Drittes Gesetz zur Änderung der Thüringer Bauordnung – Einführung einer Abstandsregelung von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung 1/3

Markus Gleichmann

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/1584

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, werte Zuhörende im Livestream, lassen Sie mich als Erstes feststellen, die CDU-Fraktion stellt sich gegen die eigene Bundesregierung.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Während die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien forcieren will und bis 2050 die Klimaneutralität erreichen will, arbeitet die CDU-Fraktion in Thüringen daran, einen der Hauptträger der Energiewende, nämlich die Windenergie, nahezu unmöglich zu machen.

 

Liebe CDU, ich kann Sie ja verstehen, Sie sind alle auf Ihr Direktmandat in Ihren Regionen angewiesen und haben natürlich Angst vor dem Gegenwind einiger lauter Bürgerinitiativen vor Ort. Verantwortung sieht aber anders aus, als nur auf die nächsten Wahlergebnisse zu schauen. Verantwortung trägt man, wenn man Entscheidungen nach sorgfältiger Abwägung wissenschaftlicher Fakten trifft.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Unruhe CDU)

 

Kommen wir zu Ihrem Antrag. Er macht leider überhaupt keinen Sinn. Sie fordern, den grundsätzlichen Abstand von 1.000 Metern zur Wohnbebauung in der Landesbauordnung festzuschreiben. Ich unterstelle Ihnen mal, Sie wissen, dass die Regierung unter R2G in der letzten Legislaturperiode am 21. Juni 2016 einen Windenergieerlass beschlossen hat. Damit wurden schon Einschränkungen vorgenommen, um Emissionen zu vermeiden und gleichzeitig die Möglichkeit gelassen, Klimaziele zu erreichen. So funktioniert verantwortungsvolle Politik.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Unruhe CDU)

 

In diesem Windenergieerlass wurde der Abstand von 1.000 Metern zur Wohnbebauung ab einer Gesamthöhe einer Windkraftanlage von 150 Metern geregelt. Wissen Sie denn, wie hoch aktuell die durchschnittliche Höhe eines Windrades ist? 2018 war die durchschnittliche Nabenhöhe neu installierter Windkraftanlagen in Thüringen 129 Meter. Der durchschnittliche Rotordurchmesser hatte eine Länge von 118 Metern. Wir addieren also jetzt den Radius des Rotors mit der Nabenhöhe und kommen auf eine durchschnittliche Gesamthöhe von 188 Metern. Somit gilt für alle Neuanlagen aktuell schon der Mindestabstand von 1.000 Metern,

 

(Unruhe CDU)

 

(Beifall DIE LINKE)

 

zumal die Gesamthöhen aus ökonomischen Gründen ja eher größer werden als kleiner.

Liebe CDU, was wollen Sie also mit diesem Antrag erreichen? Was wollen Sie den Menschen vor Ort erzählen? Dass Sie einen Riesenaufriss gemacht haben und am Ende nichts verändert haben? Oder wollen Sie nur Rot-Rot-Grün für den Windenergieerlass loben, der schon 2016 die Regelbedürftigkeit erkannt hat?

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Weil er grottenschlecht ist!)

 

Dann vielen Dank dafür, aber dazu hätte es diesen Antrag, der eher wie eine Nebelkerze daherkommt, nicht gebraucht.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Vielmehr sollten Sie auf die Argumente der Wissenschaft hören. Wir hatten am 22. September dieses Jahres eine denkwürdige Anhörung hier zu Ihren anderen Windkraftverhinderungsgesetzen, welche aktuell in den Ausschüssen verweilen. Man kann die Position der Fachleute zu Ihrer Anti-Windkraft-Politik ganz einfach zusammenfassen:

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Schöne Stellungnahme!)

 

Ihr Populismus ist ein Desaster für die Energiewende,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

eine Katastrophe für das Klima, für die Umwelt und für die Natur im ländlichen Raum, die Sie angeblich schützen wollen.

 

Schauen wir also Ihre eigentlichen Ziele an, die über den heutigen Antrag hinausgehen. Ihre Strategie wurde eindeutig entlarvt. So machte unter anderem Prof. Wesselak von der Hochschule Nordhausen deutlich, dass Ihre Forderung nach der 10H-Abstandsregelung bei gleichzeitigem Ausschluss von Waldflächen faktisch zum Rückbau von Windenergie führen wird, denn Repowering würde damit auch effektiv ausgeschlossen. Wenn es neue Anlagen gibt, dann wird in höherer Nabenhöhe ausgebaut und damit nach Ihrer Forderung ein größerer Abstand notwendig sein. Ihren Repowering-Antrag, den Sie gleichzeitig auf der Tagesordnung haben, könnten Sie dann quasi auch zurücknehmen.

 

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU, ich glaube, Sie wissen, dass Sie sich mit dem aktuellen populistischen Kurs ganz gewaltig vergaloppiert haben. Ihre Anti-Windkraft-Wahlkampagne zur letzten Landtagswahl hat nicht verfangen. Die Einzigen, die von dieser Stimmungsmache profitiert haben, sind jene, die wirklich keinerlei Lösungskompetenz haben: die AfD, die mit Klimawandel leugnenden, antifaktischen Wandervortragenden versucht, den Menschen einzureden, dass, wenn man nur die Augen so lange wie möglich geschlossen hält, dann alle Probleme gelöst sind. So funktionieren weder Regierungspolitik noch Opposition, so geht nur Demagogie.

 

Liebe CDU, auf der anderen Seite lade ich Sie ein, mit uns wirklich über Energiewende zu sprechen. Ich glaube Ihnen auch aufgrund Ihrer kommunalen Verankerung, dass es Ihnen darum geht, die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen. Ich glaube Ihnen auch, weil eben Ihre Bundespartei eine ganz andere Politik macht. Lassen Sie uns gemeinsam darüber reden, wie wir den Planungsprozess im Landes anders und bürgerfreundlicher gestalten können, wie wir die Menschen bei Windkraftprojekten wirklich mitnehmen können, indem wir direktdemokratische Mittel von Beginn an einplanen. Aber lassen Sie uns auch darüber nachdenken, wie wir Gemeinden und Bürgerenergiegenossenschaften oder Eigentümer, die Anlagen bauen wollen, unterstützen können, ohne ein starres Korsett an Windvorranggebieten zu haben. Denn eines hat die Anhörung am 22. September auch gezeigt: Die Zielfestschreibung von 1 Prozent der Landesfläche für Windenergie im Thüringer Klimaschutzgesetz vom 18.12.2016 wird aktuell in den Regionalen Planungsgemeinschaften nicht annährend erreicht

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Überraschend, oder?)

 

und ehrlicherweise wäre es aus Sicht der Energiewende sinnvoller, ein Ziel an installierter Leistung zu setzen. Statt über einen Mindestabstand können wir aber über Regelungen reden, die wirklich etwas bringen. Solche, die in bestimmten Wetterlagen eine Abschaltung der Windkraftanlagen regeln, um Emissionen zu reduzieren. Lassen Sie uns über eine festgeschriebene Vergütung von Kommunen reden, welche aufgrund von Windkraftanlagen Belastungen haben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Im Bundestag wird eine Novelle des EEG diskutiert. Ihre Partei, liebe CDU, führt die Bundesregierung. Nutzen Sie doch endlich diese Möglichkeit, um nicht nur kosmetische Korrekturen vorzunehmen, sondern mit einem EEG 2.0 Innovation und Fortschritt in den Bereichen Energie, Mobilität und Wärmeversorgung zu vernetzen und damit zu ermöglichen, dass Deutschland zu einem weltweit führenden Standort der Forschung und Technologie wird.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Von den demokratischen Fraktionen hier im Landtag zweifelt wohl niemand daran, dass die Reaktion auf den menschengemachten Klimawandel die größte Aufgabe unserer Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten sein wird.

Bei der FDP bin ich mir allerdings manchmal nicht ganz so sicher, aber Ihr natürliches Wählerklientel, der Eigentümer, steht in dieser Frage ja Ihrer Fraktionsmeinung entgegen. Ich verweise da auf den Beitrag des Vorsitzenden des Waldbesitzerverbandes zur Anhörung am 22. September.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Sie kennen unsere Klientel nicht! Darauf bestehe ich!)

 

Warum wollen Sie den gebeutelten Waldeigentümern eine sinnvolle Einnahmequelle verwehren? Wenn wir so etwas gesetzlich ausschließen würden, würden Sie von Enteignung reden.

 

Werte CDU, lassen Sie uns gemeinsam dieser Aufgabe im Sinne der kommenden Generationen stellen. Deshalb werden wir uns einer Ausschussüberweisung des Antrags auch nicht verweigern. In einer fachlichen Debatte können wir vielleicht einen guten Kompromiss finden und den Antrag qualifizieren. Aber, liebe CDU – das ist mir wirklich besonders wichtig – lassen Sie endlich diesen billigen Populismus.

 

(Unruhe CDU)

 

Das schließt auch Ihr Narrativ ein, dass die CDU die Partei des ländlichen Raums ist und die böse R2G-Koalition nur Politik für den städtischen Raum macht. Da muss ich Ihnen als Bewohner eines Dorfs mit 120 Menschen sagen, da muss ich auch dem Großstädter Herrn Voigt sagen: Das stimmt so nicht. Mit dieser Meinung werden Sie auch keine weiteren Wähler hinzugewinnen. Die Menschen fragen nämlich nach Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit. Diese zu finden, ist unsere gemeinsame Aufgabe als Politik. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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