Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/26 - Erste Beratung

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Hey - jetzt ist er nicht im Raum, da ist er, Entschuldigung; jetzt verdeckt Herr Höhn die Sicht.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Fraktionssitzung.)

Fraktionssitzung, dann nehmen Sie eine Auszeit, Sie wissen, wie das funktioniert, Herr Kollege.

Herr Hey, ich will noch mal kurz zu Beginn meines Redebeitrags auf Ihre Einlassungen eingehen. Mich hat es gefreut, Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen. Sie haben sozusagen in üblicher Manier, wie das die SPD noch vor Kurzem hier im Hause getan hat, eine wunderbare Oppositionsrede gehalten. Insofern haben Sie uns einiges vorweggenommen. Ich muss Sie nur in einer Richtung korrigieren, was die Geschichte der Gesetzentwicklung betraf. Die ist wohl etwas anders und die werde ich auch im Detail noch mal benennen. Aber zumindest hat es mich gefreut, dass Sie in einigen Ausführungen auch die Kollegen der CDU so ein bisschen in Wallung gebracht haben, was inhaltliche Nuancen sind, die wir durchaus gemeinsam mittragen.

Ich begrüße es, wenn Sie unsere Ungeduld hier geschildert haben. Das ist nachvollziehbar, weil wir nicht erst seit heute oder, wie Sie es genannt haben, seit April/Mai 2009 dieses Gesetz hier vorgelegt haben, sondern es hat eine Vorgeschichte. Insofern, wenn man die Wünsche und die Bedenken der Gewerkschaften, der Personalräte und der Bediensteten ernst nimmt, ist es unbedingt notwendig, so schnell wie möglich eine Verbesserung der jetzigen Gesetzeslage herbeizuführen.

(Beifall DIE LINKE)

Wichtig ist, dass die Bereitschaft signalisiert worden ist, auch darüber zu reden. Die hat bisher in diesem Hohen Hause gefehlt. Herr Fiedler, noch einmal an Ihre Adresse - aber er ist jetzt wirklich nicht da.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja hier. Ich bin da.)

Ach ja, da - also zum zweiten Mal. Gestern sind Sie schon benannt worden, dass Sie jetzt in den Reihen der SPD zu finden sind, jetzt erneut. Sie irritieren mich etwas. Also, Herr Fiedler, noch mal in Ihre Richtung, ich will ganz deutlich formulieren, Sie haben es zweimal nicht zur Kenntnis genommen oder bewusst ignoriert, dass wir über dieses Gesetz inhaltlich auch in den Ausschüssen reden wollen. Da haben Sie sich mit Ihrer Mehrheit …

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir haben eine Legislatur.)

Nicht heute, ich rede von der Vergangenheit. Wir hatten die Chance 2005, wir hatten die Chance 2009, genau über diese Gesetzeslage zu reden. Sie haben sich hergestellt und sich damals verweigert. Insofern ist es zumindest

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Erkenntniszuwachs.)

jetzt eine Verbesserung, wenn Sie einer Novellierung des Personalvertretungsrechts zumindest aufgeschlossen gegenüberstehen. Insofern will ich das gut gemeint zur Kenntnis nehmen. Auch Ihr Verweis auf das Bundesverfassungsgericht - ich will nur betonen, es lässt einen entsprechenden Spielraum zu und den sollte man nutzen. Die Landesregierung wird zum Handeln aufgefordert. Sie haben die Frage an Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht gestellt, das will ich gerne wiederholen. Auch ich erwarte letztendlich ein Handeln der Landesregierung, um gemeinsam, so wie wir es getan haben, mit Gewerkschaften und Personalräten diese Sachlage zu bereden.

Meine Damen und Herren, zur Geschichte des Gesetzes: "Aller guten Dinge sind drei." sagt der Volksmund. Nun wissen wir aber, dass es hier im Hohen Hause zwar manchmal märchenhaft zugegangen ist, es aber eben nicht wie im Märchen ist, wo die Dinge in der Regel einen guten Ausgang für die Akteure und Betroffenen nehmen. In unserem Fall, für DIE LINKE, sind die Akteure und Betroffenen Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, nämlich 100.000 an der Zahl in Thüringen. Nun ist es kein Geheimnis, sondern in aller Munde, dass Thüringen seit der ersten Novelle - Herr Fiedler, das haben Sie benannt - des Thüringer Personalvertretungsgesetzes im Jahr 2001 auf Initiative der damaligen Landesregierung und der CDU-Mehrheit im Bundesvergleich eines der schlechtesten Gesetze hat, insbesondere, wenn es um die Rechte der Beschäftigungsvertretungen geht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich werde nicht müde, es in aller Schärfe hier in diesem Hohen Hause deutlich zu benennen: Mitbestimmung findet faktisch nicht mehr statt. Sämtliche Vorschläge meiner Fraktion für mehr Mitbestimmung wurden seither torpediert. Meine Fraktion hat Ende 2005, also am Anfang der 4. Legislaturperiode einen eigenen Entwurf des Thüringer Personalvertretungsgesetzes mit dem Ziel, die Personalräte im öffentlichen Dienst zu stärken, in den Landtag eingebracht. Der Entwurf ist ohne Ausschussüberweisung von der Parlamentsmehrheit abgelehnt worden. Die SPD, das will ich in Erinnerung rufen, hielt damals unseren Novellierungsvorschlag aus dem Jahr 2005 für einen guten Gesetzentwurf und empfahl die Annahme.

(Beifall DIE LINKE)

Die damalige Landesregierung und CDU-Mehrheit begründete ihre ablehnende Haltung nicht etwa mit Sachargumenten, sondern hielt den Zeitpunkt für nicht richtig, demokratische Rechte zu stärken. Das Demokratieverständnis der Linksfraktion ist hier ein anderes. Für die Stärkung demokratischer Rechte kann aus Sicht meiner Fraktion kein Zeitpunkt ungünstiger sein.

(Beifall DIE LINKE)

Den jüngsten Versuch - ich hatte es vorhin erwähnt - im April/Mai 2009 haben wir im seitens der CDU ausgerufenen Jahr der Demokratie gestartet. Damals, verwunderlich auch im Schulterschluss mit der SPD- Fraktion, hat sich die CDU einer Beratung zu unserem Entwurf eines modernen Personalvertretungsrechts, eines Personalvertretungsgesetzes in Thüringen verweigert. Vielleicht eine Art Vorbote der Koalition? Jedenfalls scheint unter diesem Gesichtspunkt der Appell von Christoph Matschie zum Tag der Einheit, Demokratie lebe von Mitmachern, zumindest mit Blick auf das noch bestehende - so will ich es formulieren - Personalvertretungsgesetz zur leeren Worthülse zu verkommen, denn Demokratie beruht auch auf dem demokratischen Rechten in der Arbeitswelt, sei es im privaten oder im öffentlichen Sektor. Insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden Umstrukturierungsprozesses in der Thüringer Landesverwaltung, in Zeiten des zunehmenden Personalabbaus ist aus Sicht meiner Fraktion und auch im Ergebnis der Enquetekommission eine Änderung zwingend notwendig. Das will ich an dieser Stelle auch einmal deutlich formulieren, weil es gestern in der Regierungserklärung nur marginal eine Rolle gespielt hat, bei einer zwingend notwendigen Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform ist eine Verbesserung der Mitbestimmung unter Einbeziehung der Gewerkschaften unabdingbar und längst überfällig.

(Beifall DIE LINKE)

Eine Verwaltungsreform um der Reform Willen ohne Konzept und klares Ziel ist der falsche Weg. Damit gehen Personalabbau im öffentlichen Dienst und entsprechende Verunsicherung einher. Als Beispiel sei hier nur die Forstentwicklung angeführt, die Absichten der Landesregierung gehen nicht nur hier an den Interessen der Beschäftigten und des Freistaats vorbei. Auch zeugen die zwischenzeitlich zwar wieder beerdigten, aber dennoch angestellten Überlegungen der Landesregierung zur Rückübertragung der im Mai 2008 zunächst kommunalisierten Aufgaben des Naturschutzes auf Landesebene von Konzeptionslosigkeit. Mitbestimmung war wohl politisch nicht gewünscht, um den anvisierten Personalabbaupfad unbeirrt weiter fortsetzen zu können. Da, meine Damen und Herren, nimmt man sogar eine juristische Niederlage in Kauf, um auf den Fall der Herausklage der Auszubildendenvertretung aus den Übernahmeverpflichtungen gemäß Personalvertretungsgesetz zu sprechen zu kommen. Wider besseres Wissen, in Kenntnis des bestehenden Bedarfs an Waldarbeitern und unter Verstoß gegen das Personalvertretungsgesetz werden Kündigungen ausgesprochen und damit der Weisung des Finanzministeriums gefolgt, keine Einstellungen vorzunehmen. Mit vernünftiger Personalentwicklung hat das, denke ich, nichts mehr zu tun. So reformiert man die öffentliche Verwaltung nicht, sondern so beschädigt man das Gemeinwesen.

Nun ist in Teilen die personelle Veränderung in der Landesregierung vorgenommen worden. Ob damit zwingend eine Verbesserung der Gesetzeslage einhergeht, bleibt abzuwarten. Aber in jedem Falle bleibt die Hoffnung darauf, dass unser Vorstoß wie im Märchen dieses Mal einen guten Ausgang im Sinne der Beschäftigten und im Sinne Thüringens erfährt. Die Ankündigungen der neuen Sozialministerin Frau Taubert als sie noch als potenzielle Innenministerin gehandelt wurde, jedenfalls waren für mich persönlich sehr vielversprechend. Zur DGB-Tagung am 18. August 2009, noch im Vorfeld der Landtagswahl, unter dem Titel "Landtagswahl in Thüringen - wie weiter? - Tagung zur Reform des Beamtenund Personalvertretungsrechts" kündigte sie neben einer parteibuchunabhängigen Stellenbesetzung als erste Amtshandlung als Innenministerin auch die Stärkung der Beteiligungsrechte im Rahmen des Personalvertretungsgesetzes an. Nun ist Frau Taubert nicht Innenministerin geworden, aber die SPD trägt Regierungsverantwortung und damit Verantwortung für die Menschen im Freistaat einschließlich der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Die Landesregierung und CDU-Mehrheit lehnte - um noch einmal auf die Geschichte zurückzukommen - in der 4. Legislaturperiode unseren Entwurf in den vorangegangenen Debatten nicht mit Sachargumenten ab, sondern hielt, wie bereits angeführt, den Zeitpunkt damals für nicht richtig, demokratische Rechte zu stärken. Ich will noch einmal, Frau Präsidentin, Sie gestatten mir das, Herrn Kölbel, einen ehemaligen Kollegen hier im Hause, von der CDU-Fraktion, zitieren: "Man kann zu dem Schluss kommen, das Thüringer Personalvertretungsgesetz sei unmodern oder nicht zeitgemäß, oder aus dem aktuellen Geschehen heraus überprüfungs- und änderungsnotwendig. Dann aber ist dies nicht im Schnellverfahren möglich. So gewichtige Änderungen müssen abgewogen, angehört, beraten und verabschiedet werden. Das könne aber in einer Schlussphase oder in der Schlussphase einer Wahlperiode nicht geleistet werden." Folgt man der Weisheit eines ehemaligen und durchaus von mir geschätzten Kollegen, so ist jetzt unbedingter Handlungsbedarf angezeigt. Heute stehen wir am Anfang einer Legislatur. Und wenn, meine Damen und Herren, Frau Landtagspräsidentin Diezel zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Gewerkschaftsbundes die Gewerkschaftsarbeit gewürdigt hat, dann sagen wir nicht nur würdigen, sondern auch in Würde teilhaben lassen. Dies fordern nicht nur der Thüringer Gewerkschaftsbund und die knapp hunderdtausend Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, allein schon die Würde des Menschen, Demokratie und Sozialstaatsprinzip verlangen das. Unsere Gesellschaft braucht mehr und nicht weniger Mitbestimmung, mehr Mitbestimmung bedeutet auch mehr Demokratie.

Nun zum Gesetz und ich möchte mich hier nicht in Wiederholungen üben: Der Entwurf ist nicht im stillen Kämmerlein entstanden, sondern das Ergebnis eines umfänglichen Diskussionsprozesses im Jahr 2005 und bis heute. Auch im Vorfeld der erneuten Einbringung im Frühjahr dieses Jahres ist der sachliche Austausch erfolgt. Im Hinblick auf die heutige Einbringung haben wir ebenfalls - und das können Sie gern vernehmen - den Kontakt zu den Gewerkschaften und Personalvertretungen gesucht und um erneute Stellungnahme gebeten.

Unsere Initiative wird im Grundsatz für gut befunden und einhellig begrüßt. Zitat aus der aktuellen Stellungnahme des DGB: "… begrüßen wir die Initiative der Fraktion DIE LINKE, damit die Grundlagen der demokratischen Mitbestimmung wieder hergestellt werden." Zitat aus der aktuellen Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: "Begrüßen wir die Initiative der Fraktion DIE LINKE, da damit die Grundlagen für eine demokratische Mitbestimmung wieder hergestellt werden und der Gesetzentwurf gleichzeitig den Erfordernissen modernen Verwaltungsmanagements Rechnung trägt - Leitbild im Wahlkampf: modernstes Verwaltungsland."

Der vorliegende Entwurf, meine Damen und Herren, trägt den wesentlichen Forderungen und Eckpunkten der Gewerkschaften Rechnung. Schließlich ist er ja - und das sage ich deutlich - mit ihnen gemeinsam erarbeitet worden. Die Verschlechterung der Mitbestimmung und weitere Verschlimmerungen, die durch das erste Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vom 25. Juni 2001 eingeführt wurden, werden rückgängig gemacht. Der Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes wird auf alle in der Dienststelle eingegliederten Beschäftigten erweitert, mithin erfolgt auch eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern. Die Anzahl der Freistellungen ist auch in Anlehnung an das Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Für Stufenvertretungen finden dieselben Vorgaben zur Größe Anwendung wie für Personalräte. Der Tatbestand der Mitwirkung ist gestrichen, der Zustimmungsverweigerungskatalog ebenfalls. Aus den erneuten Stellungnahmen zur heutigen Einbringung - und so ehrlich wollen wir auch sein - ergibt sich hinsichtlich einiger Detailregelungen noch Diskussionsbedarf. Aber das soll uns nicht abhalten, sondern vielmehr unseren Entwurf als Anstoß verstehen, der im Rahmen der Ausschussarbeit noch zu qualifizieren ist, um diesbezüglich einer modernen Verwaltung Rechnung tragende Regelungen zu finden. Genau das, meine Damen und Herren, ist auch Sinn und Zweck der Ausschussarbeit. Beispielhaft sind hier anzuführen: der neu eingeführte § 76 a, der die §§ 106 bis 113 Betriebsverfassungsgesetz für entsprechend anwendbar erklärt mit den Intentionen, den Personalräten Unterrichtung und Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu gewähren, oder die vom DGB angeführten Eckpunkte Allzuständigkeit mit umfassendem Beteiligungskatalog sowie sanktionsbewehrte Verfahrensbeteiligungsrechte oder die Aufhebung des Gruppenprinzips mit Beamten und Arbeitnehmern und Anmerkungen zur praktischen Umsetzbarkeit der Freistellung gerade im Hochschulbereich. Hier wünschen wir uns, meine Damen und Herren, eine ausführliche und spannende Debatte im Innenausschuss federführend, im Justizausschuss und auch im Gleichstellungsausschuss. Unser Vorschlag kostet kein Geld, sondern erfordert nur Mut, politischen Willen und Diskussionsbereitschaft.

(Beifall DIE LINKE)

Daher: Über das Ob entscheiden wir heute und hier und über das Wie sollten wir sachlich unter Einbeziehung der Gewerkschaften und Personalräte im Ausschuss debattieren und diskutieren. Alles andere wäre unverantwortlich. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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