Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 6/685


Meine Damen und Herren! Herr Bühl, ich habe Ihren Eingang in Ihre Rede überhaupt nicht verstanden, was Sie meinten mit diesem stinkenden Kopf beim Fisch, als Sie dann auf den Entscheidungsfindungsprozess bei der Jungen Union zu einer Zeit abzielten, als Mario Voigt deren Vorsitzender war.


(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber das müssen Sie, glaube ich, innerfraktionell ausmachen, was Sie damit genau zum Ausdruck bringen wollten.


(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Dummschwätzer!)


In einem nehme ich Sie auch sehr ernst, was Sie hier gesagt haben. Sie haben uns mehrfach aufgefordert: Sorgen Sie dafür, kümmern Sie sich darum und haben dann erwähnt, das Interesse an Politik, das Interesse an Parteien, auch aufzurufen zur Teilhabe an politischen Prozessen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, der Aufruf geht durchaus an uns an die richtige Adresse. Denn Ihr Redebeitrag war nicht geeignet, das Interesse an Politik bei Jugendlichen zu erhöhen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihr Redebeitrag war auch nicht geeignet, den Eindruck, den Sie bei Jugendlichen richtigerweise schildern, dass Sie glauben, Parteien kümmern sich nicht um Ihre Belange, wirklich etwas tatkräftig entgegenzusetzen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da will ich auch auf einen Punkt hinweisen, den Herr Kellner schon genannt hat. Wir haben im Innenausschuss sehr ausführlich darüber diskutiert, dass es, wenn man für das politische Geschäft Werbung machen will, Menschen auffordern will, teilzuhaben, mitzumachen, mitzuentscheiden, nicht nur darum geht, ihnen ein Instrument in die Hand zu geben, mit dem sie beiseite stehen und praktisch einen Prozess ins Rollen bringen, sondern sie müssen natürlich auch teilhaben können an diesem Prozess, indem sie sich an inhaltlichen Debatten beteiligen können, indem sie natürlich auch Folgeabschätzungen miteinander austauschen können, mit den politischen Parteien diskutieren können. Das erfordert natürlich ein Grundmaß an politischer Bildung, keine Frage. Das aber allein ist doch nicht auf Jugendliche beschränkt, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir unter dem Begriff des lebenslangen Lernens fassen. Es wäre doch geradezu absurd, Ihrer Logik folgend erst das eine zu tun und dann irgendwann das andere zu machen, sondern wir müssen beides im Gleichschritt tatsächlich etablieren und entwickeln. Das war nämlich auch das, wofür Herr Beck vom Mehr Demokratie e. V. ausdrücklich im Innenausschuss und auch die politischen Jugendverbände geworben haben, Herr Kellner, das zweite nicht zu unterlassen, es parallel mitzuentwickeln, aber den Jugendlichen auch mit das Gefühl zu geben, dass das, was wir mit ihnen politisch diskutieren wollen, wirklich Ausfluss in politischen Entscheidungen in Parlamenten und in erster Linie auch bei der Zusammensetzung hat. Ich denke, wenn man das gemeinsam diskutiert, dann sind wir natürlich auch gern bei Ihnen und hören, was Sie für Vorschläge dazu einzubringen haben.


Nur ist es absolut nicht geeignet, Herr Bühl – das will ich in aller Deutlichkeit sagen –, Lehrern, die seit 25 Jahren jeden Tag vor Schülerinnen und Schülern stehen, abzusprechen, dass sie nicht geeignet sind, diese Menschen auf das Leben und auf gesellschaftspolitische Debatten vorzubereiten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will überhaupt nicht in Abrede stellen, dass mir an der einen oder anderen Stelle das möglicherweise auch anders vorschwebt oder ich andere Vorstellungen habe oder ich persönlich auch unzufrieden bin. Aber sich grundsätzlich hier hinzustellen und zu sagen,


(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Das habe ich so nicht gesagt! Völlig falsch dargestellt)


es liegt daran, dass Jugendliche nicht die notwendige politische Reife haben, weil wir Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst haben, die in der DDR ihre Ausbildung genossen haben, das ist, glaube ich, völlig unangemessen auch den vielen Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die in diesem Land ihren Dienst tun.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und ich will dann auch deutlich sagen: Ich habe mich schon gewundert, aber es ist eben wirklich gelungen, das Thema „Klassenfahrten“ oder „Lernen am anderen Ort“ auch bei diesem Thema unterzubringen und das in einen Sachzusammenhang gestellt, wo es überhaupt nicht hingehört. Aber der Populismuspunkt sei Ihnen gegönnt.


(Beifall DIE LINKE)


Herr Kellner, Sie haben mit Hinweis auf den Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung – es ist übrigens sehr interessant, dass Ihre Referenz-Anzuhörenden die Junge Union und die Konrad-Adenauer-Stifter sind, ich weiß nicht, wo da möglicherweise ein innerer Zusammenhang liegt. Aber Sie haben, aufbauend auf die Äußerung des Vertreters der Konrad-Adenauer-Stiftung davor gewarnt, dieses Gesetz mit einer einfachen Mehrheit im Landtag zu beschließen. Das finde ich wirklich demokratietheoretisch sehr gefährlich. Weil was wollen Sie damit zum Ausdruck bringen? Dass es im Prinzip ein Minderheitenrecht gibt Ihrerseits, gesetzliche Vorhaben tatsächlich zu blockieren, und dass es über die Verfassungsgrundsätze hinaus auch von Ihnen politisch definierte Bereiche gibt, in denen es sich nicht geziemt, mit einer demokratischen Mehrheit, die nach einem Diskussionsprozess entsteht, tatsächlich Gesetze zu verändern. Es kann doch nicht sein, dass wir an solchen Fragen tatsächlich darüber zu diskutieren haben, ob Sie als Minderheit ein Gesetzgebungsverfahren blockieren können und uns das sogar noch in der Demokratie zum moralischen Vorwurf zu machen. Das ist einfach absurd.


(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Die Mehrheit! Die Mehrheit!)


Und, Herr Kellner, das ist insbesondere von Ihnen – und diese Frage hätte ich Ihnen gestellt – von Ihnen insbesondere absurd, da Sie es erst tatsächlich verhindern, wenn Sie dokumentieren, Sie stimmen mit Nein und sich dann hier hinstellen und sagen: Weil wir mit Nein stimmen, dürfen Sie es nicht beschließen. Also Entschuldigung, mit diesem Demokratieverständnis werden Sie Jugendliche auch nicht überzeugen können, an Wahlen teilzunehmen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben in dieser gesamten Diskussion immer wieder gesagt, es ginge uns darum, die Wahlbeteiligung zu steigern. Das hat, glaube ich, in der gesamten Debatte, keiner gesagt, aber das ist natürlich tatsächlich ein Moment, Menschen, auch junge Menschen und dann mit ihrer persönlichen Entwicklung bis ins höhere Alter hinein für Politik zu interessieren, zu begeistern und ihnen nicht nur das Gefühl zu geben, sie sind beteiligt, sondern sie tatsächlich zu beteiligen.


Aber es ist natürlich kein primäres Ziel, weil es in erster Linie eine demokratietheoretische Frage ist, auf die will ich kurz noch eingehen. Aber Herr Kellner, Sie haben in Ihrem Redebeitrag auch ein Beispiel genannt, wo Sie deutlich machen, dass sogar dieses Ziel, was Sie unterstellen, wirklich erreicht worden ist. In Sachsen-Anhalt – so haben Sie ausgeführt – sind 29 Prozent der 16- bis 18-Jährigen zur Wahl gegangen. Lieber Herr Kellner, das sind 29 Prozent mehr als ohne das Wahlrecht ab 16 Jahre. Das heißt, Sie geben 29 Prozent der Menschen die Möglichkeit, sich tatsächlich an Wahlen zu beteiligen. Ich finde, das ist eine starke Steigerung der Wahlbeteiligung. Das wollen wir erreichen, weil wir die Beteiligung der Menschen sichern wollen.


Da will ich Ihnen auch sagen: Wir diskutieren vielleicht politisch sehr oft über die Argumentation, wir wollen das Wahlalter absenken. Aber im Beitrag von Herrn Adams ist es angeklungen, im Beitrag von Frau Engel ist es angeklungen, dass es eigentlich im Kern gar nicht um die Frage geht, das Wahlalter oder das Alter zum Ausüben des aktiven Wahlrechts abzusenken, sondern es geht um die Frage: Weiten wir – oder andersrum gesagt – wie weit weiten wir den Wahlrechtsausschluss aus? Da ist es verfassungsrechtlich Aufgabe – das hat Herr Adams deutlich gemacht – stetig zu überprüfen, ob die Gründe nach wie vor beständig sind, dass wir Menschen bis zum 18. Lebensjahr praktisch ihre Wahlrechtsausübung gesetzlich ausschließen, oder ist es mittlerweile tatsächlich so, dass die Gründe es nur noch rechtfertigen, Menschen bis zum 16. Lebensjahr tatsächlich vom Wahlrecht auszuschließen. Ich glaube, die Antwort haben wir auch im Innenausschuss gemeinsam mit Jugendlichen, gemeinsam mit Jugendverbänden, praktisch, aber auch demokratietheoretisch erörtert.


Hatte eigentlich die Fraktion rechts von mir heute einen Beitrag gehalten oder dazwischengerufen?


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Es gibt nur Fraktionen rechts neben Ihnen!)


Die Frage des Auseinanderfallens von aktivem und passivem Wahlrecht wurde an verschiedenen Stellen natürlich schon beantwortet. Ich will nur ein Beispiel hinzufügen, um, glaube ich auch, die Haltlosigkeit Ihrer Argumentation oder die fehlende Stichhaltigkeit aufzuzeigen. Im Hessischen Landtag kann man erst mit 21 Jahren Mitglied werden.


Also insofern sehen wir, dass neben vielen Beispielen, die Herr Adams genannt hat, auch noch andere Gründe es rechtfertigen, möglicherweise hier tatsächlich eine Unterscheidung vorzunehmen, die haben wir auch im Landeswahlrecht, beispielsweise bei der Wohnsitznahme, wie lange muss man irgendwo wohnen, um tatsächlich das aktive oder passive Wahlrecht zu erhalten. Diese enge Kopplung, die Sie immer wieder beschreiben, gibt es so nicht. Aber wir sind natürlich gemeinsam gern mit Ihnen bereit, auch über die Frage der Volljährigkeit im Zivilrecht zu diskutieren, weil die natürlich sehr viel unmittelbarer noch mit der Frage des passiven Wahlrechts zusammenhängt als die Frage des aktiven Wahlrechts, weil eben die Frage von Geschäftsfähigkeit und Haftbarkeit hier durchaus sehr beachtenswerte Rechtskriterien sein werden.


In einem und in diesem Zusammenhang durchaus wichtigen Punkt, Herr Kellner, möchte ich Ihnen aber auch deutlich widersprechen und das war, glaube ich, ursprünglich Anlass dafür, dass ich mich noch einmal gemeldet habe. Sie haben auf die Stellungnahme des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen verwiesen und uns hier der Diskriminierung bezichtigt. Das will ich wirklich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Es gibt in der Tat ein Problem, was wir hier erörtert haben, auch im Innenausschuss, auch in der Auswertung. Und das ist nicht die Frage, Herr Kellner, dass wir mit diesem Gesetzentwurf eine Diskriminierung vornehmen, sondern durch den Wahlrechtsausschluss infolge der Vollbetreuung, die erst mit der Volljährigkeit ausgesprochen wird, einen Zustand herbeiführen, dass Menschen mit Behinderung, die möglicherweise mit dem 18. Lebensjahr in die Vollbetreuung fallen, zunächst im Alter von 16 und 17 Jahren ein Wahlrecht erhalten, was ihnen dann mit 18 Jahren bei Eintritt in die Vollbetreuung wieder genommen wird. Das mag durchaus ein beachtenswertes Argument sein. Es wäre aber auch dann, und da zeigt sich, glaube ich, die fehlende Stichhaltigkeit dieser Argumentation, ein beachtenswertes Argument gegen diesen Gesetzentwurf, wenn es wirklich diese Kausalität in dieser Form gäbe. Es gibt natürlich auch Menschen, die in Vollbetreuung fallen, ohne durch den Alterseintritt in diese Situation gekommen zu sein, sondern durch Unfall, durch Krankheit. Das kann doch nicht Grundlage für uns sein, ihnen vor diesem Zeitraum bereits das Wahlrecht zu entziehen. Die Beurteilung der Vollbetreuung ergibt sich tatsächlich erst aus gutem Grund in dem Zustand, wo sie tatsächlich eigentlich vom rechtlichen Tatbestand her voll über ihre Geschäfte und ihre eigene Handlungsverantwortung entscheiden können. Das ist dann eben auch die letztendliche Entscheidung über die Frage der Ausübung des passiven oder aktiven Wahlrechts. Und das ist doch keine Entscheidung, die wir mit vorbeeinflussen oder vornehmen müssen, wenn wir darüber diskutieren, dass wir das Wahlrecht mit 16 einführen wollen. Aber es ist richtig – das sage ich auch –, dass auf Bundesebene gemeinsam mit den Bundesländern geprüft wird, ob dieser Wahlrechtsausschluss infolge der Vollbetreuung tatsächlich noch zeitgemäß ist oder nicht tatsächlich einen diskriminierenden Tatbestand darstellt. Wir hatten hier gemeinsam mit der Landesregierung vereinbart, dass wir diesen Prüfungsprozess auf Landesebene tatsächlich abwarten.


In diesem Sinne, meine Damen und Herren, werbe ich noch einmal für die Zustimmung zu diesen beiden Gesetzesinitiativen.


Meine Damen und Herren der CDU, Sie können selbst dafür Sorge tragen, dass das aktive Wahlrecht auf Landesebene wie auf Kommunalebene nicht auseinanderfällt. Stimmen Sie einfach allen drei Gesetzentwürfen zu und wir haben hier tatsächlich eine kongruente Entwicklung. Herzlichen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien