Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes – Guter Unterricht geht nur über gemeinsame Sprache

Torsten Wolf

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 7/8225

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, liebe Schülerinnen und Schüler und Gäste hier im Haus, Sie erleben hier wieder einmal eine sehr unsägliche Debatte über einen Entwurf zu einem Gesetz, Schulgesetzentwurf. Das ist heute nicht das erste Mal, dass die AfD – das kam vorher, glaube ich, schon zweimal vor – mit einem Ein-Paragrafenentwurf zum Schulgesetz kommt und immer geht es um Ausgrenzung. Immer geht es darum, Kinder mit Migrationshintergrund möglichst nicht oder nur in geringer Anzahl an unseren Schulen lernen zu lassen oder – das ist das zweite Lieblingsthema dieser Fraktion – um Frühsexualisierung. Nur einmal so als Hinweis.

 

Sehr geehrter Herr Tischner, eigentlich wollte ich zur AfD gar nichts sagen, aber Sie haben mich dann doch noch mal nach vorn getrieben. Ich lese Ihnen mal etwas vor.

 

(Zuruf Abg. Tischner, CDU: So ein Mist!)

 

Gucken Sie doch mal da rüber. Da können Sie wahrscheinlich mehr Zustimmung erlangen zu dem, was Sie gesagt haben. Ich lese Ihnen mal was vor aus einer sächsischen Zeitung vom 13.10.2023 – Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung –: „Sachsen hat immer größere Probleme, ukrainische Schülerinnen und Schüler unterrichten zu können. Aktuell warten 764 Kinder und Jugendliche auf einen Schulplatz. Vor einem halben Jahr waren es noch 213 gewesen. Vor allem in Leipzig und Dresden sind viele Klassen bereits voll, so dass bislang keine Zuweisung an eine Schule erfolgen konnte.“ Nun mache ich das der Sächsischen Landesregierung überhaupt nicht zum Vorhalt. Wir alle – und da bin ich Ihnen ausdrücklich dankbar für Ihre ersten beiden Sätze, Herr Tischner – sind nach dem mörderischen Überfall von Putin auf die Ukraine und der daraus folgenden Fluchtbewegung vor allen Dingen von Familien, vor allem von Frauen und Kindern, in den letzten zwei Jahren vor eine Situation gestellt gewesen, die wir nicht voraussehen konnten und die vor allen Dingen nicht nur wir als diejenigen, die Personal beschäftigen und die Lehrpläne aufstellen, sondern auch die Schulträger nicht voraussehen konnten. Das wissen Sie so gut wie ich. Ja, da gibt es in allen Bundesländern hohe Herausforderungen. Aber alle Bundesländer gehen diese Herausforderungen an und das eint uns. Ich hoffe, dass das nach dem 1. September hier in Thüringen auch weiterhin so ist, dass demokratische Regierungen, also Regierungen, die sich aus demokratischen Parteien zusammensetzen, dass diese demokratischen Regierungen tatsächlich eins im Mittelpunkt haben, nämlich, dass jedes Kind dasselbe Recht hat auf Bildung. Jedes Kind hat dasselbe Recht auf Bildung und Entwicklung.

 

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Aber sie müssen Deutsch können, Herr Wolf! Deutsch!)

 

Jedes Kind – das ist ein grundgesetzlicher Anspruch – hat dasselbe Recht auf Bildung.

 

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nach § 28 Kinderrechtskonvention!)

 

Kollegin Rothe-Beinlich ist ja schon auf die internationalen Verpflichtungen eingegangen. Aber ich sage es jetzt auch mal so – jetzt nicht nur historisch, darauf ist Kollege Hartung schon eingegangen –: Es ist eine ethische Verpflichtung. Es ist etwas, was man selber fühlt, wenn man in Kinderaugen guckt, wenn man Familien ansieht. Herr Jankowski, machen Sie das nie?

 

(Zuruf Abg. Jankowski, AfD: Natürlich!)

 

Dann hat man Menschen vor sich, dann hat man Erwartungen, dann hat man Hoffnung auf Zukunft vor sich. Und das verbindet sich bei Kindern vor allen Dingen mit Bildung. Da schließt es sich völlig aus, dass man Kinder aussortiert. Das hatten wir in Deutschland schon einmal, dass man Menschen aussortiert. Das machen Sie permanent. Was aber noch hinzukommt, ist, dass die AfD offensichtlich überhaupt nicht in der Lage ist, ihre völkische Propaganda – das sieht man im Antext zu diesem Gesetz, das liest sich wie eine AfD-Pressemitteilung – in ein ordentliches Gesetz zu kleiden. Sie sind nicht mal in der Lage dazu. Sie müssten eigentlich wissen, dass Sie – erstens – damit in verfassungsrechtliche Gegebenheiten, nämlich in die Schulnetzplanung von den Kommunen eingreifen.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sie müssten wissen, dass im Schulgesetz steht – aber das wissen Sie ja alles nicht. Dazu gibt es rechtliche Grundlagen, wie lang können denn überhaupt Schulwege sein; bei Grundschülerinnen und Grundschülern zum Beispiel 35 Minuten maximal. Das hebeln Sie völlig aus, wenn Sie das nicht mal sehen …

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das steht in der Verfassung, ja?)

 

Nein, das steht im Schulgesetz. Sehen Sie, das lesen Sie noch nicht mal, stellen sich aber hier vorn hin und halten dümmliche Reden. Ich sage es nur mal: Sie halten hier dümmliche Reden. Dafür nehme ich jetzt gern mal den Ordnungsruf in Kauf.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hören Sie sich mal reden!)

 

Ja, ich argumentiere anhand einer Gesetzeslage, aber auch anhand von etwas, was mir selber sehr wichtig ist.

 

Aber es gibt auch neben dem Schulgesetz noch ein Gesetz, das Schulfinanzierungsgesetz, welches unter anderem regelt, was passieren würde oder was passiert, wenn zum Beispiel wie in einer Stadt Gera die Schulen tatsächlich voll sind, weil sehr viele Menschen da in den letzten Monaten hingezogen sind. Das Ministerium versucht, händeringend Schulplätze in anderen Gebietskörperschaften zu finden, wie zum Beispiel im naheliegenden Landkreis Greiz, weil da noch Schulplätze da sind. Dann kommen wir in die Situation, dass dort Schülerbeförderung bezahlt werden muss. Das steht im Schulfinanzierungsgesetz. Auch das müssten Sie eigentlich wissen. Aber, wie gesagt, Sie haben weder die Kompetenz noch haben Sie das Herz, Bildungspolitiker zu sein. Da spreche ich Sie jetzt ganz persönlich an.

 

Ich sage es auch, wir werden das natürlich nicht überweisen. Was wir aber gemacht haben, ist, dass wir sehr wohl Vorsorge getroffen haben. Wir haben da zum Beispiel im Haushaltsgesetz Vorsorge getroffen. Wir haben die Anzahl der pädagogischen Assistenz – und das ist auch wichtig und richtig so – nahezu verdreifacht. Darauf warten die Schulen. Das sind unter anderem ukrainische Fachkräfte, die hier in den Schulen ankommen sollen, über Qualifizierung, dann auch möglichst noch andere Aufgaben an Schulen übernehmen können, aber die erst mal die Möglichkeit haben, über pädagogische Assistenz an unseren Schulen zu arbeiten. 356 sind da jetzt für dieses Jahr vorgesehen. Und ja, wenn diese Aufgabe weiter anwächst, werden wir uns wahrscheinlich auch darüber unterhalten müssen, das noch mal auszuwerten. Wir haben aber auch die pädagogische Assistenz in unserem Schulgesetz aufgenommen und werden weiter daran arbeiten, dass wir über die Anerkennung der Abschlüsse der Menschen mit pädagogischer Qualifizierung hier in unseren Schulen mehr Menschen haben, die auch im Schulalltag Kompetenzen vermitteln können und nicht aussortieren.

 

Zur CDU noch mal – Kollegin Rothe-Beinlich hatte schon Beispiele genannt –: Was haben Sie sonst noch im Haushaltsgesetz gemacht? Sie haben zum Beispiel für Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrern die Haushaltsmittel gekürzt. Tolle Leistung! Gerade das, was man braucht. Aber natürlich auch mit Ihrer Globalen Minderausgabe – Herr Staatssekretär, wie haben Sie es mal genannt? Das ist der Borkenkäfer in der Bildungspolitik. Auch wieder der CDU wichtig gewesen. Das war Ihnen wichtig, dort anzusetzen, die Mittel zu kürzen. Was denken Sie denn, wo das ankommt oder warum dann weniger in den Schulen ankommen kann? Also bitte ehrlich bleiben, bitte mit uns zusammen die richtigen Wege gehen, liebe CDU-Fraktion.

 

Kollegin Baum, Ihnen danke ich ausdrücklich für Ihre Rede. Nein, wir werden diesen Unsinn, dieses herzlose, dieses menschenverachtende Gesetz nicht überweisen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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