Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetzes (Gesetz zur Einführung eines Gedenktags für die Opfer des islamistischen Terrorismus)

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/3308


Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Gäste, der Thüringer Landtag hat in dieser Legislaturperiode auf Initiative der rot-rot-grünen Koalition bereits zwei Gedenktage für Thüringen gesetzlich eingeführt,


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das sagte ich schon!)


zum einen im Jahr 2015 den 8. Mai als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“,


(Beifall DIE LINKE)


um der Millionen Opfer der Verbrechen des Nationalsozialismus zu gedenken und weil dieser Tag auch Ausdruck der historischen Singularität dieser Verbrechen und dieser menschenverachtenden Ideologie ist.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben unabhängig davon – weil wir da in einer besonderen politischen Verantwortung stehen – auch den 17. Juni als den „Tag für die Opfer des SED-Unrechts“ eingeführt, weil wir auch diesen Opfern des Unrechts gedenken wollen, weil wir an die Vielfältigkeit des Unrechts in der DDR erinnern wollen und weil wir genau auch diese Geschichte, die mit vielen Biografien von Menschen in diesem Land eng verbunden ist, auch ein Stück weit als Ausgangspunkt unserer eigenen Aufarbeitungsarbeit in der gesellschaftlichen Debatte verankert wissen wollen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben mit diesen beiden Gedenktagen jeweils für sich im Einzelnen eine ausgewogene, angemessene und begründete Entscheidung getroffen. Nun will die AfD heute hier mit ihrem Gesetzesantrag über Gedenkkultur gemeinsam mit uns und der Öffentlichkeit diskutieren. Und wenn die AfD über Gedenkkultur diskutieren will, hat das seit letzter Woche einen anderen Klang. Es ist der Klang der Täter-Opfer-Umkehr, es ist der Klang des Revisionismus, es ist der Klang der Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Und ich füge hinzu: Bei solchen Debatten weilt der Geist der Täter dieser Verbrechen in den Reden der AfD.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: … Täter der richtigen Partei!)


Und ich will das vielleicht deutlich machen – Frau Pelke hat das angesprochen –, auch Ihnen mal deutlich machen,


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Der einzige Täter … sind Sie!)


wie das bei den Opfern des Nationalsozialismus aufgefasst worden wurde: Die geben nämlich keinen Pfifferling auf irgendwelche Erklärungsversuche Ihrerseits und auf Ihre Zwischenrufe, die an Diffamierung kaum noch zu überbieten sind. Bertrand Herz führte zur Begründung, warum er es richtig findet, dass Höcke als unerwünschte Person am morgigen Tag in der Gedenkstätte Buchenwald ausgeladen wird, aus – ich zitiere –: „Die Überlebenden der Nazibarbarei und die Angehörigen der Ermordeten können nicht zulassen, dass die Bedeutung des Holocaust relativiert und das Andenken an die Opfer herabgewürdigt wird. Wir wehren uns gegen das Erscheinen von Verharmlosern beim Gedenken an der Stätte unseres Martyriums.“ Doch, meine Damen und Herren, es geht eben nicht nur um Höcke – es geht um die AfD im Ganzen. Und wer die Reaktionen der Abgeordneten Muhsal und Brandner auf die Rede Höckes lesen konnte, weiß: Es ist der Geist der AfD-Fraktion, der letzte Woche in Dresden sprach.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Herr Dittes, reden Sie doch mal zum Thema!)


Und wer die Reaktionen der Abgeordneten Möller, Herold und Rudy auf das Zeichen aller anderen Fraktionen am gestrigen Tage in den sozialen Netzwerken …


Vizepräsident Höhn:


Herr Abgeordneter Dittes, einen kleinen Augenblick. Herr Kollege Brandner, ich sage Ihnen jetzt in aller Deutlichkeit: Sie werden der Rede des Abgeordneten Dittes genauso zuhören, wie wir Ihren Reden und denen aus Ihrer Fraktion zugehört haben, damit das klar ist!


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Unruhe AfD)


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Zum Thema, aber nicht so was! Dann soll er zum Thema reden!)


Und wenn Sie das Bedürfnis haben zu reden, dafür ist das Rednerpult da!


Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:


Meine Damen und Herren, und wer die Reaktionen der Abgeordneten Herold, Möller und auch Rudy auf das Zeichen aller anderen Fraktionen am gestrigen Tag in sozialen Netzwerken gelesen hat,


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hat es Ihnen gefallen?)


als die Fraktionen daran erinnert haben, für was das Mahnmal in Berlin steht, weiß, dass der Unterschied zwischen der AfD und Höcke kein großer ist.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Zum Thema, Herr Dittes!)


Und Herr Brandner charakterisierte dieses Zeichen heute an diesem Pult als „Kasperletheater“.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Genauso wurde es wahrgenommen, Herr Dittes!)


Ich glaube, wer so mit Opfern von Verbrechen umgeht, hat wenig Anrecht darauf, mit uns gemeinsam über Gedenkkultur zu diskutieren.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie jedenfalls sind kein Partner in einer ernsthaften Debatte.

Meine Damen und Herren – und ich rede zur Öffentlichkeit und zu den anderen Parlamentariern und nicht in Richtung der AfD-Fraktion –, die AfD behauptet in ihrem Gesetzentwurf, Deutschland steht im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus. Ich sage, so schlimm, so verheerend und so verurteilenswert der Terroranschlag am 19. Dezember 2016 in Berlin war – dieser Satz verharmlost das, was weltweit auch außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland alltäglich stattfindet. Er vergisst die Anschläge in Frankreich, in Belgien, in der Türkei,


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie haben überhaupt nicht zugehört!)


aber er vernachlässigt vor allem, was alltäglich passiert im Libanon, in Afghanistan, in Syrien, im Irak. Wenn Sie den Menschen, die alltäglich dort dem Terror ausgesetzt sind, sagen, wir würden im Ziel, im Fadenkreuz des Terrorismus stehen, dann sind Sie nicht nur geschichtsvergessen, sondern Sie negieren auch das, was international tatsächlich weltweit Menschen erleiden müssen. Sie führen auch hier das durch, was wir bei Höcke in Bezug auf den Nationalsozialismus schon erlebt haben: eine Verhöhnung von tatsächlichen Opfern.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sind die vom Breitscheidplatz keine Opfer für Sie, Herr Dittes?)


Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang auch deutlich sagen – ich habe Ihnen das gestern schon gesagt – und in Ihrer Rede ist das auch deutlich geworden: Es geht Ihnen gar nicht um die Opfer des islamistischen Terrors, es geht Ihnen um den Islam, den Sie im Prinzip gleichsetzen mit Terroranschlägen. Ich glaube, das ist eben hier deutlich geworden. Wir machen bei diesem Prinzip der Spaltung, der Auseinanderdividierung der Opfer, wie es Frau Pelke genannt hat, die zur Spaltung auch von Gesellschaften führt, nicht mit. Wir gedenken den Opfern, wir verurteilen Terroranschläge, aber wir missbrauchen diese Opfer nicht für unsere eigenen politischen Ziele, der Schaffung von Feindbildern, wie es bei der AfD der Fall ist.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)


Die AfD behauptet zweitens, es gäbe eine Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern islamistischen Terrors und kein Gedenken. Frau Pelke ist darauf eingegangen. Erstens: Es gab keine 24 Stunden später einen ökumenischen Gottesdienst unter Einbeziehung des Zentralrats der Juden und des Zentralrats der Muslime. Es gab ein Gedenkkonzert in Berlin und es gab die Anstrahlung des Brandenburger Tors, wie es schon bei vielen anderen Terroranschlägen zuvor stattgefunden hat, weil wir eben, anders als Sie, auch über die Landesgrenzen hinaus schauen und tatsächlich die Opfer im Blick haben und Erinnerungen und Andenken schaffen wollen. Es gab die Gedenkveranstaltung im Bundestag und ich möchte auch Herrn Lammert zitieren, der in dieser Rede tatsächlich auf die Schwierigkeit des Gedenkens an Opfer einging. Er sagte: „Es gehört zu den kaum vermeidbaren, aber schwer erträglichen Mechanismen der Wahrnehmung solcher Ereignisse durch die Medien und die Öffentlichkeit, dass dem Täter regelmäßig weit größere Aufmerksamkeit geschenkt wird als denen, die er in den Tod riss. […] Von den Opfern hingegen ist wenig bekannt. Angemessen ist das natürlich nicht, aber es verdeutlicht zugleich die ganz unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse, denen es gerecht zu werden gilt […]. Vor allem haben wir den Wunsch trauernder Angehöriger auf Privatsphäre, darauf, in ihrer Trauer nicht allein, aber in Ruhe gelassen zu werden, unbedingt zu respektieren auch gegenüber nachvollziehbaren Bedürfnissen von Medien und Öffentlichkeit.“ Er erwähnte Medien und Öffentlichkeit und nicht politische Parteien. Ich will auch ganz deutlich sagen, dem Andenken und dem Gedenken an Opfer wird man nicht dadurch gerecht, indem man sie instrumentalisiert. Das tun Sie mit Ihrem Antrag, das tun Sie mit Ihrem Redebeitrag.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie einseitig und verallgemeinernd Sie sich tatsächlich den Opfern von Terroranschlägen stellen, wird hier auch am Anschlag auf die Fatih-Camii-Gemeinde in Dresden im September des vergangenen Jahres sichtbar. Es war nicht nur – wie sich später herausstellte – ein Claqueur der AfD der Täter, sondern es war wiederum Höcke, der in einer Pressemitteilung kein Wort des Gedenkens an die Opfer richtete, sondern die Verurteilung dieses Anschlags auf die Moschee damit begründete, dass damit das Ansehen der Opposition, und damit meinte er die AfD, beschädigt werde. Das war das Motiv der Kritik der AfD an diesem Anschlag und nicht die Ansprache des Aufeinanderzugehens, der Opfer, aber es ist auch nicht verwunderlich, wenn man durch seine politischen Auftritte genau den Nährboden, genau die Motivation für die Täter liefert, wie es sich ja im konkreten Fall dann tatsächlich auch herausgestellt hat.

Die AfD behauptet in ihrem Gesetzentwurf drittens, es gebe keinen Gedenktag für die Opfer des Terrors bzw. islamistischen Terrors, und das ist einfach falsch. Da verweise ich nicht auf den Volkstrauertag wie Frau Walsmann, sondern ich verweise auf den 11. März,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Werden Sie sich mal einig mit der Kollegin!)

der ein europäischer Gedenktag für die Opfer des Terrorismus ist.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hat noch jemand etwas anzubieten?)


Der 11. März ist der Tag des Terroranschlags in Madrid, der 191 Menschen das Leben kostete. Aber das reicht der AfD natürlich nicht, weil hier allen Opfern von Terrorismus gedacht wird. Darum geht es der AfD nicht. Es geht Ihnen um einen Teil von Opfern, oder vielmehr: Es geht Ihnen um einen Teil der Täter. Und ich wiederhole, was ich am gestrigen Tag hier schon von diesem Pult gesagt habe, um die Dimension des Terrorismus weltweit einmal zu beschreiben: Im Jahr 2015 gab es weltweit 14.806 Terroranschläge. 80 Prozent der Opfer, die bei diesen Terroranschlägen umkamen, waren Muslime. Ich finde es angemessen, wenn wir allen Opfern von Terrorismus gedenken und uns nicht die Opfergruppe oder die Tätergruppen heraussuchen, die in unser politisches Kalkül passt. Und das heißt bei der AfD – das politische Kalkül –, das Feindbild des Islam, das Feindbild der Muslime weiter in diese Gesellschaft zu treiben, was letztendlich den Nährboden für rassistische Übergriffe, für rassistisch motivierte Anschläge auf Flüchtlingsheime liefert, dem Sie im Prinzip dafür die Voraussetzungen schaffen.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Es gibt einen Unterschied zwischen Islamismus und Islam!)


Ich will abschließend auch darauf noch einmal eingehen, was Frau Walsmann gesagt hat. Wie geschichtsvergessen Sie sind, zeigt sich allein an der Tatsache, dass Sie es im Gesetzentwurf aber auch in Ihrer Rede vollkommen unterlassen haben, darauf hinzuweisen, dass der 19. Dezember bereits ein Gedenktag ist, nämlich für 500.000 Menschen, die durch den Nationalsozialismus industriell vernichtet wurden, nämlich die Sinti und Roma. Dieser Tag ist der Gedenktag, der den Opfern dieses Völkermordes an den Sinti und Roma gedenken soll. Ich glaube, es wäre angemessen, auch für uns in diesem Hause, diesen Gedenktag auch in Zukunft stärker mit Leben zu füllen. Sie sind jedenfalls kein Gesprächspartner für uns, um über Gedenkkultur für Opfer von Terrorismus, für Opfer menschenverachtender Verbrechen zu diskutieren. Ihr Gesetzentwurf ist abzulehnen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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