Digitalisierung in Verwaltung und Wirtschaft erleichtern – Schriftformerfordernis kritisch überprüfen und anpassen, Behördengänge reduzieren

Philipp Weltzien

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 7/1131

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Zweiter Digitalisierungsantrag für heute von der FDP – auch schon lange im Durchlauf, heute in der Behandlung. Dieses Mal haben Sie es auf das Schriftformerfordernis im Bereich der Verwaltung und der Wirtschaft abgesehen. In der Begründung Ihres Antrages heißt es, wenn ich zitieren darf: „Für die forcierte OZG-Umsetzung bietet es sich an, das Schriftformerfordernis in Papierform gesetzlich abzuschaffen und in Ausnahmefällen auf die Fälle zu beschränken, in denen die Papierform tatsächlich zwingend ist.“

 

Dazu muss man sagen, dass bis zum 31. Dezember 2022 Bund, Länder und Kommunen dazu verpflichtet sind, ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über die Verwaltungsportale anzubieten. Die rot-rot-grüne Landesregierung treibt die digitalen Prozesse in der Verwaltung auf Ebene des Landes und in den Kommunen weiter voran – wir haben in dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt bereits darüber gesprochen – und versucht, auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen der Thüringer Wirtschaft nicht alleinzulassen.

 

Erst im letzten Monat haben wir das Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Paßgesetzes und des Personalausweisgesetzes und des Thüringer E-Gouvernement-Gesetzes beschlossen. Ich denke, beispielsweise eine Onlinefunktion des Personalausweises ist ja durchaus richtig, wenn wir über den Bereich der Authentifizierung reden, und es ist auch bestimmt eine gute Sache. Ich kann mich erinnern, dass die FDP in dem Tagesordnungspunkt zu diesem Gesetzentwurf bedauert hat, dass es leider keinen Smart Perso gäbe – um dieses Wort einfach mal zu verwenden –, also die Möglichkeit, den Personalausweis direkt auf dem Handy oder einem anderen Speicherort zu haben. Ich muss zugeben: Die Idee finde ich als junger Mensch und als technikaffiner Mensch ja durchaus charmant,

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Die ist sogar gut!)

 

sicherlich bestimmt auch praktisch. Aber was Sie in Ihren Beiträgen dazu auch immer wieder vergessen, ist, die Dinge zu erörtern, was die datenschutzrechtlichen Bestimmungen dazu angeht. Deswegen habe ich das Gefühl, mit Ihrem Motto „Digitalisierung first, Datenschutz second“ werden Sie leider auch als Bürgerrechtspartei keinen goldenen Blumentopf gewinnen können.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das Handy ist eben nicht per se ein sicherer Ort für solche Daten. Wir versuchen auf der Ebene des Landes und der Kommunen mit Hilfe der KIV und weiteren Partnern, die Digitalisierung voranzutreiben – wir haben das beredet – und damit alle notwendigen Prozesse zu bündeln und einheitlich zu gestalten.

Liebe FDP, ich gebe Ihnen ja soweit in Ihrem Antrag recht,

 

(Beifall FDP)

 

dass auch ich die Überprüfung des Schriftformerfordernisses für durchaus sinnvoll erachte. Dieses zu reduzieren und die unkomplizierte öffentliche Verwaltung und die digitale Wirtschaft endlich Wirklichkeit werden zu lassen, sollten wir nicht aus dem Blick verlieren. Das stimmt. Problematisch finde ich jedoch in Ihren Texten, dass Sie ausschließlich digitale Prozesse für alle Bürgerinnen und Bürger als Chance und Vereinfachung verkaufen. Es stimmt zwar, dass viele Menschen mit Behördengängen nicht unbedingt positive Gefühle verbinden und häufig vom ewigen Papierkram genervt sind, aber ebenso gibt es eben Bürgerinnen und Bürger, vor allen Dingen auch älteren Semesters, vor allen Dingen auch nicht technikaffine Menschen, die wenig Erfahrung mit digitalen Prozessen haben und die damit sehr schnell ein schlechtes Gefühl bekommen.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Warum unterstellen Sie das immer den älteren Menschen? Das ist so diskriminierend!)

 

Und diese Menschen muss ich doch auch mitnehmen und nicht jeder kann beispielsweise eine digitale Unterschrift und ein PDF-Dokument einfügen. Nicht jeder besitzt ein Smartphone und es soll sogar in der heutigen Zeit noch Menschen geben, die keine E-Mail-Adresse besitzen.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Deswegen soll es ja einfach und benutzerfreundlich sein!)

 

Deswegen ist es wichtig, auch die klassischen Wege der Behördengänge nicht außer Acht zu lassen, Zwischenformen und Möglichkeiten zu finden, wie wir innerhalb dieser Verwaltungsprozesse den Medienbruch zwischen analogen und digitalen Medien gelöst bekommen. Kluge Systeme gibt es dafür mehr als genug, wir müssen sie nur einführen. Als Land werden wir daran gemessen werden, wie gut wir die Bürgerinnen und Bürger dort abholen, wo sie heute stehen, neue digitale Prozesse auch in der Wirtschaft begleiten und diese vor allen Dingen verständlich erklären und niemanden zurücklassen.

Ich denke, das Stichwort lautet „Evaluation“, um die Bedürfnisse der Thüringerinnen und Thüringer besser zu erkennen und sich ihrer Lebensrealität anzupassen. Erst dann wissen wir, warum digitale Prozesse angenommen werden oder eben auch nicht. Gleichzeitig gilt dies auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden, in den Unternehmen, in der Wirtschaft. Einige werden sicherlich problemlos mit neuen Herausforderungen zurechtkommen, andere werden intensive Schulungsmaßnahmen an der Stelle brauchen.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das ist die Aufgabe, das Angebot so benutzerfreundlich zu machen!)

 

Das Normenscreening ist bereits durchgeführt worden und Veränderungen stehen weiter auf der Tagesordnung von Rot-Rot-Grün, die aktuellen Entwicklungen machen Hoffnung, dass wir auf einem guten Weg sind. Für weitere sachdienliche Hinweise zu Ihrem Antrag stehen Ihnen die Kolleginnen und Kollegen im HufA und des Ministeriums sicherlich zur Verfügung, wenn dort der Antrag sicherlich weiter beraten wird. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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