Droht Thüringen der Verlust von EU-Geldern in dreistelliger Millionenhöhe?

Andreas Schubert

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/1897

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Die CDU-Fraktion erweckt mit ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde den Eindruck, dass bereitgestellte EU-Gelder nicht rechtzeitig von der Thüringer Landesregierung ausgegeben werden und damit unwiederbringlich der Verlust dieser Gelder droht. Ja, es stimmt, zurzeit sind noch Hunderte Millionen nicht ausgegeben, aber verfallen sind sie deshalb noch lange nicht – das wird auch nicht richtig durch immerwährende Wiederholungen. Die Kollegen von der CDU und von der FDP haben sich da sehr bemüht, aber es muss dem Einreicher schon ein Stück weit Alarmismus zugeschrieben werden bei der Begründung dieser Aktuellen Stunde zu diesem Thema. Denn die Vorredner haben schon ausgeführt und deswegen will ich das gar nicht wiederholen, dass es durchaus üblich ist, dass in den Förderperioden erst zum Ende der Mittelabfluss größer wird, weil große Vorhaben einen Planungsvorlauf brauchen, wie zum Beispiel der Hochschulcampus in Jena, wo es auch noch Rechtsstreitigkeiten gab, aber wo inzwischen der Bau entsteht und auch der Mittelabfluss damit gesichert ist. Wir sind dort als Thüringen auch im Plan und es ist nichts Ungewöhnliches auch mit Blick über die Landesgrenzen hinaus, auch in CDU-regierten Bundesländern, dort mal den Vergleichsmaßstab anzulegen, da fällt Thüringen unter gar keiner Besonderheit auf.

 

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Panikmache ist dort wirklich nicht angebracht.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

In Zukunft müssen die einzelnen Ministerien die Auszahlung der Gelder aber schneller vorantreiben. Das sehen auch wir so. Denn die bereitgestellte Summe aus der EU muss ganz konkret den Thüringerinnen und Thüringern, die hier leben und arbeiten, zugutekommen. Menschen müssen spüren, dass dieses europäische Projekt, das die EU-Gelder für sie im Alltag Verbesserungen mit sich bringen. Wir sollten uns daher Gedanken machen, welche Ziele wir in der neuen Förderperiode verfolgen wollen, um die Planungen rechtzeitig anzugehen. Das wäre dann vielleicht wirklich mal eine intensive Debatte wert.

Die Linksfraktion im Thüringer Landtag hat in einem Konzeptpapier Schwerpunkte zum Wirtschaften nach Corona dargelegt. Wir haben beschrieben, welchen Veränderungsbedarf wir uns für die neue Förderperiode wünschen und wie wir vor Ort in den Kommunen, in den Unternehmen und vor allen Dingen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die sozial-ökologische Wende vorantreiben wollen. Die Corona-Pandemie hat uns allen jedenfalls gezeigt, dass es ein einfaches Weiter-So nicht geben kann. Deshalb sagen wir: Nachhaltige und soziale Wirtschaftsentwicklung hat Priorität und verdient noch mehr staatliche Unterstützung. Die erreichten Erfolge wie die sozial-ökologische Ausgestaltung von Vergabekriterien und weitere Maßnahmen für ein Umsteuern der Wirtschaft dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren. Es sind auch keine Belastungen der Wirtschaft, sondern strategische Weichenstellungen, die weiter konsequent vorangetrieben werden müssen. Politik ist in der Verantwortung, die staatlichen Spielräume für eine aktive Steuerung zu nutzen, zum Beispiel durch die stetige Evaluation und Weiterentwicklung der Vergabekriterien, die Bindung staatlicher Wirtschaftsförderung an gute Arbeitsbedingungen sowie soziale und ökologische Standards, Stichwort Ökobilanz.

 

Eine Demokratisierung der Wirtschaft und der Marktmechanismen ist klares Ziel der Linksfraktion. Alternativen sind für uns Unternehmensformen mit mehr Mitarbeiterinnenbeteiligung und Verantwortung, zum Beispiel durch die Förderung von Genossenschaften. Ebenso müssen wir die Potenziale von Kultur und Tourismus als nachhaltige Wirtschaftsfaktoren umfassender ausschöpfen. Die Fachkräftesituation, Weiterbildungs- und Qualifikationsmöglichkeiten sowie Beschäftigungsbedingungen wollen wir als entscheidendes Ansiedlungskriterium bei Förderentscheiden stärken. Wir setzen auf einen Ausbau von guter und nachhaltiger Berufsausbildung, akademische Aus- und Weiterbildungen sowie attraktive Angebote zur Rückgewinnung von abgewanderten Fach- und Arbeitskräften. Außerdem müssen wir regionale Kreisläufe weiter stärken und ausbauen. Auch Ministerpräsident Bodo Ramelow hat immer wieder betont, wie wichtig das für den Wirtschaftskreislauf in Thüringen ist. Dazu wollen wir Anreize für eine Stärkung der Eigenproduktion und der Direktvermarktung setzen.

 

Ich denke, es ist deutlich geworden, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Anstatt sich also über zu spät ausgezahlte Fördermittel Gedanken zu machen, die nicht verloren gehen, sollten wir uns lieber schon um das Morgen kümmern, um Thüringen zu einem noch stärkeren Bundesland werden zu lassen.

 

Lassen Sie mich in der letzten Minute noch auf Vorredner eingehen. Das ist schon bemerkenswert: Frau Kniese, was Sie hier vorgetragen haben, ist sicherlich einer inhaltlichen Bewertung nicht wert. Aber die tatsächliche Schande für dieses Parlament ist die Existenz Ihrer Fraktion und diese Vorschläge, die Sie immer wieder einbringen. Wenn die wirklich beschlossen würden, dann wäre es um Thüringen schlecht bestellt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Deswegen sagen wir ganz klar: Das ist gar keine Alternative, was Sie als Alternative hier vorschlagen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ganz zum Schluss: Die Bescheidung von EFRE-Mitteln ist natürlich nicht nur eine Aufgabe von Ministerien und der Landesebene. Nein, da spielt die kommunale Ebene mit hinein. Und wenn sich die Kollegen der CDU zum Beispiel vor Ort in Gera – Sie hatten das mit vorgetragen, Herr Bühl – zum Beispiel einer Beschaffung von Straßenbahnen als Ersatz für jahrzehntealte Straßenbahnen verweigern, weil sie dort ein ganz anderes Konzept verfolgen, wenn also EFRE-Mittel nicht in Anspruch genommen werden, die eigentlich für Gera geplant waren, auch für die energetische Sanierung zum Beispiel des Kultur- und Kongresszentrums,

 

Präsidentin Keller:

 

Herr Abgeordneter Schubert, Ihre Redezeit ist um.

 

Abgeordneter Schubert, DIE LINKE:

 

dann entstehen dort natürlich auch Verzögerungen. Deswegen ist auch hier Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit auf allen Ebenen ein gutes Konzept. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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