Die Klimakrise macht keine Corona-Pause – EU-Ratspräsidentschaft auch in Thüringen für Investitionen in eine krisenfestere Zukunft nutzen

Markus Gleichmann

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/1139

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich am Anfang mit Genehmigung der Präsidentin ein Zitat von Merkels Rede vor dem Europäischen Parlament in Brüssel zitieren. Und zwar sagte sie dort: „[Wir wollen] den Wandel hin zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft und Gesellschaft und zu einer grünen Wirtschaft mit starken und innovativen Unternehmen schaffen – einer Wirtschaft, die die natürlichen [G]rundlagen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas für die kommenden Generationen schützt und stärkt.“ Ein schlauer und richtiger Satz einer klugen Naturwissenschaftlerin. Wenn man ihr zuhört, muss man sich jedoch unweigerlich folgende Frage stellen: Ist das dieselbe Kanzlerin, die den Kohleausstieg auf 2038 verschoben hat? Was soll man dazu sagen? Da schlägt dann wahrscheinlich die konservative Politikerin die Naturwissenschaftlerin. Nachdem Verkehrsminister Scheuer Millionen für den Ausbau der Fahrradwege im Straßenbau versenkt, die Große Koalition kein Tempolimit auf Autobahnen hinbekommt, eine sinnvolle CO2-Bepreisung boykottiert und bei erneuerbaren Energien sogar die Hürden erhöht hat, nun solche staatstragenden Worte in Europa. Man könnte konstatieren: In Brüssel große Reden schwingen und zu Hause nicht liefern. Die Glaubwürdigkeit Deutschlands ist in Sachen Klimaschutz damit dahin.

 

Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr Großes versprochen – einen European Green Deal mit ambitionierten Klimazielen und dem Versprechen, das alles auch mit harter Gesetzgebung und engen Vorgaben zu unterstützen. Das sogenannte Klimagesetz der EU-Kommission hat nun zwar hehre Ziele, aber leider wenige Durchsetzungsmechanismen und lässt zentrale Fragen gleich ganz unbeantwortet, zum Beispiel: Woher sollen die deutlich mehr als 260 Milliarden Euro Investitionen pro Jahr kommen, die nach eigenen Berechnungen der Kommission notwendig wären, um die Klimawende zu schaffen? Notwendig wäre aus unserer Sicht eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen der Mitgliedsstaaten, unter anderem in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, in erneuerbare Energien, Netze, thermische Sanierungen, soziale Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das ist mit dem, was die EU derzeit als Konjunkturstimulus diskutiert, bei Weitem nicht zu schaffen. Wenn Berlin und Brüssel neben Worten nur wenig beizutragen haben, müssen wir in Thüringen mit Rot-Rot-Grün Wirtschaft und gesellschaftliches Leben tatsächlich und ernsthaft umsteuern, bevor es zu spät ist. Das von den Grünen vorgelegte Klima-Konjunkturprogramm enthält dafür viele diskussionswürdige und auch neue Projekte, einige aber, die auch schon angegangen werden. Man muss jedoch aufpassen, nicht in eine sortierende Herangehensweise hineinzugelangen, ohne Differenzierungen zuzulassen – bio ist gut, konventionell ist schlecht. Dass das so einfach nicht ist, dürften spätestens seit Tönnies alle wissen, schließlich ist dies einer der größten Verarbeiter von Biofleisch – und das ist üble Massenproduktion und wenig nachhaltig. Man könnte sagen: klein, regional und konventionell kann also durchaus manchmal auch besser sein. Wobei es auch hier nicht so sein darf, dass nun statt der Lebensmittel die Arbeitskräfte durch die halbe Welt geschickt werden.

 

Ähnlich bei Elektromobilität: Gut organisiert und umgesetzt ist das vollkommen richtig. Und dennoch kann die am Lebenszyklus gemessene Ökobilanz eines sparsamen Verbrenners deutlich besser sein als die eines Tesla-SUVs.

 

(Beifall FDP)

 

Letztendlich muss es doch darum gehen, unideologisch die effektivsten Wege zu finden, schnell und wirksam die Klimaherausforderungen zu meistern und nicht nur Gut- und Böse-Plaketten zu verteilen. Vor allem aber muss es sozial gerecht ablaufen. Warum zum Beispiel ein Anwaltsehepaar mit 150.000 Euro brutto im Jahr noch 100 Euro für den Umstieg auf ÖPNV geschenkt bekommt, erschließt sich mir nicht, genauso wenig wie der Umstand, dass vermutet wird, ein Mensch in Grundsicherung könnte 60 Euro zusätzlich im Monat für Mobilität erübrigen – das funktioniert einfach nicht.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Es gibt also noch einiges an Diskussionsstoff. Insbesondere um die Einheit von Sozialem und Ökologischem herzustellen, gibt es ja zum Glück noch uns – die Linke. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE)

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