene, wurden in Oslo und auf Utöya ermordet. Neun junge Menschen, vor allem junge Menschen, wurden vor fünf Jahren von einem Rechtsterroristen und Rassisten in München ermordet. Das spielt in Ihrem Antrag, den Sie heute hier thematisieren, den Sie heute hier, um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, auf der Tagesordnung haben, an einer keiner Stelle eine Rolle. Und das werfe ich Ihnen vor.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das werfe ich Ihnen auch deswegen vor, weil Sie versuchen, zu erklären, Ihnen wären alle Taten gleichermaßen wichtig. Aber Sie stellen diesen Antrag nicht, nachdem Ihr Parteikollege Walter Lübcke, der gerade auch von Herrn Walk hier vorne mit erwähnt wurde, ermordet wurde, trotzdem bekannt ist, welche Verbindungen es vom Mörder nach Thüringen gibt, und trotzdem bekannt ist, welche Verbindungen des Mörders es zur Thüringer AfD gibt. Sie stellen diesen Antrag nicht, nachdem letztes Jahr 2020 das Combat-18-Verbot in Deutschland umgesetzt wird und mehrere der Verbotsmaßnahmen hier in Thüringen laufen, das Ganze wieder der Hintergrund des Mordes an Walter Lübcke. Sie stellen den Antrag aber auch nicht, nachdem in Erfurt in den vergangenen Monaten kontinuierlich Menschen aus rassistischen Motiven zusammengeschlagen werden. Das erwähnen Sie in Ihrem Antrag nicht einmal. Sie stellen den auch nicht, nachdem im letzten Jahr vor der Staatskanzlei junge Menschen zusammengeschlagen und teils schwer verletzt wurden, auch nicht nachdem im letzten Jahr am Herrenberg drei Geflüchtete von einer Gruppe Neonazis zusammengeschlagen und teils sehr schwer verletzt wurden. Zwischenzeitlich bestand die Sorge, dass einer der drei es nicht überleben wird. Das spielt in Ihrem Antrag an keiner Stelle eine Rolle.

 

Und wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sagen, ihnen würde es darum gehen, politisch motivierte Gewalt in jeglicher Form zu thematisieren, dann kann ich dem nur widersprechen. Was Ihr Ziel ist, erläutern Sie in Ihrem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sogar. Ihr Ziel ist es, linke antifaschistische Gruppierungen, Initiativen, Bürgerbündnisse gegen rechts, die wir in Thüringen haben, zu diskreditieren,

 

(Unruhe CDU)

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

die Zivilgesellschaft in ihrem Wirken zu hinterfragen anstelle – wie es schon lange notwendig wäre – diese zu unterstützen.

 

Ich will auf einen Punkt in Ihrem Untersuchungsausschussantrag abheben. Und zwar thematisieren Sie in der Frage 14, ob und auf welche Weise die Landesregierung in den letzten Jahren sichergestellt hat, dass staatliche Zuwendungen aus Förderprogrammen für den zivilgesellschaftlichen Sektor direkt oder indirekt keinen Strukturen und Personen zugutekommen oder indirekt begünstigen, die ihrerseits Gewaltkriminalität billigend in Kauf nehmen. Damit unterstellen Sie den Akteuren, die wir über das Landesprogramm für Demokratie hier in Thüringen fördern – ich will die Akteure mal nennen. Das ist die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt EZRA, das ist die Mobile Beratung gegen rechts, gegen Rassismus Mobit, das ist das IDZ, das ist das KomRex, das ist aber auch die Ausstiegsberatung und das sind unzählige, nein, zahlreiche Initiativen in den Kommunen, die über die lokalen Aktionspläne unter anderem mitfinanziert werden. Denen unterstellen Sie mit Ihrem Antrag, dass Sie Verbindungen zu Gewalt hätten, dass sie möglicherweise entsprechende Strukturen

 

(Beifall AfD)

 

– genau, die AfD klatscht, das passt –, stützen würden. An keiner Stelle in Ihrem Antrag wird deutlich, dass es Ihnen darum geht, auch die rechten Strukturen hier in Thüringen entsprechend zu untersuchen. Und das hat etwas damit zu tun, dass rechte Gewalt und deren Gefährlichkeit seitens der CDU nie wirklich thematisiert wurde, nie wirklich von Ihnen auf die Tagesordnung gehoben wurde, und Ihr Antrag

 

(Unruhe CDU, DIE LINKE)

 

ist ein konkretes Beispiel dafür.

 

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Einfach eklig!)

 

Herr Walk hat hier vorne unterstellt oder behauptet, dass es eine linksextreme Brandserie gäbe.

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Nein, „vermutlich“ habe ich gesagt!)

 

Ihr Fraktionsvorsitzender hat Ähnliches in der Presse behauptet. Die Mitarbeiter des Innenministeriums, das Innenministerium selber hat uns erst vor wenigen Wochen im Innenausschuss mitgeteilt, dass es dafür keine Belege gäbe, dass sie weiterhin in alle Richtungen ermitteln, weil das ihr Aufgabe ist. Sie wollen jetzt während eines laufenden Ermittlungsverfahrens die Akten in einem Untersuchungsausschuss beiziehen, Sie wollen aber auch Akten beiziehen, die an unterschiedlichen Stellen zivilgesellschaftliche, antifaschistische und linke Strukturen betreffen. Und was Sie damit machen, ist, der AfD Feuer zu geben für Listen, die erstellt werden,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

um dann wieder Personen zu diskreditieren, Personen in den Fokus zu nehmen

 

(Zwischenruf Abg. Mühlmann, AfD: Das ist eine üble Unterstellung!)

 

und am Ende diese Person auch anzugreifen.

 

(Zwischenruf Abg. Mühlmann, AfD: So arbeiten Sie!)

 

Genau das passiert nämlich seit mehreren Jahren hier in Deutschland. Und das, was die CDU gerade macht, ist aus meiner Sicht nichts anderes als zu versuchen, Wählerklientel der AfD für sich zu erschließen, und zwar indem sie faktisch, auch wenn sie es anders nennt, einen Untersuchungsausschuss Linksextremismus einrichtet.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das hat sich nicht mal die AfD in Sachsen-Anhalt gewagt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das will etwas heißen!)

 

Dieser Untersuchungsausschuss ist aus meiner Sicht, aus unserer Sicht nicht verhältnismäßig und wird übrigens der Problematik, die im Innenausschuss auch an unterschiedlichen Stellen immer wieder eine Rolle spielt, überhaupt nicht gerecht. Die Fragen, die Sie im Untersuchungsausschussantrag aufwerfen, sind in weiten Teilen bereits beantwortet: durch die Kriminalstatistik, die wir jedes Jahr bekommen, durch den Verfassungsschutzbericht, der uns jedes Jahr vorgelegt wird, durch diverse Kleine Anfragen, die auch aus Ihren Reihen gestellt wurden. Insofern bleibt mir am Ende nichts anderes zu sagen als: Ihnen ging es nie darum, die Problematik rechter Gewalt hier entsprechend zu thematisieren. Ihnen ging es nie darum, die Problematik des Islamismus in irgendeiner Form entsprechend hier zu thematisieren. Ihnen geht es darum, linke Strukturen zu diskreditieren und zu diffamieren, und da werden Sie zumindest auf meinen und – so meine ich auch – auf unseren Widerstand stoßen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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