Eigenständige Jugendpolitik für Thüringen

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3109


Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen, eine eigenständige Jungendpolitik für Thüringen – das klingt doch gut. Ja, man könnte fast meinen, alle seien sich doch darin einig, die Interessen junger Menschen zu achten und sie auf allen Ebenen und in allen Lebenslagen stets zu unterstützen.


Doch was Politikerinnen wirklich von Jugendlichen halten, sehen wir dann, wenn es Probleme gibt. Wir alle kennen doch die Schlagzeilen: Jugendliche sind desillusioniert, gewalttätig, politikmüde, uninteressiert. Und dann erfolgt dann jeweils der passende Diskurs. Dort werden dann schnell repressive Rufe laut, wie zum Beispiel nach einem Warnschussarrest oder nach Verschärfung des Jugendstrafrechts. Vorreiter ist hier vor allem die auf der Bundesebene vorherrschende Politik, die die Jugendlichen seit 2005 mit Sanktionen zu erziehen versucht. So habe ich zumindest die Jugendpolitik der CDU bisher wahrgenommen.


Viel zu oft sind es aber auch Angebote für Jugendliche, die zuerst dem Rotstift zum Opfer fallen, wenn sich die Kassen leeren. Übersehen wird außerdem regelmäßig die massive Armut von Jugendlichen, die sie hindert, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, oder auch die fortschreitende Privatisierung des öffentlichen Raums mit der Folge, dass Jugendlichen selbst immer weniger Raum bleibt. Es gibt keine Bevölkerungsgruppe, die so wenig von der Politik wahr- und ernstgenommen wird, wie die Jugendlichen.

Was bedeutet das, in diesem Kontext eine eigenständige Jugendpolitik zu fordern, und wie kann diese den Jugendlichen helfen? Eigenständige Jugendpolitik ist ein Politikansatz, der die Bedürfnisse und Anforderungen von Jugendlichen in den Fokus der Debatte rücken will. Dabei soll die Jugendphase als Ganzes in den Blick genommen werden. Die bisherige isolierte Betrachtung einzelner Teilaspekte, wie zum Beispiel Bildung, Familie oder Arbeit, soll aufgehoben werden.


Präsident Carius:


Frau Abgeordnete Engel, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tischner. Lassen Sie die zu?


Abgeordnete Engel, DIE LINKE:


Am Ende.


Präsident Carius:


Am Ende.


Abgeordnete Engel, DIE LINKE:


Die Gestaltung jugendlicher Lebenslagen wird als politische Gesamtaufgabe verstanden, die sich durch alle Ressorts und Verwaltungsebenen zieht und alle Beteiligten an einen Tisch holt. Es soll also nicht mehr nur über, sondern auch endlich mit den Jugendlichen geredet werden. Die Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik ist ein Prozess, der darauf abzielt, Jugendpolitik als ein selbstständiges Politikfeld mit einem eigenen Selbstverständnis zu etablieren, wie das bei anderen Politikfeldern, zum Beispiel bei der Finanz- oder Umweltpolitik, schon lange der Fall ist. Mit einer eigenständigen Jugendpolitik würden die Jugendlichen endlich ernst zu nehmende Partnerinnen und Partner in der Politik werden. Uns als Linksfraktion ist es dabei wichtig, dass eigenständige Jugendpolitik nicht zu einem inhaltsleeren Modebegriff verkommt, so wie es derzeit auf der Bundesebene bei einigen Akteuren der Fall ist.


Es ist nicht zielführend, immer wieder mal ein neues, schön klingendes Projekt ins Leben zu rufen. Derzeit arbeitet zum Beispiel die Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ als Nachfolgeprojekt des bis 2014 finanzierten Zentrums „Eigenständige Jugendpolitik“. Diese Koordinierungsstelle soll die Handlungsstrategien der eigenständigen Jugendpolitik in 16 Modellprojekten – für jedes Bundesland eins – ausprobieren. Ein übergreifendes, als Querschnitt angelegtes gemeinsames Handeln für die Interessen der jungen Generation wird so – zumindest nach unserem Dafürhalten – nicht erreicht. Damit verlagert die Bundesregierung lediglich ihre Verantwortung und schafft nur noch mehr Verwirrung in den Ländern und Kommunen. Die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen stellt sich dagegen ihrer Verantwortung und versucht längst, den Begriff „Eigenständige Jugendpolitik“ mit Inhalten zu füllen. So sind die Stärkung und die bedarfsgerechte Ausgestaltung der Jugendarbeit, die Jugendverbandsarbeit sowie der Jugendsozialarbeit, welche für uns sowieso zur Daseinsvorsorge gehören, zentrales Element einer eigenständigen Jugendpolitik, ebenso wie die Verstärkung und Verbesserung der Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Unser Bestreben ist es, für ein Angebot in Thüringen zu sorgen, welches bedarfsgerecht ausgestattet ist, Städte und ländliche Gebiete umfasst und Jugendliche aus allen gesellschaftlichen Schichten erreicht. Dabei wollen wir keine bloße Schaufensterpolitik betreiben, sondern verbindliche Grundlagen schaffen. Dies schließt für uns natürlich eine gesetzliche Verankerung der Rechte der Kinder und Jugendlichen mit ein.


Um es noch einmal zusammenzufassen: Eigenständige Jugendpolitik heißt für uns: Stärkung der Angebote der Jugendarbeit, Einbeziehung und Mitbestimmung junger Menschen auf allen Ebenen, Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von Jugendlichen sowie die Geltendmachung jugendpolitischer Aspekte und Sichten in allen Politikfeldern. Dafür stehen wir und mit der Umsetzung dieser Ziele haben wir auch längst begonnen. Allerdings stehen wir in Thüringen insgesamt noch am Anfang dieses Prozesses, da leider in den vergangenen Jahrzehnten im Sinne einer eigenständigen Jugendpolitik hier wenig geschehen ist. Aber da die CDU-Fraktion gerade dabei ist, durch ihre Oppositionsrolle neue Einsichten zu gewinnen, und nun ebenfalls dafür wirbt, Jugendliche endlich ernst zu nehmen und ihre Interessen auf allen Ebenen in die Politik einzubringen,


(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Was reden Sie für ein Zeug!)


sehe ich dem Ganzen sehr optimistisch entgegen.


(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Mit einem Antrag, der inhaltsgleich ist! Hätten Sie damals zugestimmt, hätten wir uns die Redebeiträge heute schenken können!)


Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns also jetzt die Chance nutzen und die eigenständige Jugendpolitik in Thüringen voranbringen und dies bitte gemeinsam und auf Augenhöhe mit den Jugendlichen, denn nur so können wir nachhaltig ihre Lebenssituation in Thüringen verbessern. Ich bitte daher, diesen Antrag an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zu überweisen, und ihn dann dort – wenn möglich – unter Einbeziehung aller Beteiligten weiter zu beraten. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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