Eckpunkte für ein Thüringer Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Tieren

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - <media 761>Drucksache 5/1531</media> -


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, bei allen Diskussionen über mögliche Regelungen, die der Stärkung der individuellen und auch öffentlichen Sicherheit dienen sollen, muss eines immer wieder vorangestellt werden. Ich danke Herrn Innenminister Prof. Huber für seine Worte: „Absolute Sicherheit gibt es nicht.“ Durch gesetzliche Regelungen können weder Pflichtverletzungen handelnder Menschen ausgeschlossen werden, ebenso wenig fahrlässiges Fehlverhalten und erst recht nicht kann in einem Gesetz jeder nur erdenkliche Einzelfall menschlichen Handelns oder sogar - wie in dem hier diskutierten Thema - des tierischen Verhaltens vorausgesehen und diesem mit einer präventiven Regelung begegnet werden. Der von der Landesregierung ins Spiel gebrachte und nunmehr im Gesetzentwurf vorliegende Vorschlag für eine sogenannte Rasseliste hört sich womöglich gut an. Diese Rasseliste ist aber weder gerechtfertigt noch wird von ihr tatsächlich ein Mehr an Sicherheit ausgehen. Das zeigen alle empirischen Belege aus den Bundesländern, die eine Rasseliste eingeführt haben. Die Beißvorfälle in ihrer Gesamtheit haben sich nicht verringert, ein Mehr an Sicherheit gibt es nicht. Die beiden von Ihnen erwähnten Beißattacken in Cottbus und Berlin haben sich in Bundesländern ereignet, die eine derartige Rasseliste haben. Eine solche Rasseliste, und das ist unser Hauptargument, ist vor allem nicht sachgerecht. Das können Sie den meisten Stellungnahmen entnehmen, die der Landesregierung, aber auch den Fraktionen zugesandt wurden. So führt beispielsweise der Landestierschutzverband Nordrhein-Westfalen aus, ich zitiere: „In der Veterinärwissenschaft ist es heute unbestritten, dass die Rasse eines Hundes grundsätzlich nichts über seine Aggressivität auszusagen vermag. Bestimmende Faktoren sind die Haltung und Erziehung eines Hundes.“ Die Landestierärztekammer Thüringen meint hierzu: „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass bestimmte Hunderassen per se aggressiv seien.“ Frau Dr. Dorit Feddersen-Petersen von der Universität Kiel stellt fest: „Verhaltensbiologisch ist die gefährliche Rasse nicht zu benennen. Es ist naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen, einer Hunderasse a priori eine gesteigerte Gefährlichkeit zuzuschreiben.“ Auf diese vehemente, fachlich fundierte Kritik an der Rasseliste und auf die offensichtlich herangewachsene Einsicht, dass eine Rasseliste Gefahren nicht wirksam beseitigen kann - ich habe auf die tödlichen Bissattacken verwiesen -, einfach zu reagieren, indem noch zusätzliche Regelungen für große Hunde an die Seite gestellt werden, ist nicht die richtige Antwort - dazu später mehr. Keine Frage, dass wir in einem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren einen Interessenausgleich vornehmen müssen, ist klar - einen Ausgleich, der Belange der Gefahrenabwehr berücksichtigt, individuelle Rechte nicht mehr als notwendig beschneidet und auch Belange des Tierschutzes nicht unberücksichtigt lässt, obwohl uns hier im Land hierzu die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Natürlich darf sich ein Gesetzgeber nicht unbeeindruckt lassen von Meinungen, die eine subjektiv empfundene Angst zum Ausdruck bringen, aber ebenso wenig von Auffassungen, die sagen, der Hund als Haustier, als Wachhund, als Begleithund, aber auch als Bestandteil der Pflege und der medizinischen Genesung gehört zu unserer Kultur.

Die Ankündigung des Thüringer Innenministeriums im Mai 2010, wonach in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren die Anzahl der legal gehaltenen Kampfhunde in Thüringen gegen Null reduziert werden solle, ist in der Gesamtbetrachtung unverhältnismäßig und in Anbetracht der fachkundigen Äußerungen von Experten und Expertinnen auch nicht sachgerecht. Dieses Ziel ist vor allem unrealistisch. Selbst wenn es in Thüringen ein Zucht- und Handelsverbot für bestimmte Hunde gäbe, dann besorgen sich die Halter die Hunde in anderen Bundesländern oder in anderen Ländern. Diese illegalen Hunde - oder richtiger gesagt, diese illegalen Hundehalter - werden versuchen, sich jedweder Prävention und Kontrolle zu entziehen und dies wird schließlich die Gefahren erhöhen. Wenn wir als LINKE die Verantwortung bei den Hundehaltern sehen, dann ist es konsequent, dass wir mit unseren Vorschlägen Hundehalter in die Pflicht nehmen, wie sie eine hohe Verantwortung gegenüber dem Tier und gegenüber ihren Mitmenschen ausüben. Ich bin überzeugt, dass die übergroße Anzahl der Hundehalter in Thüringen sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst ist und die daraus erwachsenden Pflichten gerne aufnimmt.

Mit unserem Antrag haben wir Ihnen Eckpunkte für ein künftiges Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren vorgeschlagen, die wir natürlich auch in die Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung im Ausschuss einfließen lassen werden. Viele Punkte des Entwurfs der Landesregierung - das wurde bereits in der Begründung zu unserem Antrag durch meine Kollegin Sabine Berninger gesagt - werden durch meine Fraktion durchaus als sinnvoll erachtet. Es fehlen jedoch generell präventive Regelungen, wie wir sie in die Debatte einbringen. Zunächst erscheint es mir wichtig festzustellen, dass die Regelungen in der Gefahrhundeverordnung in Thüringen, die greifen, wenn ein Hund als gefährlich eingestuft wurde, auch in einem zukünftigen Gesetz Geltung haben sollten.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben sich bewährt. Dort findet sich beispielsweise die Erlaubnispflicht für das Halten gefährlicher Hunde ebenso wie besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Halters gefährlicher Hunde. Wir wollen aber mit unseren Vorschlägen einen Schritt weiter gehen. Da wäre zum Beispiel die von uns vorgeschlagene Regelung zur jährlichen Vorstellung des Hundes bei einem Tierarzt. Ein Besuch, der sowieso jeder verantwortliche Hundehalter und jede Hundehalterin im Kalender stehen haben sollte. Aber wir wollen auch die Tierärzte in die Pflicht nehmen, bei Verhaltensauffälligkeiten einen Wesenstest bei der zuständigen Behörde begründet anzuregen. Damit haben wir einen relativ einfachen Kontrollmechanismus geschaffen, der geeignet ist, das notwendige Verbot der Abrichtung von Hunden zu gefährlichen Tieren auch tatsächlich umzusetzen. Wir können uns vorstellen, dass der Besuch bei einem Tierarzt mit einem ermäßigten Hundesteuersatz honoriert wird oder anders herum gesprochen, wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, muss mit einem erhöhten Steuersatz rechnen. Die Möglichkeit, die Hundesteuer als tatsächliches Steuerungsinstrument mithilfe variabler Steuersätze in den Kommunen zu entwickeln, trägt einer wichtigen und auch berechtigen Fragestellung Rechnung: Wie werden die Regelungen, ganz gleich welche, durch die Ordnungsbehörden kontrolliert?

Weiterhin haben wir eine Reihe von Regelungen vorgeschlagen und bringen sie in die parlamentarische Diskussion ein, die an der bereits benannten Verantwortung des Hundehalters, also der Verantwortung am anderen Ende der Leine, für Hund und Mitmenschen ansetzt. Zuerst zu nennen die Einführung eines sogenannten Hundeführerscheins für Halter aller Hunde, der erworben wird mit der Ablegung eines Sachkundenachweises, der sowohl einen theoretischen wie praktischen Bestandteil enthält. Dann sind zu nennen die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für alle Hunde sowie die Anmeldepflicht sowie Kennzeichnungspflicht mit einem behördlich auslesbaren Mikrochip für alle Hunde. Einerseits ist es begrüßenswert, Herr Innenminister Huber, wenn Sie diese Ihnen ja bereits bekannten Vorschläge der LINKEN in Ihrem Gesetzentwurf nunmehr aufgenommen haben, nicht zu begrüßen ist allerdings die Beschränkung dieser Vorschriften auf Hunde, die eine größere Widerristhöhe als 40 cm haben oder mehr als 20 kg wiegen. Ebenso wie die Rasse ist aber auch die Höhe des Hundes oder auch das Gewicht nicht aussagekräftig darüber, wie aggressiv ein Hund ist, bzw. im Hinblick auf die Haftpflichtversicherung, welchen Schaden der Hund verursachen kann. Wir erinnern uns zuletzt an den Vorfall, wo ein Hund Kühe von einer Weide auf die Bahngleise getrieben hat.

Natürlich verursachen die vorgeschlagenen Regelungen, sowohl die der Landesregierung als auch die unserer Fraktion, Kosten, die dem Hundehalter auferlegt werden. Aber wir halten es für ein zu akzeptierendes Verhältnis, denn damit werden Ziele verfolgt, die Verpflichtungen auferlegen, ein Tier artgerecht zu halten und damit umzugehen. Wir halten es auch für verhältnismäßig, weil zum Beispiel eine Haftpflichtversicherung sicherstellt, dass eventuell durch einen Hund verursachte Schäden nicht zur Kostenbelastung des Geschädigten führen. Natürlich sind wir uns auch bewusst darüber, dass es für sogenannte Bestandshunde Übergangsregelungen geben muss. Wie genau die aussehen und ob es weitere Ausnahmen geben muss, müssen wir in den Ausschüssen sachgerecht diskutieren.

Nicht anschließen können wir uns der Forderung, die unter anderem auch vom Landestierschutzverband erhoben wurde, nachdem die Hundezucht ausschließlich auf sogenannte Züchter beschränkt werden sollte. Die privat organisierte Vermehrung von Hunden - und wer auf dem Land wohnt, weiß, wovon ich rede - soll weiterhin möglich sein, allerdings halten wir einen Vorschlag für diskussionswürdig, der sagt, die Vermehrung vorab einem Tierarzt zu melden und von diesem die Unbedenklichkeitsbestätigung einzuholen. Dies verhindert Missbrauch am Tier durch unsägliche Kreuzungsversuche und sichert auch ein Stück weit die Kontrolle einer artgerechten Haltung und Vermehrung. Ich will zumindest am Ende noch darauf eingehen, dass die Regelungen im Gesetzentwurf zum Schutz vor gefährlichen Tieren, die keine Hunde sind, ebenso wichtig sind. Sie werden von uns auch inhaltlich begrüßt, nur leider leiden sie daran, dass man über sie weniger emotionalisiert reden kann. Das macht sie aber nicht weniger bedeutsam.

Meine Damen und Herren, wenngleich sich unser Antrag mit der Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung formal zu erübrigen scheint, werden wir ihn dennoch nicht zurückziehen und beantragen gleichermaßen die Überweisung an den Innenausschuss, um ihn ebenso wie den Gesetzentwurf zur Grundlage einer mündlichen Anhörung zu machen. Wir wünschen uns eine versachlichte parlamentarische Debatte gemeinsam mit Experten und Expertinnen und Sachverständigen, die ein Ergebnis zeitigt, das tragische Vorfälle wie in Oldisleben oder Kindelbrück nicht gänzlich ausschließen kann, aber deren Eintrittswahrscheinlichkeit minimiert, dabei aber auf einfach klingende, aber nicht sachgerechte und nur vermeintliche Lösungen verzichtet. Danke.

(Beifall DIE LINKE)


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