Eigenständige Jugendpolitik für Thüringen

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3109


Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen, wir behandeln heute zwei Anträge, welche sich beide mit dem Themenfeld der eigenständigen Jugendpolitik befassen. Ein Antrag ist von der CDU-Fraktion und der andere ist von den Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen.


Beide Anträge wurden – wie bereits erwähnt – letztes Jahr in das Landtagsplenum eingebracht und dann an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport überwiesen. Zu beiden Anträgen fanden sowohl eine schriftliche als auch eine mündliche Anhörung statt, welche wiederum im Ausschuss dann ausgewertet wurden. Durch diese Anhörungen erhielten wir eine ganze Reihe von Ideen und Anregungen, aber auch Kritik, an welchen Stellen etwas verändert werden müsste, wenn wir mehr Mitbestimmung für junge Menschen in Thüringen erreichen wollen.


Für die Stellungnahmen möchte ich mich ausdrücklich noch einmal bei allen Anzuhörenden bedanken.


(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben uns bei unserer Arbeit sehr geholfen und wir haben viele ihrer Ideen und Vorschläge in unseren Antrag aufgenommen und eingearbeitet, was man leider von dem CDU-Antrag nicht behaupten kann. So stellt die CDU heute ihren unveränderten Antrag wieder zur Beratung.


Aber um was geht es denn eigentlich und was bedeutet denn eigenständige Jugendpolitik? Eigenständige Jugendpolitik ist ein Politikansatz, der die Bedürfnisse und Anforderungen von Jugendlichen in den Fokus der Debatte rücken will. Dabei soll die Jugendphase als Ganzes in den Blick genommen werden. Die bisherige isolierte Betrachtung einzelner Teilaspekte, wie zum Beispiel Bildung, Familie oder Arbeit, soll aufgehoben werden. Die Gestaltung jugendlicher Lebenslagen wird als politische Gesamtaufgabe verstanden, die sich durch alle Ressorts und Verwaltungsebenen zieht und alle Beteiligten an einen Tisch holt. Die Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik ist also ein Prozess, der darauf abzielt, Jugendpolitik als selbstständiges Politikfeld mit einem eigenen Selbstverständnis zu etablieren, wie es in anderen Politikfeldern schon lange der Fall ist, zum Beispiel bei der Finanz- oder Umweltpolitik.

Eigenständige Jugendpolitik bedeutet also, dass nicht mehr nur über, sondern endlich auch mit den Jugendlichen geredet werden soll. Somit würden nämlich die Jugendlichen ernst zu nehmende Partnerinnen in der Politik werden. Uns als Linksfraktion ist es wichtig, dass am Ende die eigenständige Jugendpolitik nicht zu einem inhaltsleeren Modebegriff verkommt, denn wir wollen keine bloße Schaufensterpolitik betreiben, wir wollen verbindliche Grundlagen für mehr Mitbestimmung schaffen.


(Beifall DIE LINKE, SPD)


Deswegen ist uns die gesetzliche Verankerung der Rechte von Kindern und Jugendlichen besonders wichtig.


Aber genau das hat halt der vorliegende CDU-Antrag nicht im Blick. Ihr Antrag, liebe CDU-Fraktion, zeigt ganz deutlich zwei Dinge, zum Ersten: Sie, liebe CDU, sind verdammt beratungsresistent, denn Sie haben es wirklich geschafft, keinen, keinen einzigen Hinweis der Anzuhörenden in irgendeiner Form aufzunehmen. Und Ihr Antrag zeigt außerdem, dass Sie nach über einem Jahr politische Diskussion immer noch nicht verstanden haben, worum es bei dem Thema der eigenständigen Jugendpolitik eigentlich geht. So fordern Sie in Ihrem Antrag im ersten Punkt die Erarbeitung eines Landesprogramms, das Sie quasi neben die bereits existierende Jugendpolitik und die anderen Politikfelder stellen wollen. Und genau das wollen wir nicht. Denn hier wird der Ansatz einer eigenständigen Jugendpolitik gänzlich missverstanden, denn eigenständige Jugendpolitik soll nicht etwas Neues, von oben Aufgestülptes sein, sondern ist ein Politikansatz, der durch alle Ressorts geht und Verwaltungsebenen und alle Beteiligten an einen Tisch holt. Ein Landesprogramm, das fast alle Protagonisten einer eigenständigen Jugendpolitik bereits bei der Erarbeitung ausschließt, ist da wenig hilfreich und betont lediglich Ihr eingeschränktes Ressortdenken. Ebenso picken Sie sich in den weiteren Punkten Ihres Antrags lediglich einzelne Teilaspekte heraus, statt das Thema ganzheitlich zu erfassen.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Eigenständige Jugendpolitik heißt für uns Stärkung der Angebote der Jugendarbeit, Einbeziehung und Mitbestimmung junger Menschen auf allen Ebenen, Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von Jugendlichen sowie die Geltendmachung jugendpolitischer Aspekte und Sichten in allen Politikfeldern. Deshalb haben wir uns innerhalb der Koalition auf folgende Maßnahmen verständigt: die Entwicklung eines ressortübergreifenden Maßnahmenkonzepts, welches im Dialog mit Kommunen, Verbänden, Wissenschaft, freien Trägern sowie Jugendlichen entwickelt werden soll, die Stärkung der außerschulischen Jugendarbeit, die Erhöhung der örtlichen Jugendförderung auf 15 Millionen Euro, die gesetzliche Verankerung der Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen in der Thüringer Kommunalordnung, die Entwicklung eines sogenannten Jugendchecks in Thüringen und wir werden prüfen, ob die UN-Kinderrechte ausreichend in der Thüringer Verfassung verankert sind.


Außerdem haben wir noch folgende Punkte aus der Anhörung aufgenommen: die Erarbeitung eines Lebenslagenberichts junger Menschen, der alle fünf Jahre vorgelegt werden soll, die Stärkung der Jugendforschung für die bessere Untersetzung jugendpolitischer Entscheidungen, die Stärkung der Mitwirkungsrechte von Schülerinnen sowie die Reformation des Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetzes, um vor allem die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte junger Menschen weiter auszubauen.

Liebe Kolleginnen, die Rahmenbedingungen für junge Menschen haben sich bekanntlich in den vergangenen Jahren stark verändert. Einerseits hat der demografische Wandel dazu geführt, dass der Anteil junger Menschen an der Gesamtbevölkerung immer weiter zurückgegangen ist. Gleichzeitig haben sich aber auch die Anforderungen an junge Menschen stark gewandelt. Unsicherheiten in der persönlichen und beruflichen Zukunft haben zum Beispiel stark zugenommen. Höhere Anforderungen stellen sich an Flexibilität und Mobilität. In vielen Bereichen hat die öffentliche Unterstützung für den Schritt in ein selbstständiges Leben, für den Schritt in einen Beruf abgenommen. Denken wir da zum Beispiel nur an das BAföG oder diese bescheuerte Regelung, dass Kindergeld, welches eigentlich für Schülerinnen gedacht sein sollte, bei Hartz-IV-Familien wieder abgezogen wird.


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Frau Präsidentin, heute früh gab es dafür einen Ordnungsruf!)


Das Leben der jungen Menschen bietet somit heutzutage, neben einer Fülle von Möglichkeiten, auch eine Fülle an Herausforderungen und an Gegenwind.


Vizepräsidentin Jung:


Herr Abgeordneter Mohring, wann ich hier Ordnungsrufe erteile oder nicht, das ist immer noch meine Angelegenheit.


(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Das ist Willkür!)


Frau Abgeordnete Engel, ich bitte Sie, dass Sie sich mäßigen, weil „bescheuert“ nicht der Würde des Hohen Hauses entspricht.


Abgeordnete Engel, DIE LINKE:


Umso wichtiger ist es, Jugendlichen in Thüringen eine stärkere Stimme zu geben. Die Anliegen, Probleme und Bedürfnisse von Jugendlichen müssen endlich ernst genommen werden. Mit der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei den Kommunalwahlen sind wir in Thüringen einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen.


(Beifall DIE LINKE)


Denn nur, indem wir jungen Menschen etwas von unseren Befugnissen, von unserer Macht abgeben, können wir ihnen ermöglichen, sich selbst zu entfalten und wirksam zu werden. Nicht zuletzt ist die Stärkung von jungen Menschen auch eine Stärkung unserer Demokratie, was leider heutzutage wichtiger ist denn je.


Liebe Kolleginnen, lassen Sie uns heute die Chance nutzen und die eigenständige Jugendpolitik in Thüringen voranbringen. Tun wir dies bitte gemeinsam und vor allem auf Augenhöhe mit den Jugendlichen. Nur so können wir ihre gesellschaftliche Position stärken und ausbauen. Ich bitte Sie deshalb, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport Folge zu leisten und dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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