Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission zur Überprüfung des Thüringer Abgeordnetenrechts auf möglichen Reformbedarf 2/2

André Blechschmidt

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/3730

 

Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, ich möchte gleich auf den Kollegen Bühl eingehen, damit ich es am Ende nicht womöglich vergesse. Drei Gedanken habe ich bei Ihnen rausgehört, auf die ich gern reagieren würde. Das eigene Verständnis, wie wir uns beim Stichwort „Kaste“, was Sie gewählt haben, wie sehen wir uns selber als Abgeordnete, als Vertreter von Bürgerinnen und Bürgern? Ja, das ist ein richtiger Ansatz, wie sehen wir uns, welche Aufgaben haben wir, was sagt uns die Verfassung? Aber ein wichtiger Moment bei der Frage von „Eigenverantwortung“, die wir mit Blick auf unsere eigene Arbeit und die damit verbundenen Fragen haben, ist natürlich, dass wir den Blickwinkel der Bürgerinnen und Bürger zur Kenntnis nehmen: Wie sehen sie uns, wie nehmen sie uns wahr?

 

Da bin ich schon bei Punkt 2, also die Vielschichtigkeit von Fragestellungen, die aufgemacht worden sind. Ich will mal mit Blick auf die Eigenbehandlung dieses Vorgangs eindeutig sagen: Wir haben immer dafür plädiert hier im Hohen Haus, dass wir – auch was die finanziellen Fragen anbetrifft – die Unabhängigkeit der Abgeordneten und der, die Abgeordnete werden wollen, gewährleisten wollen. Das ist richtig, ja. Aber ich glaube, dass wir an einigen Stellen Privilegierungen geschaffen haben und diese Privilegierung mit Blick auf den Normalbürger sollten wir zumindest mal diskutieren. Dies sollten wir nicht im eigenen Saft diskutieren,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

die sollten wir mit – jetzt fange ich ganz bewusst dort an – mit Bürgerinnen und Bürgern und mit Fachleuten diskutieren. Schwammigkeit: Ja, man kann gegebenenfalls den Eindruck gewinnen – das will ich Ihnen gar nicht absprechen –, dass der Antrag sehr offen gestaltet ist.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Nicht offen, tendenziös!)

 

Der Begriff „tendenziös“ war gefallen und der Begriff „Schwammigkeit“ war gefallen und ich beziehe mich jetzt auf den Begriff „Schwammigkeit“, Kollege, mit der weißen Paste. Also das wollen wir jetzt mal – ist ja alles gut.

 

Also Schwammigkeit, meinetwegen auch tendenziös: Ich finde, die beiden Worte würden sich mit Blick auf das, was wir vorgeschlagen haben, eigentlich widersprechen. Auf „Schwammigkeit“ will ich eingehen, weil wir es bewusst offen gestaltet haben, bewusst gesagt haben: Wir wollen hier nicht priorisiert festlegen, der muss es sein, der muss es sein. Dann hätten wir wahrscheinlich den Vorwurf bekommen zu sagen: Ihr wollt genau eure Leute dort reinhaben. Nein, wir wollen es offen, wir haben also Gesellschaftsbereiche benannt, wo wir sagen, da wollen wir sozusagen Rückkopplung, wollen wir Reflektion haben von Fachleuten, gegebenenfalls von Bürgerinnen und Bürgern, die der Meinung sind, sie können da in diesen Prozess mit einsteigen. Das jetzt noch mal als direkte Reaktion.

 

Ich will gerade als Linker überhaupt nicht meine Freude verbergen, dass wir uns jetzt mit dieser Problematik des Abgeordnetenrechts noch mal befassen

 

(Beifall DIE LINKE)

 

und das, weil ich den ersten Anlauf schon mitgemacht habe. 2006, also vor über 15 Jahren, haben wir schon mal versucht, eine Reform des Abgeordnetenrechts hier im Landtag durchzuführen. Das ist leider nicht gelungen, die Mehrheitsverhältnisse waren anders, das ist nun mal so. Die inhaltlichen Schwerpunkte waren im Jahr 2005/2006 schon die gleichen, die wir jetzt gesetzt haben. Das zeigt, manchmal muss man zwar einen langen Atem haben, aber es lohnt sich immer, für ein richtig erkanntes Thema und Inhalt am Ball zu bleiben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Meine Damen und Herren, Menschen in abhängiger Beschäftigung oder Selbstständige oder Freiberufler müssen ihre berufsbedingten bzw. geschäftlicher Tätigkeit geschuldeten Aufwendungen als Werbekosten oder Betriebskosten mittels genauer Abrechnung gegenüber dem Finanzamt geltend machen. Es gibt für Beschäftigte zwar auch eine Werbekostenpauschale zur Vereinfachung der Steuererklärung, das ändert aber nichts an dem gesamten Grundmodell.

 

Abgeordnete erhalten nach dem Thüringer Abgeordnetenrecht steuerfreie Aufwandspauschalen für eine ganze Reihe von möglichen mandatsbedingten Aufgaben, ohne dass sie wirklich einen Nachweis führen müssen, ob sie und für was sie verwendet worden sind. Stichwort wäre hier die Fahrtkostenpauschale oder die Bürokostenpauschale. Hier sollte nach Auffassung des Antrags mehr Transparenz und Vergleichbarkeit mit anderen Steuerbürgern hergestellt werden. Auch die Abgeordneten sollen zukünftig ihre mandatsbedingten Aufwendungen beim Finanzamt als Werbekosten gegen Nachweis geltend machen. Wir glauben, das führt zu einer höheren Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern – auch mit Blick auf die gegenwärtig grundlegende Alimentierung von Abgeordneten; ich habe es bei der Einbringung schon gesagt.

 

Meine Damen und Herren, man könnte nun fragen – und Kollege Bühl hat es indirekt gefragt –: Wozu noch diese Expertenkommission? Warum machen wir das nicht intern? Da bin ich mir als Linker der Erfahrungen aus dem Jahr 2006 durchaus bewusst. Die Fachleute sollen uns Wege aufzeigen, auch indem sie sich mit den Lösungen anderer Bundesländer beschäftigen – das könnten wir auch – und gegebenenfalls Lösungswege aufzeigen, die bis jetzt noch gar nicht im Blickfeld von Reformdiskussionen anderer Bundesländer gewesen sind. Deshalb würden wir gern einen – wie sagt man in Neudeutsch – Input von außen bekommen. Gleiches gilt für die Abkehr von den rein steuerfinanzierten Altersversorgungen im Landeshaushalt. Klar ist: Die Abgeordneten sollen zukünftig einen entsprechenden Eigenbeitrag für soziale Absicherung vor allem im Alter leisten. Allerdings erweist sich der pauschale Verweis auf eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung als zu einfach und – ich gebe zu – zu oberflächlich. Bei Abgeordneten, die schon mit Rentenzeiten und einer erfüllten Wartezeit von fünf Jahren in den Landtag kommen, ist alles ganz einfach. Sie zahlen weiter ihre Beiträge. Aber was machen wir mit Leuten, die aus Versorgungssystemen kommen oder bisher keine Rentenzeiten angesammelt haben? Darüber müssen wir diskutieren und darüber sollten wir mit Fachleuten diskutieren.

 

Noch mal das Stichwort „Kommission“. Wir sollten die Kommission so besetzen – darauf bin ich schon eingegangen –, dass wir die entsprechenden Erfahrungen und Erfahrungswelten von Bürgerinnen und Bürgern und allgemeine Vorgänge in der Gesellschaft reflektierten können. Das ist ein wichtiges Moment, das wir als Linke in diesem Zusammenhang sehen. Die in dem vorliegenden Antrag vorgeschlagene Expertenkommission soll auch nach verantwortungsvollen Konzepten zu den finanziellen Aspekten der Reform diskutieren. Wir und Reformerfahrungen aus anderen Bundesländern – ich habe es schon angesprochen – zeigen hier wichtige vernünftige, aber auch glaubwürdige Ansätze.

 

Ein letztes Wort zur Zeitschiene: Der Eindruck könnte entstehen, dass mit dem jetzigen Antrag, der Mitte der Legislaturperiode gestellt wird, überhaupt kein Ergebnis zustande kommen könnte. Es soll schon noch ein Ergebnis zustande kommen. Die Zeitschiene für die Arbeit der Gremien ist auf etwa ein bis anderthalb Jahre festgelegt. Das dürfte ein realistisches Modell sein, um einen aussagekräftigen Prüfbericht von solchen Handlungsempfehlungen zu bekommen, damit der nächste Landtag – das hat Kollegin Henfling angesprochen – die entsprechende gesetzliche Veränderung vornehmen kann, wahrscheinlich nicht dieser. Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich um die Zustimmung zum Antrag. Eine Überweisung werden wir in diesem Fall nicht zwingend verhindern, aber wir sehen eigentlich mit Blick auf die Abarbeitung und die vorgeschlagenen Momente eine Möglichkeit in der sofortigen Abstimmung. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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