Duale Ausbildung stärken, Unternehmertum fördern!

Kati Engel

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/4160

 

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Besucher, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen! Im Zentrum der Debatte, die wir gerade führen, steht die duale Berufsausbildung und deren Zukunft. Die Menschen in Deutschland, auch die Wirtschaft, halten viel von der dualen Ausbildung. Duale Ausbildung bedeutet eine enge Verzahnung von Lernen, einerseits in der Berufsschule und andererseits in der beruflichen Praxis unter Federführung eines konkreten Ausbildungsbetriebs, welcher auch für die soziale Sicherung des Auszubildenden aufkommt.

 

Ihr Antrag, liebe CDU, hat bereits einen langen Weg hinter sich. Er wurde im Juli 2017 eingereicht, letzten November vom Plenum an den Bildungsausschuss überwiesen und im Dezember dort das erste Mal besprochen. Im Januar wurde eine schriftliche Anhörung beschlossen, welche der Ausschuss dann im März ausgewertet hat. Die CDU reichte im Ergebnis der Anhörung einen Änderungsantrag ein. Das ist ein langer Weg, aber auch ein langer Weg heißt nicht automatisch, dass es ein guter Antrag ist. Tatsächlich finden wir Ihren Antrag ziemlich schwach und daran hat auch Ihr Änderungsantrag nichts geändert. Natürlich ist die Zukunft der dualen Ausbildung ein wichtiges Thema. Dies bestätigten auch übereinstimmend alle Anzuhörenden.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Sie begrüßten das Anliegen der Landespolitik, sich über die Zukunft der dualen Ausbildung Gedanken zu machen und Ideen zu entwickeln.

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Das ist das Anliegen der CDU-Fraktion!)

 

Die Koalitionsfraktionen haben ihre Ideen dazu im vorliegenden Antrag „Fachkräfteentwicklung in Thüringen: Beschäftigte halten, bilden und fördern“ dargelegt. Zu diesem Antrag wird meine Kollegin Ina Leukefeld später noch ausführlich sprechen.

Liebe Zuhörerinnen, lassen Sie mich bitte nachfolgend begründen, warum wir dem CDU-Antrag nicht folgen können. Unter der Überschrift „Duale Ausbildung stärken“ beschränkt sich die CDU vollkommen auf die schulischen Maßnahmen und Möglichkeiten, wie es ja meine Kollegin Diana Lehmann bereits angesprochen hat. Wichtige Themen, wie zum Beispiel Rahmenbedingungen von Ausbildung, Ausbildungsqualität, Ausbildungsvergütung, Berufseinstiegsbegleitung, die in diesem Zusammenhang wichtig wären, sogar unerlässlich sind, finden in Ihrem Antrag überhaupt keine Erwähnung. Ihr Antrag bezieht sich vor allem auf die Berufsorientierung an Gymnasien. Dies ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass immer mehr junge Menschen einen Studienplatz einer dualen Berufsausbildung vorziehen. Unserer Ansicht nach liegt das jedoch nicht allein an den mangelnden Informationen über die Möglichkeiten einer dualen Ausbildung nach dem Abitur, sondern daran, dass junge Menschen durchaus gute Gründe haben, wenn sie sich für ein Studium entscheiden. So sind noch immer Menschen mit einer akademischen Ausbildung seltener von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen mit einem Abschluss einer dualen Berufsausbildung. Außerdem erscheint vielen jungen Menschen die Studienzeit natürlich attraktiver als Ausbildungsjahre, denn viele Auszubildende sehen sich unverändert mit großen Belastungen konfrontiert. Natürlich spricht sich das rum, denn auch junge Menschen sind vernetzt und tauschen sich aus über schlechte Arbeitsbedingungen, Überstunden, fachlich ungenügende Anleitung, eine unterdurchschnittliche Ausbildungsvergütung und das Gefühl, als billige Arbeitskraft ausgenutzt zu werden. Die duale Berufsausbildung wird erst dadurch attraktiv, wenn es selbstverständlich wird, dass es gute tarifliche Vergütung gibt und betriebliche Mitbestimmung durch Betriebsräte und Jugend- und Auszubildendenvertretungen auch gewährleistet wird. Das spricht Jugendliche an und nur so können wir Ausbildungsstellen auch besetzen.

 

Dies bestätigt auch der aktuelle Ausbildungsreport, welcher jährlich von der DGB-Jugend veröffentlicht wird. So wird darin erneut festgestellt, dass Auszubildende in Betrieben mit betrieblicher Mitbestimmung viel zufriedener sind mit ihrer Ausbildung. Auch in diesem Punkt ist unser Antrag zur Fachkräfteentwicklung weitreichender. So wird dort unter Punkt III die Landesregierung gebeten, Maßnahmen zur Stärkung der Attraktivität der dualen Ausbildung sowie zur Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung zu entwickeln und auch umzusetzen. Gelingt es uns nicht, die Berufsausbildung massiv qualitativ zu verbessern, die Tarifbindung der Thüringer Betriebe signifikant zu erhöhen und Mitbestimmung weiter flächendeckend zu verankern, so nützt uns auch die schönste Imagekampagne nichts.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Davon jetzt einmal abgesehen, gibt es immer noch hunderte Jugendliche, die den Einstieg in eine berufliche Ausbildung gar nicht erst schaffen. Auch wenn es vielleicht möglich sein sollte, einen Teil der jungen Menschen, die sich auf ein Studium orientieren, für den dualen Bereich zurückzugewinnen, so ist es aus Sicht der Koalitionsfraktionen dringlicher, besonders auf die Jugendlichen mit Problemlagen zu schauen und hier neuere und bessere Wege zu finden und umzusetzen.

 

Die Berufseinstiegsbegleitung zum Beispiel findet in Ihrem Antrag, liebe CDU, gar keine Erwähnung. Die Koalitionsfraktionen sehen aber auch hier Handlungsbedarf. Neben der Stärkung der Berufsvorbereitung und der Berufsorientierung an den Thüringer Schulen messen wir der Berufseinstiegsbegleitung, insbesondere für Schülerinnen mit Förderbedarf, eine besondere Bedeutung zu. Durch die verhaltene Ausbildungsbeteiligung vieler Betriebe wurden vorhandene Potenziale in der Vergangenheit nicht genutzt. Gleichzeitig stehen aber die Thüringer Unternehmen vor der Herausforderung, dem steigenden Fachkräftebedarf zu begegnen. Die Stärkung der praxisnahen und am Bedarf orientierten Berufsorientierung und die Einstiegsbegleitung ins Berufsleben sind dabei nur ein möglicher Weg, ungenutzte Potenziale zu aktivieren. Weitere Möglichkeiten wird Ihnen meine Kollegin Ina Leukefeld in ihrer nachfolgenden Rede näher erläutern.

Liebe Kolleginnen, liebe Zuhörerinnen, es ist augenscheinlich, dass viele Punkte des CDU-Antrags von rein ideologischen Motiven gesteuert sind. So will die CDU, dass in Schulen mehr für das Unternehmertum geworben wird. Aber das geht komplett an der Lebensrealität der Schülerinnen vorbei.

 

(Unruhe CDU)

 

Die Wenigsten werden später eine eigene Firma gründen. Vielmehr ist es doch wahrscheinlich, dass sie Arbeitnehmerinnen werden. Wir halten es deshalb für sinnvoller, dass sich junge Menschen vor Beginn ihrer Berufsausbildung intensiv und kritisch mit der Funktionsweise des vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystems auseinandersetzen.

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Irgendwer muss eure Wohltaten verdienen!)

 

Dazu gehören selbstverständlich auch Themen wie „Konfliktregelung in der Ausbildung“, „betriebliche Mitbestimmung“, „Gewerkschaften und Streikrecht“ sowie das Tarifvertragssystem. Diese Auffassung vertritt im Übrigen auch die GEW, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. In ihrer Stellungnahme zum CDU-Antrag hat die GEW den einseitigen Bezug des Antrags auf wirtschaftlich verwertbares Wissen kritisiert und unterstrichen, dass Schule einen allgemeinen persönlichkeitsbildenden Auftrag hat, der darüber weit hinausgeht. Die Gewerkschaft kritisierte ebenfalls den starken Bezug auf das Unternehmertum

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

und wünschte sich in Anlehnung an die tatsächlichen Interessen der Schülerinnen, dass die Rolle und die Rechte von Arbeitnehmerinnen einen eben solchen Stellenwert einnehmen mögen.

Um es abschließend zusammenzufassen: Der vorliegende Antrag der CDU betrachtet Ausbildung und Arbeit lediglich aus Sicht der Unternehmerinnen. Dieser Ansatz wird aber weder zu einer Stärkung der dualen Ausbildung führen, noch das Image von Thüringen als Arbeits- und Wirtschaftsstandort nachhaltig verbessern.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir können die Qualität von Ausbildung und Arbeit nur verbessern, wenn wir alle Blickrichtungen einnehmen, und dazu gehört eben auch die Sicht der Auszubildenden und die Sicht der Arbeitnehmerinnen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Meine Damen und Herren, aus den dargelegten Gründen werden die Koalitionsfraktionen daher dem Antrag der CDU nicht zustimmen. Ich plädiere dafür, den in meinen Augen weitreichenderen Antrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 6/5554 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit, den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zu überweisen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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